Urteil des OLG Celle

Remondis ist mit seiner Klage gegen die Region Hannover gescheitert. Das OLG Celle hat entschieden, dass die ausschreibungsfreie Aufgabenübertragung auf den Zweckverband aha rechtens war.

Remondis unterliegt aha: Ausschreibungsfreie Aufgabenübertragung ist zulässig


Im Rechtsstreit zwischen Remondis und der Region Hannover um die ausschreibungsfreie Vergabe von Entsorgungsaufträgen an den Zweckverband aha hat das OLG Celle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Recht gegeben. Die Richter argumentierten, dass eine „echte Kompetenzübertragung“ im Sinne der EuGH-Rechtsprechung erfolgt sei (Az. 13 Verg 3/13).

Das Zweckverbandsvorhaben müsse sich folglich nicht an vergaberechtlichen Vorgaben messen lassen, urteilten die Richter. Zudem spiele es keine Rolle, in welcher Höhe der Zweckverband Umsätze „am Markt“ erwirtschafte und damit in Konkurrenz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen tritt. Unerheblich sei auch, ob diese Fremdumsätze die für ausschreibungsfreie Inhouse-Geschäfte maßgeblichen Grenzen übersteigen.

Drei Kriterien für ausschreibungsfreie Vergabe

Hintergrund des Rechtstreits ist die Gründung des Zweckverbands aha im Jahr 2002. Die Region Hannover übertrug dem Zweckverband seinerzeit Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers ohne vorherige Ausschreibung. Dagegen hatte Remondis vor der Vergabekammer Lüneburg und dem OLG Celle geklagt. Remondis hatte insbesondere argumentiert, dass durch die zunehmenden Umsätze des Zweckverbands am Markt die Voraussetzungen entfallen seien, unter denen die Region Hannover den Zweckverband ausschreibungsfrei habe beauftragen können. Im Juni 2016 landete der Fall beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Dort entschieden die Richter, dass drei Kriterien heranzuziehen sind, um eine ausschreibungsfreie Vergabe von einer ausschreibungspflichtigen abzugrenzen: 1. Es muss eine vollständige Übertragung von Kompetenzen erfolgen. 2. Dem Zweckverband muss es möglich sein, die ihm übertragenen Aufgaben und Befugnisse in voller Autonomie zu erfüllen. Und drittens, muss der Zweckverband auch finanziell autonom sein.

Das OLG Celle prüfte daher die konkreten Satzungsmodalitäten des Zweckverbands und vor allem dessen Entscheidungsbefugnisse und finanziellen Verflechtungen mit der Region Hannover. Das Ergebnis der Prüfung mündete in dem Urteil zugunsten der Region Hannover.

„Vergabesenat hat es sich ziemlich einfach gemacht“

Die anwaltlichen Vertreter von Remondis, Markus Figgen und Rebecca Schäffer von avocado Rechtsanwälte, zeigen sich vom Urteil enttäuscht. Der Vergabesenat des OLG Celle habe es sich mit seiner Einzelfallprüfung ziemlich einfach gemacht, bemängeln die Rechtsanwälte. Denn im Wesentlichen habe der Vergabesenat in seiner „bemerkenswert kurzen Entscheidung“ nur darauf abgestellt, dass der EuGH in seinem Urteil aus dem Dezember 2016 zwar einen Auftrag zur Einzelfallprüfung an das OLG Celle erteilte, aber gleichzeitig erkennen ließ, dass er dazu tendiere, dass die Voraussetzungen für eine „echten Kompetenzübertragung“ vorliegen.

„Auf zahlreiche Besonderheiten des Sachverhalts, die nach unserer Auffassung klar gegen eine echte Kompetenzübertragung auf den aha sprachen und sprechen, geht das OLG daher gar nicht mehr ein“, so Figgen und Schäffer. „Dieses Vorgehen des Vergabesenats ist für uns schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil der EuGH die Besonderheiten des vorliegenden Falls zweifellos nicht abschließend zur Kenntnis genommen und bewertet hat und aufgrund seiner auf die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen beschränkten Kompetenz auch gar nicht abschließend zur Kenntnis zu nehmen beziehungsweise zu bewerten hatte.“

Darüber hinaus weisen beide darauf hin, dass der Vergabesenat im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Juli in mehrfacher Hinsicht Zweifel an der Unabhängigkeit des Zweckverbands und insbesondere an dessen eigener Entscheidungsbefugnis geäußert hat. „Von diesen Überlegungen und Zweifeln findet sich nun in dem Beschluss praktisch gar nichts mehr. Fast könnte man meinen, man habe die Sorge gehabt, die eigenen Zweifel nicht überzeugend ausräumen zu können, wenn sie erst einmal formuliert sind.“

Trotzdem sehen Figgen und Schäffer auch positive Seiten des OLG-Beschlusses: „Das OLG Celle lässt in seiner Entscheidung keinen Zweifel daran, dass jedes Zweckverbandsvorhaben und dessen Besonderheiten gesondert betrachtet und bewertet werden müssen, um die vergaberechtliche Relevanz des jeweiligen Vorhabens feststellen zu können.“ Dort, wo Zweckverbände nicht auch selbst die Gebührensatzungen erlassen können oder in anderen finanziellen und/oder organisatorischen Abhängigkeiten zu ihren Mitgliedskörperschaften stehen, werde das Vergaberecht in Zukunft klare Grenzen für die wirtschaftliche Betätigung der entsprechenden Zweckverbände setzen.

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