Vorbild Altpapier

Recycling ist der Schlüssel für den ökologischen Durchbruch von CFK-Werkstoffen. Die Erforschung neuer Konzepte und Techniken hat bereits begonnen. Im Spitzencluster MAI Carbon arbeiten daran sechs Industriepartner und zwei Forschungsinstitute.

Recyclingkreislauf für Carbonfasern


Carbonfaser verstärkter Kunststoff (CFK) ist der Leichtbauwerkstoff schlechthin. Die hervorragenden Materialeigenschaften wie ein extrem niedriges Gewicht bei gleichzeitig sehr hoher Steifigkeit und Festigkeit verhelfen der Anwendung dieses Werkstoffes in allen Bereichen der Leichtbauindustrie zu einem jährlichen Wachstum von deutlich mehr als 10 Prozent. Deshalb ist in den kommenden Jahren mit immer größeren Mengen an CFK-Werkstoffen zu rechnen, die am Ende ihres Produktlebens entsorgt und recycelt werden müssen.

Das Spitzencluster MAI Carbon hat sich zum Ziel gesetzt, die Prozesskette für den Recyclingkreislauf zu schließen, doch dafür ist noch eine Menge Arbeit erforderlich. „Für das neue Materialsystem CFK müssen wir ganz neue Konzepte und Techniken im Recycling erfinden”, sagt Bernhard Hartleitner vom Umweltinstitut bifa in Augsburg. Der Maschinenbauer koordiniert das Leitprojekt MAI Recycling innerhalb des Spitzenclusters. Beteiligt an dem Projekt sind auch das Fraunhofer Institut für Bauphysik, die Automobilhersteller Audi und BMW, der Hersteller von Produkten aus Kohlenstoff SGL Carbon, die Technologieunternehmen Siemens und Voith Composites sowie Neenah Gessner, eines der führenden Unternehmen im Bereich Filtermedien. Die sechs Industriepartner und zwei Forschungsinstitute im Projekt MAI Recycling müssen für alle Schritte im Carbon-Kreislauf Ansätze ausarbeiten, Konzepte entwickeln und Techniken erforschen. Das fängt bei einer sinnvollen Sammellogistik für industrielle Abfälle an, geht über Zerlegungs- und Trennverfahren bis hin zur Recyclingfaser oder dem Halbzeug, die später in der Produktion wieder Verwendung finden.

Das Paradebeispiel für einen gelungenen Recyclingkreislauf und seine Herausforderungen ist für Hartleitner die Entwicklung des Werkstoffs Papier. Für Altpapier gibt es eine bewährte Sammellogistik bei privaten Haushalten und Industrieanwendern. Die Fasern aus dem Papier werden zurückgewonnen und in den Papier-Produktionsprozess zurückgeführt. Die Qualität der Recyclingfaser hängt dabei von ihrer Länge ab, die tendenziell im Recyclingprozess abnimmt, weshalb eine gezielte Lenkung der Stoffströme das Ziel ist. „Genau das ist beim Carbonfaser-Recycling ebenfalls unser Ziel”, erklärt Hartleitner. „Mit möglichst hohen Qualitäten der recycelten Carbonfaser im Produkt soll primäres Carbon im Produkt ersetzt werden. Und das ist durchaus realistisch.“

„Wir peilen 85 Prozent Recyclingquote an“

Mittlerweile haben die Projektpartner verschiedene Prozessketten von der Demontage über die Faserfreilegung bis hin zu Halbzeugen aus Recycling-Carbonfasern konzeptioniert. Die Automobilhersteller Audi und BMW entwickeln beispielsweise Technologien zum Demontieren, Sortieren und Zerkleinern von CFK-Materialien. Das bifa Umweltinstitut und die SGL Group befassen sich mit dem nächstfolgenden Prozessschritt, dem Herauslösen der Carbonfaser aus dem Verbundwerkstoff. Dazu optimieren sie jeweils ein Verfahren der Pyrolyse, in dem der Verbundwerkstoff unter Luftabschluss auf rund 600 Grad Celsius erhitzt wird. Die Kunststoffmatrix verdampft, so dass die bei diesen Temperaturen noch stabile Carbonfaser zurückbleibt.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP hingegen setzt auf die sogenannte elektrodynamische Fragmentierung. Dabei trennen Stromspannungsstöße, die sich entlang der Phasengrenze von Faser und Matrix ausbreiten, die beiden Komponenten. Der Projektpartner Siemens in Erlangen schließlich hat mit der Methode des hydrothermalen Solvolyse erste Recyclingfasern wieder zu Verbundmaterial verarbeitet. Dieses Verfahren trennt das CFK in einer wässerigen Lösung unter Druck und Temperatur in die einzelnen Bestandteile auf.

Die Methoden weisen dabei laut Cluster unterschiedliche Entwicklungsstände auf. Vor allem könnten die bei MAI Carbon entwickelten Verfahren auch mit den wenig beliebten gemischten Abfallströmen umgehen. Mittels der hydrothermalen Solvolyse sei es möglich, ganze Teile des textilen Halbzeuges aus Carbonfasern zurückzugewinnen, die so auch wieder in die Produkte zurück sollen. Die elektrodynamische Fragmentierung mit ihren großen Potenzialen stecke noch am Beginn der Entwicklungen mit dem Material CFK. Hier seien die Verwendbarkeit der Fasern und die Eigenschaften der erzeugten Begleitstoffe zu untersuchen.

Die Weiterverarbeitung der Recyclingfasern zu einer Produktvorstufe, einem sogenannten Halbzeug, steht ebenfalls auf der To-Do-Liste des Projekts. Erste Tests zeigen laut Cluster, dass die recycelten Carbonfasern in ihrer mechanischen Qualität, etwa der Festigkeit, einer Neufaser kaum nachstehen. Die Forscher sehen sich daher auf gutem Wege, hochwertiges Recyclingmaterial zu schaffen. „Wir peilen die 85 Prozent Recyclingquote bei CFK-Materialien an“, sagt Hartleitner. Damit stünde Carbon hinsichtlich der Recyclingquote auf ähnlich hohem Niveau wie Glas, Papier oder Fe-Metalle.

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