Verwertung von Deponiematerial in MVA

Deponien werden oft als sprudelnde Ressourcenquellen angesehen. Was die thermische Verwertung von hochkalorischen Fraktionen aus Siedlungsabfalldeponien angeht, ist allerdings Skepsis angesagt. Zumindest die Ergebnisse eines Forschungsprojekts sind nicht gerade vielversprechend.

Nur begrenzt einsatzfähig


Auf Deponien schlummern enorme Ressourcen. Allgemein wird von einer nutzbaren Energierohstoffmenge von mehr als 200 Millionen Tonnen und mehreren Millionen Tonnen an Metallen ausgegangen. Inzwischen gibt es einige Projekte zur Abschätzung des Verwertungspotenzials der Deponiematerialien, doch Erkenntnisse darüber, welche Materialströme aus Rückbaumaßnahmen energetisch genutzt werden können, fehlen weitgehend.

Ein aktuell noch laufendes Forschungsprojekt untersucht deshalb die Möglichkeiten zum Rückbau bestehender Siedlungsabfall- und Schlackedeponien sowie zur Nutzung der darin enthaltenen Rohstoffe. Ein wesentlicher Schwerpunkt des Projekts mit dem Namen TÖNSLM ist die Ermittlung des Potenzials an heizwertreichen Komponenten aus den entnommenen Materialströmen. „Darüber hinaus soll die thermische Verwertung dieser Komponenten untersucht werden und die dafür geeignete Anlagentechnik identifiziert werden“, erklärt Peter Quicker, Professor des Lehr- und Forschungsgebietes „Technologie der Energierohstoffe“ an der RWTH Aachen und derjenige, der das Verbundprojekt wissenschaftlich begleitet.

Anzahl der Deponien in Deutschland nach Anlagenart 2011Im Rahmen erster großtechnischer Versuche wurde bereits ein Ersatzbrennstoff (EBS) aus dem entnommenen Deponiematerial erzeugt. „Hierzu wurde eine mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage genutzt, die dem derzeitigen Stand der Technik entspricht“, sagte Quicker bei der Vorstellung des Projekts auf der Berliner Abfallwirtschafts- und Energiekonferenz. Der EBS sei in Anlehnung an die LAGA-Richtlinie für das Vorgehen bei physikalischen, chemischen und biologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Verwertung / Beseitigung von Abfällen (LAGA PN 98) beprobt worden.

EBS weist problematische Materialeigenschaften auf

Bei der Analyse hat sich herausgestellt, dass die Materialeigenschaften des EBS fördertechnisch gesehen ziemlich problembehaftet sind. Der EBS kann also nicht ohne weiteres in jeder x-beliebigen Müllverbrennungsanlage (MVA) eingesetzt werden. „Der EBS zeigt eine Neigung zur Agglomeration und Verblockung bei der Förderung und beim Umschlag“, erklärt Quicker. Um den EBS in einer MVA thermisch verwerten zu können, ist also eine geeignete Zuführtechnik wie zum Beispiel Polypgreifer und Trichter mit Dosierstößel unverzichtbar.

„Aufgrund der möglichen Bandbreite der Heizwerte des Materials von 9.800 bis 17.300 kJ/kg sowie des zum Teil hohen Aschegehaltes, sollte die Verbrennung zudem idealerweise in einer robusten Feuerung durchgeführt werden, welche einen breiten Bereich möglicher Heizwerte abdeckt“, empfiehlt Quicker. Als Anforderung an den Verbrennungsrost nennt er Möglichkeiten zur Regelung beziehungsweise zur separaten Bewegung von Rostsegmenten.

Die idealen Voraussetzungen für den großtechnischen Verbrennungsversuch mit Fraktionen aus dem Deponierückbau hat die MVA Hannover geboten. Insbesondere die Abfallaufgabesysteme, der vergleichsweise moderate Durchsatz und das Heizwertspektrum von möglichen Einsatzmaterialien haben die Anlage der EEW Energy from Waste so geeignet für die Verbrennungsversuche mit EBS und unvorbehandelten Deponat gemacht.

Verbrennung von unvorbehandeltem Deponat wirtschaftlich kaum machbar

Die Versuchsergebnisse scheinen aber auch im Idealverbrennungsfall keinen Grund zum Jubeln zu geben. Quicker spricht davon, dass „eine thermische Verwertung des eingesetzten Ersatzbrennstoffes aus Deponat grundsätzlich technisch machbar ist“. Allerdings sei die Frischdampfproduktion im Versuch starken Schwankungen unterlegen gewesen. Diese seien wesentlich stärker ausgeprägt als im Normalbetrieb. Die Schwankungen führt der Wissenschaftler auf die ungleichmäßige Verteilung des Materials auf dem Rost zurück. Weitere Nachteile sind ein erhöhter Kontrollaufwand für das Leitstandpersonal sowie ein erhöhter Verbrauch von Kalkmilch als nötiges Additiv. Der um den Faktor 1,8 höhere Kalkmilchverbrauch resultiert laut Quicker aus dem Anstieg der durchschnittlichen HCl-Konzentration im Rohgas um den Faktor 2,7.

Noch schlechter fallen die Verbrennungsergebnisse von unvorbehandeltem Rückbaumaterial aus. „Die Verbrennung dieses Materials wird insgesamt als problematisch bewertet und ist nur in einer ausreichenden Mischung mit Frischabfall umsetzbar“, sagt Quicker. Für einen stabilen Betrieb müssten Rohdeponat-Frischabfall-Mischungen in einem Verhältnis von mindestens 1:10 eingestellt werden. Bereits bei einem Mischungsverhältnis von 1:5 könne ein stabiler Betrieb nur noch unter hohem Aufwand aufrechterhalten werden. Dieser hohe Aufwand steht vermutlich in keinem Verhältnis zum Nutzen und dürfte sich wirtschaftlich wohl kaum rentieren – selbst nicht für eine MVA mit idealen Voraussetzungen.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsprojekt TÖNSLM ist im August 2012 angelaufen und soll 2015 abgeschlossen werden. Das Projekt wird durch die Tönsmeier Dienstleistung GmbH geleitet. Verbundpartner sind verschiedene Institute der Technischen Universitäten Braunschweig, Clausthal, Aachen und weiteren Forschungseinrichtungen wie dem ifeu und dem Öko-Institut. Das zu den Versuchszwecken nötige Deponiematerial stammt von der Siedlungsabfalldeponie des Entsorgungszentrums Pohlsche Heide im Kreis Minden-Lübbecke. 2013 wurde eine Materialmenge von etwa 8.000 Tonnen entnommen, und zwar an drei verschiedenen Deponieabschnitten unterschiedlichen Alters.

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