Altpapierentsorgung

Ein aktuelles Rechtsgutachten sieht viele juristische Mängel im VDP-Handlungsleitfaden zur Vergabe der Altpapierentsorgung. Die Empfehlungen würden den Wettbewerb beschränken und regionalen Protektionismus fördern, heißt es. Der VDP zeigt sich verwundert.

Rechtsgutachten zerpflückt Empfehlung zu PPK-Ausschreibungen


Ein aktuelles Rechtsgutachten der Anwaltskanzlei Köhler & Klett lässt kaum ein gutes Haar an dem Handlungsleitfaden zur Vergabe der Altpapierentsorgung. Die Anwälte Dominik R. Lück und Peter Kern bescheinigen dem Leitfaden zahlreiche juristische Mängel. Darüber hinaus erfülle er nicht den angestrebten Zweck des Umweltschutzes, sondern stelle lediglich Möglichkeiten vor, den Wettbewerb im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung zu beschränken.

Der kritisierte Leitfaden wurde im August vom Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Kommunalverband VKU veröffentlicht. Der Leitfaden soll ausschreibenden Kommunen helfen, die Vergabe unter ökologischen und qualitativen Aspekten zu verbessern. Dem tritt jedoch Köhler & Klett entgegen. Die Verbesserung dieser Aspekte sei keineswegs gelungen – die Handlungsempfehlungen verletzten vielmehr vergaberechtliche Grundprinzipien wie Wettbewerb, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit. Ein Überblick über die wichtigsten Kritikpunkte:

  • Keine zwanghafte Bildung von Fachlosen: Während der Leitfanden vorschlägt, die Sammlung, Sortierung und Verwertung jeweils über eigene Lose auszuschreiben, kritisieren die Anwälte insbesondere die vorgeschriebene Trennung von Sortierung und Verwertung als „künstlich“. Für beide Tätigkeiten gebe es meist nur einen gemeinschaftlichen Markt. Die gemeinsame Vergabe sei daher kostengünstiger. Außerdem sollte es dem Bieter selbst überlassen werden, ob er das Altpapier auch sortiert – schließlich gebe es auch Altpapiereinkäufer, die in ihren Papierfabriken das Papier selbst sortieren.
  • Keine Maximal-Entfernungen vorgeben: Im Leitfaden wird angeregt, dass in der Ausschreibung eine Maximalentfernung zwischen Umschlagplatz und Sortiergebiet sowie Sortierbetrieb und Papierfabrik festgelegt wird. Laut Köhler & Klett schränkt die Vorgabe einer Maximal-Entfernung zwischen Sortierbetrieb und Papierfabriken aber den Wettbewerb ein. Der Versuch, dadurch die heimische Wirtschaft zu schützen, verstoße gegen das Vergaberecht und diskriminiere auswärtige Bieter. Auch die Vorgaben zum Umschlagplatz seien nicht zulässig. Es gebe zudem kartellrechtliche Bedenken, wenn nur noch Papierfabriken und Sortierbetriebe in einem bestimmten Radius an den Ausschreibungen teilnehmen könnten.
  • Keine Festlegung auf einen bestimmten Verwertungsbetrieb für die gesamte Laufzeit: Der Vorschlag im Leitfaden, dass ein Bieter nur mit Zustimmung des Auftraggebers die Sortieranlage wechseln darf, ist laut Gutachten wettbewerbsbeschränkend und diskriminiert das Entsorgungsunternehmen. Die Begründung: Es muss dem Entsorgungsunternehmen gestattet sein, mit mehreren Abnehmern und verschiedenen Kontingenten den bestmöglichen Preis zu erzielen und notfalls den Kunden auch zu wechseln. Diese Möglichkeit falle weg, wenn der Bieter gezwungen wird, das Altpapier in nur einer Papierfabrik zu verwerten und er diese nur mit Zustimmung wechseln darf.
  • Keine zwingenden Vorgaben bei der Qualität: Grundsätzlich spricht laut Gutachten nichts dagegen, bezüglich der Qualität des Altpapier-Outputs aus Sortieranalagen bestimmte Vorgaben zu machen. Allerdings müsste sich dann auch der öffentliche Auftraggeber an bestimmte Qualitätsvorgaben halten. Das zur Sammlung ausgeschriebene Altpapier müsse also ebenfalls bestimmte Anforderungen erfüllen. Zu Bedenken geben die Anwälte außerdem, dass die Qualitätsanforderungen die Sortierkosten in die Höhe treiben werden. Außerdem sei es nicht für alle Papierfabriken notwendig, dass eine bestimmte Qualität eingehalten werde – es komme auch immer auf den Verwendungszweck an.
  • Entfernung und CO2-Ausstoß darf kein zwingendes Zuschlagskriterium sein: Laut Köhler & Klett kann der öffentliche Auftraggeber nicht gezwungen werden, Umweltkriterien und insbesondere Vorgaben zur Energieeffizienz als Zuschlagskriterium zu berücksichtigen. Es gebe keine rechtliche Verpflichtung dazu. Will der örE die Kriterien freiwillig berücksichtigen, dürfen sie nicht willkürlich und müssten nachprüfbar sein.

Der Entsorgerverband BDE, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat, fühlt sich bestätigt: „Unter Verweis auf vermeintlich ökologische Vergabekriterien werden tatsächlich Empfehlungen formuliert, die zu Marktbeschränkungen und Verstößen gegen das öffentlich-rechtliche Vergaberecht führen können“, sagte BDE-Geschäftsführer Andreas Bruckschen. Den Kommunen rät der Verband daher zur Vorsicht: Denn bei fehlerhaften Leistungsbeschreibungen könnten Kommunen auch nach der Zuschlagserteilung über die gesamte Vertragslaufzeit mit Schadensersatzansprüchen konfrontiert werden, so der BDE.

Der VDP, einer der Herausgeber der Handlungsempfehlung, reagierte verwundert über die späte Reaktion des BDE. Der Leitfaden sei durch geltendes Recht gedeckt, betont der Verband. Er sieht sich auch durch das neue EU-Vergaberecht vom April 2016 bestätigt. „Die aktuelle Rechtsprechung zählt auch das Kriterium der Transportentfernung dazu“, betont der Verband. „Es kann nicht im Interesse der Bürger sein, wenn Altpapier durch halb Europa transportiert und der Schadstoffausstoß beim Transport dadurch unnötig vergrößert wird“, sagte Hans-Henning Junk, Vorsitzender des Ausschusses Altpapier im VDP.

© 320°/ek | 20.12.2016

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