Positionspapier

Die Plastiktüte für den Einkauf entwickelt sich immer mehr zum Auslaufmodell. Ob das unter Umweltgesichtspunkten Sinn macht, haben Wissenschaftler untersucht. Die Ergebnisse liegen nun vor.

Plastiktüte, Papiertasche oder Baumwollbeutel: Wer hat die bessere Ökobilanz?


In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 45 Plastiktüten pro Kopf verbraucht. Der Wert liegt damit weit unter dem EU-Durchschnitt von 198 Stück pro Kopf und Jahr. Umweltverbände wollen sich aber damit nicht zufrieden geben und fordern ein schnelles Ende der Plastiktüte – zu Unrecht, wie Experten des Fraunhofer-Instituts Umsicht meinen.

„Die Plastiktüte hat ähnlich dem ebenfalls stark in der Kritik stehenden Kunststoffmaterial Polyvinylchlorid einen hohen symbolischen Wert in den Umweltdebatten erlangt“, erklären die Forscher. Die Bedeutung der Plastiktüte in Bezug auf die quantitativen Umweltwirkungen werde dabei nicht selten überhöht und die Komplexität der Gesamtproblematik Kunststoffe und Umwelt stark vereinfacht.

Laut Fraunhofer-Institut Umsicht liegt der Massenanteil, den Kunststofftüten am Gesamtverbrauch von Kunststoffen ausmachen, bei unter einem Prozent. Denn inzwischen haben viele Supermärkte Gratisplastiktüten verbannt und bieten den Kunden stattdessen Taschen aus Baumwolle, Jute oder Papier an.

Wie die Forscher in einem Positionspapier schreiben, macht das aus ökobilanzieller Sicht keinen Unterschied. „Ökobilanzen weisen keine spezifischen Vorteile von Papier- und Baumwolltüten gegenüber Tüten aus konventionellen Kunststoff oder Biokunststoff aus“, heißt es darin. Vor allem die Mehrfachnutzung von Tüten wirke sich günstig auf die Ökobilanz aus.


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Allerdings sind Ökobilanzen nicht endgültig. „Beispielsweise können langfristig notwendige Pfadwechsel (fossil – nachwachsend), der technische Entwicklungsstand eines Materials/Produkts oder Wirkungen des Kunststoffmülls – einschließlich Mikroplastik – in der Umwelt in Ökobilanzen heutzutage nicht beziehungsweise nicht ausreichend abgebildet werden“, erläutern die Experten. Hinzu komme, dass bioabbaubare Materialien für Plastiktüten als Option infrage kämen, wenngleich der Abbau dieser Materialien noch weiter untersucht werden müsste.

Generell abzulehnen sind aus Sicht der Wissenschaftler jedoch Kunststofftüten aus Polyethylen mit katalytischen Zusätzen, die eine oxidative Fragmentierung auslösen (sogenannte Oxo-Degradables). Denn diese Tüten würden gezielt Mikroplastik erzeugen.

Zwischen den Zeilen ist auch der Wunsch der Forscher herauszulesen, dass sie sich eine sachbezogene Diskussion des Themas wünschen. Von einem Verbot von Plastiktüten nehmen sie Abstand. „Stattdessen sollten Wege gefunden werden, die einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang begünstigen“.

Dazu schlägt das Papier Maßnahmen der Umweltbildung, Pfandsysteme oder Pflichtpreise für Plastiktüten in allen Geschäften vor. Gefragt sei weiterhin auch die Politik: „Alles, was das Kunststoffrecycling erleichtert, wie zum Beispiel Sammelsysteme, die eine einfache, sortenreine aber effiziente Erfassung erlauben, oder Verzicht auf Multi-Materialsysteme, sollte politisch und regulatorisch sinnvoll flankiert werden“.

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