Letzte Hürde genommen

Der Bundesrat hat die 7. Novelle der Verpackungsverordnung beschlossen. Nicht aus Überzeugung, sondern aus Not. Die Länder fordern nun grundlegende Änderungen und geben der Bundesregierung konkrete Eckpunkte vor.

Verpackungsnovelle passiert den Bundesrat


Die Länder haben heute der 7. Novelle der Verpackungsverordnung zugestimmt. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, um die Verordnung in Kraft treten zu lassen. In einer begleitenden Entschließung weisen die Länder jedoch darauf hin, dass die Novelle lediglich akute Schwachstellen der Verpackungsverordnung abstellt. Sie halten es daher für erforderlich, dass die Bundesregierung binnen der nächsten sechs Monate den Entwurf eines Wertstoffgesetzes zur Ablösung der Verpackungsverordnung vorlegt. Ziel müsse es sein, Verpackungen sowie stoffgleiche Nichtverpackungen verbraucherfreundlich und möglichst einfach gemeinsam zu erfassen und einer hochwertigen Verwertung zuzuführen.

Wie es in der Entschließung heißt, habe sich die Erwartung, dass in Folge der 5. Novelle der Verpackungsverordnung mehr Leichtverpackungen bei den dualen Systemen lizenziert werden, nicht erfüllt. Die Regelungen zu den Branchenlösungen und Eigenrücknahmen, die lediglich als eng begrenzte Ausnahmen für einige wenige etablierte und funktionierende Systeme konzipiert waren, hätten in der Praxis in verschiedensten Formen zu einer Umgehung der Lizenzierungspflicht geführt. Diese Vorgehensweisen hätten die Behörden nicht kontrollieren und damit auch nicht sanktionieren können, räumen die Länder ein.

Der Bundesrat sieht daher die Notwendigkeit, die Misstände „sehr zeitnah“ abzustellen, und bittet die Bundesregierung, binnen der nächsten sechs Monate den Entwurf für ein Wertstoffgesetz zur Ablösung der Verpackungsverordnung vorzulegen. Dabei soll sich der Entwurf an folgenden Eckpunkten orientieren:

  • Die Produktverantwortung wird über die Verwertung der Verpackungen hinaus auf näher zu bestimmende stoffgleiche Nichtverpackungen aus Metallen, Verbunden und Kunstoffen erweitert.
  • Neben der Verpackungsverwertung ist auch die Verwertung stoffgleicher Nichtverpackungen, die sowohl beim privaten Endverbraucher als auch im gewerblichen Bereich anfallen, zu regeln und dadurch die stoffliche Verwertung zu steigern.
  • Die Vollzugsfähigkeit ist sicherzustellen.
  • Zur Unterbindung des Wiegescheinhandels haben die Hersteller und Vertreiber von Transport- und Umverpackungen sowie von Verkaufsverpackungen, die nicht beim privaten Endverbraucher anfallen, die gleichen Anforderungen an die Verwertung und deren Dokumentation zu erfüllen, die für beim privaten Endverbraucher anfallende Verkaufsverpackungen gelten.

Der Bundesrat vertritt außerdem die Auffassung, dass unabhängig von den Festlegungen der Organisationsverantwortung mit dem neuen Wertstoffgesetz ambitionierte, selbstlernende Recyclingquoten insbesondere bei Kunststoffen mit einer werkstofflichen Quote von mindestens 50 Prozent der erfassten (nicht wie bisher der lizenzierten) Mengen vorgeschrieben werden müssen.

Wie der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel im Anschluss an die Plenarsitzung erklärte, dürfe die 7. Novelle nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit deren Änderungen zunächst nur die schwerwiegendsten Probleme der Verpackungsverordnung behoben werden können. „Ich möchte klarstellen, dass dies aus meiner Sicht die letzte Chance für die Systembetreiber ist, zu beweisen, dass ein duales, privat organisiertes Entsorgungssystem, überhaupt noch eine Zukunft hat“, betonte er. Die Auseinandersetzungen über die einzelnen Mengen müssten nun ein Ende haben.

Der Systembetreiber DSD hob in einer Mitteilung hervor, dass der Bundesrat eine dringend notwendige Reform der Verpackungsverordnung beschlossen hat. Die Ausnahmetatbestände Eigenrücknahme und Branchenlösungen hätten sich als unkontrollierbare Schlupflöcher erwiesen und seien nun abgeschafft beziehungsweise stark eingeschränkt worden. „Das ist eine wichtige Entscheidung, weil sie die Voraussetzung für die Stabilisierung des dualen Systems schafft“, erklärte CEO Stefan Schreiter. „Die dualen Systeme ihrerseits werden demnächst neue, eindeutige Clearingverträge abschließen und die Finanzierung des Systems für 2014 sichern“, versicherte er. Der BDE äußerte die Hoffnung, dass die mit der Unterlizenzierung verbundenen Finanzierungslücken nun eingedämmt werden. Verbandsgeschäftsführer Andreas Bruckschen appellierte an die Systembetreiber und Inverkehrbringer, die aktuellen Finanzierungsprobleme des laufenden Jahres schnell zu lösen.

Eigenrücknahme gestrichen, Branchenlösungen stark eingeschränkt

Die Streichung der Eigenrücknahme und die starke Einschränkung der Branchenlösungen sind die wichtigsten Neuerungen der 7. Novelle. Durch den Nachweis einer Eigenrücknahme von Verpackungen am Verkaufsort („Point of Sale“) konnte der Handel bislang seine geleisteten Entgelte von den dualen Systemen zurückverlangen. In der Praxis bestand die angebliche Eigenrücknahme aber oftmals darin, dass die Verpackungen doch über die dualen Systeme entsorgt wurden.

Ähnlich lief der Missbrauch bei den Branchenlösungen. Bei Nachweis eines branchenspezifischen Entsorgungssystems mussten die Verpackungsmengen aus der Branchenlösung erst gar nicht bei einem dualen System lizenziert werden. Beispiele hierfür sind Verpackungen, die an Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, Kasernen oder Kfz-Werkstätten geliefert werden.Vielfach waren die Nachweise darüber aber unvollständig oder gefälscht. Oder die Anfallstellen waren nicht über die Branchenlösung informiert, so dass die Mengen auch in diesen Fällen oftmals bei den dualen System zur Entsorgung aufliefen, ohne dass diese dafür eine finanzielle Vergütung erhielten.

Mit der 7. Novelle soll sich das ändern. Zwar können Unternehmen weiterhin ein eigenes Rücknahmesystem für Verkaufsverpackungen bei bestimmten, den Haushalten gleichgestellten Anfallstellen (z. B. Kantinen, Hotels, Freizeitparks, Kinos usw.) einrichten. Doch zuvor müssen die eingebundenen Stellen ihre Teilnahme schriftlich bestätigen. Zudem sind die dorthin gelieferten und später wieder zurückgenommenen Verpackungsmengen genau zu dokumentieren, um auch an dieser Stelle Missbrauch und Umgehungen einzudämmen.

Parallel zur 7. Novelle hat der Bundesrat am vergangenen Freitag auch die 6. Novelle der Verpackungsverordnung verabschiedet. Mit ihr werden verschiedene europarechtliche Vorgaben aus Brüssel umgesetzt. So wurde beispielsweise der Verpackungsbegriff modifziert. Unter anderem gelten nun auch Streichholzschachteln, Klarsichtfolien um CD-Hüllen, oder Kleiderbügel, die mit einem Kleidungsstück verkauft werden, als Verpackung.

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