Produzierendes Gewerbe

In den kommenden Jahren dürfte der Einsatz von Carbonfasern stark zunehmen. Wegen der hohen Produktionskosten erscheint auch der Einsatz von Recyclingfasern vielversprechend. Doch dafür müssen Recycler nicht nur technische Hürden überwinden, sondern auch viel Überzeugungsarbeit leisten.

Prognose: Einsatz von Carbonfasern wird stark steigen


Der Carbonfaser-Markt ist seit Jahren ein solider Markt. Nach dem außerordentlichen Wachstum der Anfangsjahre und der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 hat sich inzwischen ein jährliches Nachfragewachstum von acht bis zwölf Prozent eingependelt. Wurden im Jahr 2009 weltweit rund 35.000 Tonnen Carbonfasern genutzt, waren es 2016 bereits 65.000 Tonnen.

Diese Zahlen nannte Bruno Douchy, Vertriebsleiter beim belgischen Flachsproduzenten und Recycler von Textilabfällen Procotex, in seinem Vortrag beim Internationalen Automobil-Recyclingkongress IARC in Berlin. Nach seiner Einschätzung wird die Nachftage weiter konstant wachsen. Denn die Zahl der Anwendungen, für die Carbonfasern infrage kommen, steigt.

Größte Abnehmer der Carbonfasern ist bislang die Luftfahrtindustrie. „12.000 Tonnen Carbonfasern hat dieser Sektor im Jahr 2015 verbraucht“, sagte Douchy. Die Automobilindustrie war demnach mit 10.000 Tonnen der zweitgrößte Abnehmer, gefolgt von der Windkraftbranche; diese hatte 9.000 Tonnen Carbonfasern genutzt. Der Bereich Sport stand mit 7.000 Tonnen an vierter Stelle. Insgesamt seien 2015 weltweit rund 58.000 Tonnen Carbonfasern nachgefragt worden.

Auf längere Sicht könnte Automobilbau größter Anwender sein

In den kommenden Jahren wird der Verbrauch an Carbonfasern vor allem in der Luftfahrt stark ansteigen. Allein bei Passagierflugzeugen mit über 100 Sitzen und Frachtflugzeugen mit über 10 Tonnen soll die Produktion der Maschinen laut Douchy um 3,8 Prozent pro Jahr zulegen. Im Jahr 2033 könnten insgesamt über 31.000 neue Flugzeuge weltweit in Dienst sein. Dabei wird Carbon vermutlich mehr und mehr in Verbundwerkstoffen eingesetzt werden. Laut Douchy macht der Anteil der Verbundmaterialien bereits heute 53 Prozent aus.

Langfristig könnte aber der Automobilbau die Spitze des Anwenderfeldes übernehmen. Aktuell ist BMW praktisch die einzige Automarke, die Carbonfasern in größeren Mengen einsetzt. „5 Prozent beziehungsweise 100.000 Autos der jährlich zwei Millionen von BMW produzierten Autos enthalten Carbonfasern. Das ergibt 5.000 Tonnen Carbonfasern pro Jahr“, sagte Douchy in seinem Vortrag.

In Zukunft könnten es mehr als 30 Marken sein, die Carbonfasern einsetzen, wie Douchy prognostiziert. Das würde bedeuten, dass dieser Werkstoff weltweit in 90 Millionen Automobilen pro Jahr Anwendung findet. Vor allem bei den elektrifizierten Autos könnten Carbonfasern wegen der Gewichtsersparnis eine große Rolle spielen.

Der Procotex-Vertriebsleiter Douchy erwartet denn auch, dass künftig mehr und mehr elektrifizierte Autos auf der Straße unterwegs sein werden. „2025 könnten bis zu 150.000 Tonnen Carbonfasern in automobilen Anwendungen eingesetzt werden“, prognostizierte Douchy.


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Hohe Kosten stehen Carbonfasern derzeit im Weg

Was Carbonfasern für den Automobilbereich – aber auch für die Luftfahrtindustrie oder für Windturbinen – so interessant machen, ist ihre hohe Leistungsfähigkeit bei wenig Gewicht. „Ein Kilogramm an kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) kann bis zu vier Kilogramm Stahl ersetzen“, verdeutlichte Douchy. Verglichen mit Stahl und Aluminium ließen sich mit CFK zwischen 55 und 75 Prozent Gewicht einsparen.

Gleichzeitig punkten Carbonfasern damit, dass sie die Festigkeit und Steifigkeit von Stahl haben. Daneben weisen sie eine ausgezeichnete Ermüdungsfestigkeit auf und sind beständig gegen Hitze und Korrosion. Nicht zuletzt lassen sie sich gut mit anderen Materialien in komplexen Strukturen und Designs kombinieren. Seien es Kunststoffe oder Metall, oder auch Holz oder Beton.

Was den Durchbruch von Carbonfasern im Automobilbau aber blockiert, sind die hohen Kosten. „Pro Kilogramm erstklassiger primärer Carbonfasern muss man schon 20 bis 30 Euro auf den Tisch legen“, sagte Douchy. „Die Autohersteller träumen von Kosten rund sechs Euro pro Kilogramm.“ Es sei jedoch fraglich, ob dies erreichbar sei. Denn der größte Kostentreiber bei der Herstellung von Carbonfasern sei der Energieaufwand.

Recycler haben großen Trumpf in der Hand

Die hohen Herstellungskosten könnten sich für die Recyclingindustrie als Vorteil erweisen. Denn sie könnte ihren größten Trumpf ausspielen: Recyclingfasern sind kostengünstiger als Primärfasern. „Recycler müssen die Automobilhersteller davon überzeugen, dass nur rezyklierte Carbonfasern ihre Preisvorstellungen erfüllen können“, rief Douchy den Branchenvertretern beim IARC zu.

Ein weiterer Pluspunkt sei die gute Verfügbarkeit von Recyclingfasern. 2015 fielen laut Douchy weltweit 18.000 Tonnen Carbonfaser-Produktionsabfälle an. Davon seien nur 1.600 Tonnen recycelt worden. Hier ist also noch Luft nach oben. Die erwartete jährlich wachsende Nachfrage wird ein entsprechendes Plus an Produktionsabfällen mit sich bringen.

Zugleich ist der Markt aber auch schwierig. Denn neben den bekannten Schwierigkeiten, die CFK beim Recycling bereiten, gibt es noch andere Hürden. Eine Herausforderung ist, dass ausgerechnet die Industrie, die Carbonfasern nutzt, „ein sehr konservativer Markt ist“, wie es Douchy ausdrückte. Denn die primären Carbonfasern müssten bestimmte Parameter erfüllen.

„Die Recyclingindustrie wird nicht umhin kommen, Prüfdaten vorzulegen und die Leistungsfähigkeit von Recyclingfasern in Prototypen zu demonstrieren“, sagte Douchy. Allein der Verweis auf verschiedene Tests, mit denen belegt wurde, dass Recyclingfasern in vielen Anwendungen mit frischen Fasern vergleichbar seien, werde nicht ausreichen. Nötig seien vielmehr Standards für rezyklierte Carbonfasern.

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