Leitfaden

Das BMUB hat seine Praxishinweise für die Umsetzung der Abfallhierarchie mit den Ländern abgestimmt. Das Ergebnis ist ein Leitfaden für die Abfallwirtschaft und Vollzugsbehörden. Eine weitere Vollzugshilfe beschäftigt sich mit gefährlichen Abfällen aus Industrieprozessen.

Praxishinweise zur Anwendung der Abfallhierarchie


Das Bundesumweltministerium (BMUB) hatte Anfang Mai den Entwurf seines „Leitfadens zur Anwendung der Abfallhierarchie nach Paragraf 6 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)“ vorgelegt. Dieser drehte sich um die praktischen Folgen des Wegfalls der Heizwertklausel. Jetzt liegen auch die mit den Ländern abgestimmten Hinweise des BMUB zur Anwendung und Umsetzung der Regelungen der Abfallhierarchie vor.

Das BMUB will mit dem Vollzugspapier, das nicht rechtsverbindlich ist, unter anderem

  • den betroffenen Abfallerzeugern und -besitzern sowie den Vollzugsbehörden Vollzugshilfen zur Anwendung und Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie der Paragrafen 6 bis 8 KrWG an die Hand geben.
  • der Praxis ermöglichen, die Folgen des Wegfalls der Heizwertklausel und das daraus resultierende Verhältnis von stofflicher zu energetischer Verwertung besser abschätzen zu können.
  • den Abfallerzeugern und zuständigen Behörden eine effiziente und möglichst unbürokratische Vorgehensweise ermöglichen.

In dem Leitfaden beschreibt das Ministerium die Rechtsgrundlage der Abfallhierarchie und die Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft. Für die Verwertungspflicht sind die Paragrafen 7 und 8 des KrWG maßgeblich. Des Weiteren geht das BMUB auf die unterschiedlichen behördlichen Vollzugsinstrumente ein. Hier wird erläutert, wie die Hierarchievorgaben des KrWG im Einzelfall konkretisiert und gegenüber dem jeweiligen Adressaten der Pflicht durchgesetzt werden können.

Welche Maßnahme ist die ökologisch beste Option?

Nach dem allgemein gehaltenen Teil folgt eine ausführliche Erläuterung und Auslegung des Paragrafen 6 des KrWG. Hier ist bekanntermaßen die Rangfolge innerhalb der Abfallhierarchie festgelegt. Das BMUB macht aber auch deutlich, in welchen Einzelfällen diese strikte Hierarchie nicht zwangsweise gilt.

In einer konkreten Situation kann sich nämlich eine als nachrangig eingestufte Maßnahme als die ökologisch beste Option entpuppen. Dieser ist sodann Vorrang einzuräumen. Gleiches gilt auch für eine Optimierung der Abfallverwertungsmaßnahmen. Diese erfordert laut BMUB mit Blick auf den „bestmöglichen Schutz von Mensch und Umwelt nach der Art und Beschaffenheit des Abfalls“ einen wertenden Vergleich zwischen

  • der nach der Abfallhierarchie grundsätzlich vorgegebenen „Regel-Maßnahme“ und
  • der im Einzelfall zur Optimierungen des Schutzes von Mensch und Umwelt vorgesehenen Abweichung.

Dieser Vergleich hängt „von einer Vielzahl unterschiedlich zu gewichtender und schwer zu vergleichender Kriterien ab“, wie es im Leitfaden heißt. Neben dem Lebenszyklusdenken seien unter anderem die erwartenden Emissionen wie auch das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen abzuwägen. Der Fokus müsse aber auch auf dem Energieeinsatz respektive –verbrauch liegen sowie auf einer möglichen Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, in Abfällen zur Verwertung oder in daraus gewonnenen Erzeugnissen.

Hochwertigkeit ist beherrschendes Gebot

Einen breiten Raum nimmt im BMUB-Leitfaden der Vergleich der verschiedenen Verwertungsoptionen ein. Hier sind gemäß KrWG alle für die konkrete „Art und Beschaffenheit des Abfalls“ in Betracht kommenden Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung zu berücksichtigen. Besonders bedeutsam sind laut Ministerium die jeweiligen

  • Verwertungsverfahren (anlagenbezogene Emissionen und Immissionen, Störfallrisiko, Arbeitsschutz, Ressourcen- und Energieeinsatz beziehungsweise Ersparnis)
  • Beförderungsvorgänge (insbesondere mit Blick auf die Transportdistanz und -logistik die Emissionen der Transportmittel, die Immissionen, das Störfallrisiko, den Arbeitsschutz, den Ressourcen- und Energieeinsatz bzw. die Energieeinsparung)
  • die aus dem jeweiligen Verfahren resultierenden Stoffe und die gewonnene Energie.

Egal, ob die Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling oder die energetische die Verwertungsmaßnahme der Wahl ist: Für alle Hierarchiestufen gilt das Hochwertigkeitsgebot. Dieses Gebot ist eine echte Rechtspflicht und zielt vorrangig auf die Ressourcenschonung und die Nutzung eines Ressourcenbilanzvorteils. Somit ist eine Verwertung hochwertig, wenn sie das stoffliche oder energetische Substitutionspotenzial in hohem Grade nutzt.

Für das Recycling ist laut Leitfaden eine Hochwertigkeit erreicht, wenn die Abfälle auf einer hohen Wertschöpfungsstufe in die Wirtschaft zurückgeführt werden. Eine entsprechende „Veredelungsstufe“ sei damit entbehrlich. Für die energetische Verwertung seien Verfahrensausgestaltungen als hochwertig anzusehen, die aufgrund eines hohen Wirkungsgrades den Energiegehalt der Abfälle in hohem Maße nutzbar machten.

Auch die Kaskadennutzung wird im Leitfaden thematisiert. Die mehrfache Hintereinanderschaltung von stofflichen und anschließend energetischen Verwertungsmaßnahmen sei auch ein Leitbild für den Vollzug, so das BMUB. Allerdings kann dieses Leitbild auch auf den Kopf gestellt werden. Ein Beispiel dafür ist die Vergärung von Bioabfällen. Hier wird zunächst Energie gewonnen, anschließend werden die Gärrückstände auf den Boden zu Düngezwecken aufgebracht.

Grenzen der Hierarchie

Aber auch das Hochwertigkeitsgebot und die interne Rangfolge der Verwertungsmaßnahmen stoßen an gewisse Grenzen. Denn es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. So kann ein Abfallerzeuger oder -besitzer nicht zu einer grundsätzlich vorrangigen Verwertungsmaßnahme verpflichtet werden, wenn sie für ihn technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Allerdings, so der Hinweis des BMUB, liegt die Darlegungs- und Beweislast bei demjenigen, der sich auf die Ausnahmemöglichkeit berufen will.

Dabei ist eine Verwertungsmaßnahme als technisch möglich anzusehen, wenn ein praktisch geeignetes Verfahren zur Durchführung der vorrangigen Verwertungsmaßnahme zur Verfügung steht. Praktisch geeignet sei das technische Verfahren dann, wenn es ohne längere Erprobungsphase verwirklicht werden könne. Der Begriff der technischen Möglichkeit darf aber nicht mit dem „Stand der Technik“ verwechselt werden.

Bei der Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit sind laut BMUB insbesondere wirtschaftliche und umweltbezogene Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Neben dem wirtschaftlichen Aufwand seien die Qualität der Erzeugnisse und ihre Absetzbarkeit zu einem marktfähigen Preis sowie die vorhandenen technische Besonderheiten der Anlage unter Berücksichtigung ihres „Modernisierungspotenzials“ ebenso zu berücksichtigen, wie Art, Menge und Gefährlichkeit der zu verwertenden Abfälle.

Vollzugshilfe zu gefährlichen Abfällen aus Industrieprozessen

Neben dem Leitfaden zur Abfallhierarchie hat das BMUB eine Vollzugshilfe zu gefährlichen Abfällen aus industriellen Prozessen publiziert. Durch die Vollzugshilfe soll der Leitfaden bei gefährlichen Chemie-Abfällen aus der der Industrie konkretisiert werden, da an dieser Stelle der Wegfall der Heizwertklausel besonders relevant sein dürfte.

Die beiden Vollzugspapiere hatte das BMUB bereits im Mai veröffentlicht. Allerdings nur im Entwurf. Damit ist das Bonner Ministerium einer Entschließung des Bundesrates nachgekommen. Eine entsprechende Bitte hat auch der Abfallrechtsausschuss der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) ausgesprochen. Schließlich hatten auch verschiedene betroffene Wirtschaftsverbände Vollzugshilfen gefordert.

Jetzt wurden die beiden Vollzugshilfen abschließend von den zuständigen LAGA-Ausschüssen und der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) beraten.

Mehr zum Thema
Landgericht München muss Lkw-Kartellprozess neu aufrollen
Die neue Abfall­­­verbringungsverordnung kann kommen
Erstes deutsches Unternehmen für Schiffsrecycling
Verpackungsmüll: Warum bayerische Kommunen weiterhin auf das Bringsystem setzen
Zu viel Bürokratie: „Das macht manche Firmen verrückt“
Regierung in Sachsen beschließt Förderung der Kreislaufwirtschaft
Videoüberwachung an Containern ist „schwieriges Thema“
Circular Economy: München hat die meisten Start-ups
Voestalpine will Buderus Edelstahl verkaufen
Wertstofftonne: Karlsruher hadern mit privatem Entsorger
EU-Länder unterstützen Verpackungs­verordnung
„Das größte Bürokratie­entlastungspaket, das es je gab“