Neuordnung der Verpackungsentsorgung

Auch die Reclay Group sieht die geplanten Verwertungsquoten für Verpackungen kritisch. Nur wenige Sortieranlagen seien in der Lage, die neuen Vorgaben zu erfüllen. Würden die Verwertungsquoten dennoch beibehalten, wäre mit einem deutlichen Anstieg der Sortierpreise zu rechnen.

Reclay: Verwertungsquoten auf ein realistisches Maß senken


Wie BellandVision hält auch die Reclay Group die im Verpackungsgesetz angestrebten Verwertungsquoten von 90 Prozent für Kunststoffverpackungen für wenig realistisch. Die Gruppe, die mit Redual und Vfw zwei Systeme betreibt, plädiert deshalb dafür, die Kunststoffverwertungsquote auf ein ambitioniertes, aber realistisches Maß zu senken. Zudem sollte die ursprünglich vorgesehene schrittweise Erhöhung wieder in den Entwurf aufgenommen werden.

Daneben gibt Reclay zu bedenken, dass die Kosten, die mit einer Steigerung der Vorgaben für die Sortierung und Verwertung einhergehen, nicht linear, sondern vom Grundsatz her exponentiell steigen. Die heutigen Sortieranlagen seien technisch nur zu einem kleineren Teil in der Lage, die neuen Vorgaben zu erfüllen. Umfassende Nachrüstungen oder der Bau neuer Anlagen würden deshalb erforderlich werden.

Um die dafür anfallenden Kosten zu amortisieren, würden vermutlich die Sortierpreise steigen, erklärt Reclay. Hinzu komme, dass durch die derzeit ebenfalls novellierte Gewerbeabfallverordnung ein neuer Massenstrom auf Sortieranlagen geleitet wird, die heute bereits die LVP-Fraktion sortieren. Dies führe zu einer zusätzlichen Verknappung der zur Verfügung stehenden Kapazitäten, aus der ebenfalls Kostensteigerungen resultieren könnten.

Kritik an Regelungen zur Zentralen Stelle

Kritik übt Reclay an den Regelungen zur geplanten Zentralen Stelle. Wie der Systembetreiber anführt, ist lediglich im Verwaltungsrat ein Vertreter der Systeme vorgesehen. Ansonsten seien alle Organe mit Vertretern von Gruppen besetzt, die sich an der Finanzierung der Zentralen Stelle nicht beteiligen und deshalb auch gar kein Interesse daran hätten, kostenbegrenzend tätig zu werden.

Die Reclay Group fordert deshalb, dass diejenigen, die die Kosten der Zentralen Stelle tragen, auch ein maßgebliches Mitbestimmungsrecht über das Budget haben müssen. Anders sei eine strukturell verankerte Kostenbegrenzung und Kontrolle des Vorstandes nicht zu erreichen.

Kritisch sieht Reclay auch die geplante Besetzung des Kuratoriums, das die Grundsätze der Geschäftspolitik der Zentralen Stelle festlegt und den Vorstand bestellt und entlässt. Gemäß Gesetzentwurf soll die Mehrheit der Kuratoriumsmitglieder aus Vertretern der Hersteller bestehen. Diese Strukturvorgaben entsprächen in etwa der Situation, wie sie ursprünglich bei Gründung des dualen Systems Anfang der 1990er Jahre gegeben war, ruft Reclay in Erinnerung.

Auch der Aufsichtsrat des dualen Systems sei damals mehrheitlich durch Vertreter aus Industrie und Handel besetzt gewesen. Eben diese Struktur führte aber zur Einleitung eines Untersagungsverfahrens des Bundeskartellamtes, das dann im Verkauf des dualen Systems an ein Private-Equity-Unternehmen endete. Maßgebliche Begründung sei damals gewesen, dass die Nachfrager von Befreiungsleistungen nicht gleichzeitig maßgeblichen Zugriff auf die Gestaltung der Marktgegenseite haben dürften. Oder wie es Reclay einfacher und plakativer ausdrückt: „Man darf die Kaninchen nicht zum Hüter des Karottenfeldes machen.“ Genau dies finde im Kern aber mit der derzeitigen Ausgestaltung der Zentralen Stelle statt.

Schließlich bezweifelt Reclay auch die Neutralität der Zentralen Stelle. „Nimmt der Vorstand die in Paragraf 24 Absatz 1 Nr. 4 und 5 verankerte Neutralität gegenüber allen Marktteilnehmern sowie den Schutz personenbezogener Daten und von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ernst, wird er darauf achten müssen, dass Kuratorium, Verwaltungsrat und Beirat keine derartigen Kenntnisse erlangen“, erläutert Reclay. „Damit geht aber auch ein entsprechender Kontrollverlust dieser Organe einher und der Vorstand kontrolliert sich im Wesentlichen selbst.“

Wie sollen Beteiligungsentgelte ökologisch gestaltet werden?

Überarbeitet werden müssen nach Auffassung des Systembetreibers auch die Neuregelungen zur Definition von Verbundverpackungen. Hier sollte als Merkmal nicht der Massenanteil der Verpackungsarten gelten, sondern die händische Trennbarkeit der Materialien. Auch die Beauftragung Dritter bei der Registrierung der Verpackungen soll weiterhin erlaubt sein – wenn auch nur für Hersteller, die eine bestimmte Mengenschwelle nicht überschreiten.

Problematisch sieht Reclay auch den Paragrafen zur ökologischen Gestaltung der Beteiligungsentgelte. Dieser sieht im Wesentlichen vor, dass die dualen Systeme ökologische Anreize bei der Bemessung der Beteiligungsentgelte schaffen müssen. Dabei sei jedoch nicht geklärt, wie die von den Systemen jeweils individuell bestimmten ökologischen Anreize bei der Bemessung der Beteiligungsentgelte im Wettbewerb der Systeme zueinander umgesetzt werden sollen. Ein System von Zu- oder Abschlägen, je nach Recyclingfähigkeit der Verpackungen, sei bei im Wettbewerb zueinander stehenden Systemanbietern nicht praktizierbar.

Kunststoffarten als eigene Materialfraktionen

Um den Kritikpunkt zu den Beteiligungsentgelten zu lösen, schlägt Reclay unter anderem vor, die Kunststoffarten als eigene Materialfraktionen zu führen und einzelne Quoten festzusetzen. Beispielsweise könnten PET, PE und PP als eigene Materialfraktionen mit gesondert zu erreichenden Verwertungsquoten benannt werden.

„Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass bei der Kalkulation der materialspezifischen Beteiligungsentgelte die für diese Materialfraktionen erwirtschafteten Verwertungserlöse Berücksichtigung fänden und nicht in der allgemeinen Kalkulation für die Verwertung sonstiger Kunststoffe, die Zuzahlungen erfordern, untergingen“, erklärt Reclay. Im Ergebnis wären diese – verwertungsfreundlicheren – Kunststoffe dann gegenüber den sonstigen Kunststoffen bei den Beteiligungsentgelten preiswerter, was wiederum zu dem ökologisch gewünschten Lenkungseffekt führte.

Um einen gerechten Finanzausgleich zwischen recyclingfreundlichen und weniger verwertungsfreundlichen Verpackungen zu schaffen, wird man nach Einschätzung der Reclay Group auf Dauer um ein komplexes Ausgleichsystem, z. B. in Form eines Ökofonds, nicht herumkommen. Insoweit sollte die Entwicklung eines solchen Systems bereits als Arbeitsauftrag an das Umweltbundesamt im Gesetz festgehalten werden.

© 320°/ek | 05.09.2016

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