Rückgewinnung aus Klärschlammaschen

In einer Studie haben Wissenschaftler fünf neue Prozesse zum Phosphorrecycling untersucht und bewertet. Welche Verfahren sind die besten? Ein Überblick.

Phosphorrecycling: Welche Verfahren können es?


Jährlich fallen in Deutschland rund zwei Millionen Tonnen Klärschlamm an. Rund die Hälfte wird thermisch entsorgt. Die daraus resultierenden rund 300.000 Tonnen Klärschlammasche enthalten rund 19.000 Tonnen Phosphor – ein wichtiger Stoff, der für mineralische Dünger benötigt wird. Doch große Mengen des Phosphors können dafür nicht genutzt werden, weil Klärschlammasche noch überwiegend deponiert wird.

Dabei gibt es inzwischen einige Verfahren, die speziell für die Phosphorrückgewinnung entwickelt wurden. Das Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft (ISWA) der Universität Stuttgart hat fünf Verfahren in der Studie „Interkommunales Projekt zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammaschen in Baden-Württemberg“ untersucht und bewertet. Alle Prozesse werden noch nicht im Industriemaßstab angewandt, sind aber mindestens im Technikumsmaßstab erprobt. 320° stellt die Verfahren und Ergebnisse vor.

Ash Dec: Behandlung in drei Schritten

Beim Ash Dec Verfahren, das das Unternehmen Outotec durchführt, wird die Klärschlammasche thermochemisch in drei Schritten behandelt. In der ersten Stufe wird die Asche mit chloridhaltigen Additiven wie Magnesium- oder Calciumchlorid vermischt und pelletiert. Anschließend werden die Pellets erhitzt, wobei sich neue Phosphatphasen wie Magnesium- und Calcium-Magnesium-Phosphate bilden. Das entstehende Düngemittel wird anschließend durch die Zugabe von weiteren Phosphaten und Nährstoffen auf die regionalen Bedürfnisse des Marktes angepasst. Das Verfahren wird derzeit in Leoben, Österreich, geprobt. Eine Anlage mit einem Durchsatz von 30.000 Jahrestonnen ist geplant.

Die Wissenschaftler bemerken hier positiv an, dass das Verfahren im Vergleich zu den nasschemischen Varianten weniger komplex ist und weniger Reaktoren und Geräte benötigt. Die Metallentfrachtung ist nach Ansicht der Autoren normal zu bewerten. Positiv sei hingegen, dass aus der Abgasreinigung nur wenige Abfälle noch zu entsorgen sind. Die Ausbeute – also die prozentuale Phosphorrückgewinnung bezogen auf die Klärschlammmasche – wird bei Ash Dec mit nahezu 100 Prozent angegeben. Der Chemikalienverbrauch gilt als niedrig. Die Marktreife ist bereits gegeben. Insgesamt wurde das Ash Dec Verfahren damit am besten bewertet.

Mephrec: Energiepotenzial nutzen

Mit dem thermischen Mephrec Verfahren wird bei der Rückgewinnung von Phosphor gleichzeitig Energie gewonnen. Der Klärschlamm wird dabei brikettiert und bei Temperaturen von bis zu 2.000 Grad Celsius einer Sauerstoff-Schmelzvergasung unterzogen. Das dabei entstehende Synthesegas kann zur Stromerzeugung genutzt werden.

Wird das Verfahren modifiziert, kann auch reine Klärschlammasche behandelt werden. Dann wird das energetische Potenzial allerdings schon in der Monoverbrennungsanlange verbraucht und es kann kein Strom mehr erzeugt werden. In einem Reaktor werden die mineralischen Bestandteile aus der brikettierten Klärschlammasche geschmolzen und es entsteht eine phosphorhaltige Schlacke. Die höher schmelzenden Schwermetalle legieren sich in einer Metallschmelze, die hauptsächlich aus Eisen besteht. „Da Phosphor in Eisen gut löslich ist, ist mit der Entstehung eines Sonderroheisens mit erhöhtem Phosphorgehalt zu rechnen“, heißt es in der Studie. Das Sonderroheisen kann an die Metallindustrie verkauft werden. Schlacke und Metall werden entweder in einem Siphon oder durch Abstriche in unterschiedlichen Höhen im Reaktor getrennt. Das Mephrec Verfahren wurde in Freiburg erprobt, in Nürnberg wird eine großtechnische Umsetzung geplant.

In der Bewertung wird die geringe Verfahrenskomplexität positiv angemerkt. Bezüglich der Metallentfrachtung waren die Konzentrationen im Ausgangsmix nicht bekannt, die Autoren der Studie betonen aber, dass im Produkt die Grenzwerte der Düngemittelverordnung eingehalten wurden. Neben wenigen Abfällen aus der Abgasreinigung entsteht bei diesem Verfahren auch phosphorhaltiges Roheisen, das verkauft werden kann – Grund für einen Pluspunkt. Die Ausbeute bei Mephrec liegt etwa bei 80 Prozent. Chemikalien werden wenige benötigt. Das Verfahren wird nach Einschätzung der Autoren im Jahr 2015 marktreif sein. Dafür gibt es in der Gesamtwertung den zweiten Platz. Die beiden thermischen Verfahren schneiden also insgesamt am besten ab.

PASCH: Zugabe von Brenntkalk

An der Hochschule RWTH Aachen wurde das nasschemische PASCH Verfahren entwickelt. Dabei wird zunächst der Phosphor mit Salzsäure aus der Klärschlammasche eluiert und gleichzeitig die Schwermetalle gelöst. Aus der Restasche werden die Schwermetalle durch eine zweistufige Solventextraktion abgetrennt und gehen in eine organische Phase über. „Aus dieser organischen Phase werden die Schwermetalle mittels einer ammoniakalischen Lösung extrahiert, die organische Phase wird daraufhin durch Salzsäure regeneriert und kann somit wiederverwendet werden“, wird in der Studie beschrieben. Das Phosphat wird schließlich durch die Zugabe von Brenntkalk bei einem PH 3,5-4 gefällt. Eine Umsetzung der Anlage wird derzeit in Straubing diskutiert.

Negativ merken die Autoren der Studie an, dass es in dem Verfahren einer zusätzlichen Mixer-Settler-Einheit sowie Reaktoren zur Aufbereitung des Extraktionsmittels bedarf. Die Metallentfrachtung wird positiv bewertet, da die tatsächlich gemessenen Werte für das Rückgewinnungsprodukt teilweise deutlich über den berechneten Werten liegen. Die zu entsorgende Abfallmenge wird als neutral eingestuft. Da die Ausbeute bei rund 90 Prozent liegt, bewerten die Autoren den Wirkungsgrad positiv. Für das Verfahren wird jedoch sehr viel Säure benötig – ein negativer Punkt. Nach Autorenmeinung wird PASCH etwa im Jahr 2017 marktreif sein. Alle Punkte zusammengenommen wird das Verfahren gemeinsam mit P-bac damit auf den hintersten Rang eingeordnet.

Leachphos: Kalkmilch als Fällmittel

Entwickelt und patentiert wurde das nasschemische Verfahren von der Schweizer Firma BSH Umweltservice. Bei Leachphos wird zunächst zu der Klärschlammasche verdünnte Säure gegeben, damit hauptsächlich Phosphor und Schwermetalle in Lösung gehen. Der Rückstand wird abgetrennt, von den Schwermetallen befreit und als Inertstoff verwertet. In dem Phosphorprodukt werden die Schwermetalle beispielsweise durch Ionenaustausch eliminiert. Der Phosphor wird anschließend durch Fällmittel wie Kalkmilch gefällt. Das Verfahren wurde in Bern erprobt und dabei insgesamt etwa 5 Kilo trockenes Phosphorprodukt hergestellt.

Die Verfahrenskomplexität wird von den Wissenschaftlern als neutral eingestuft. Wie bei dem zweiten nasschemischen Verfahren gibt es für die Metallentfrachtung eine positive Bewertung. „Generell lässt sich sagen, dass nasschemische Verfahren reinere Produkte rückgewinnen als die thermischen Verfahren“, schreiben die Autoren. Da pro Tonne behandelter Klärschlammasche allein 2 Tonnen zu entsorgende Restasche anfallen, wird hierfür eine negative Bewertung gegeben. Die Ausbeute zwischen 70 und 90 Prozent gilt als neutral. Der Chemikalienverbrauch ist hoch, wird aber nicht negativ bewertet, da die Säure kostenlos als Abfallstoff aus der Industrie bezogen wird. Zwar ist das Verfahren bereits in technischer Hinsicht marktreif, es fehlen aber laut Studie noch Marktanalysen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Insgesamt landet Leachphos in der Gesamtbewertung auf Platz 3.

Inocre P-bac: Mithilfe von Schwefelsäure

Das zweiphasige Inocre Verfahren wurde von Fritzmeier Umwelttechnik mit Unterstützung der RWTH Aachen entwickelt und bereits patentiert. In einem ersten Schritt werden durch mikrobielle Bildung von Schwefelsäure der Phosphor und die Schwermetalle aus der Klärschlammasche gelöst. Anschließend wird die Restasche von der flüssigen Phase getrennt. Dieses Prinzip ist unter dem Stichwort Bioleaching bekannt. Die flüssige Phase wird in einem zweiten Schritt behandelt: Der Phosphor wird durch mikrobiologische Phosphataufnahme von den Schwermetallen getrennt. „Bis zu 90 Prozent des Phosphors können somit über die Abtrennung der Biomasse rückgewonnen werden“, schreiben die Wissenschaftler. Abschließend werden die Schwermetalle aus der flüssigen Phase ausgefällt.

Da bei dem biologischen Verfahren gewisse naturgegebene Unsicherheiten bestehen, bewerten die Autoren der Studie die Verfahrenskomplexität negativ. Die Entfrachtung sei generell etwas schlechter als bei anderen Verfahren. Neutral hingegen werden die zu entsorgenden Restmengen betrachtet. Mit einer Ausbeute zwischen 80 bis 95 Prozent gibt es hierfür einen Pluspunkt. Bezüglich des Chemikalienverbrauchs gibt es keine Angaben vom Hersteller. Die Marktreife ist für P-bac vor allem abhängig vom Markpreis. Gemeinsam mit dem PASCH Verfahren erhält diese Technik die wenigsten Punkte.

© 320°/ek | 29.08.2014

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