Duale Systeme

Mit einem Vorstoß in der Gemeinsamen Stelle wollen einige Systembetreiber die Mengenmeldungen nach oben treiben. Zwei Branchenteilnehmer schießen quer.

Rettung oder Mauschelei?


Guter Ansatz oder nur Augenwischerei? Angesichts des Mengenschwunds bei den dualen Systemen gibt es nun eine Initiative, um die Zahlen wieder nach oben zu bringen. Nicht alle Beteiligten wollen sich dem Vorschlag anschließen. Das Vorhaben könnte scheitern, bevor es überhaupt begonnen hat.

Der Vorschlag kommt angeblich von Bellandvision und ist eine Reaktion auf die immer geringeren Mengenmeldungen der dualen Systeme. Hier geht es vor allem um die Leichtverpackungen (LVP). In der Gemeinsamen Stelle, der alle Systembetreiber angehören, müssen diese viermal im Jahr in einer Prognose angeben, wie viele Verpackungen bei ihnen lizenziert wurden. Im dritten Quartal 2013 meldeten alle zehn dualen Systeme zusammen noch rund 306.205 Tonnen an die Gemeinsame Stelle. Im vierten Quartal 2013 lag dieser Wert nur noch bei 247.110 Tonnen. Anfang dieses Jahres rutschte die Menge um weitere knapp 42.000 Tonnen nach unten: Es wurden nur noch 205.606 Tonnen gemeldet. Tatsächlich verändert sich aber die zu entsorgende Menge der Verpackungen keineswegs. Wohin die Mengen verschwinden, möchte oder kann niemand beantworten.

Dem Vernehmen nach hat Bellandvision deshalb vorgeschlagen, dass auf Basis eines höheren Mengenszenarios abgefragt wird, wie viele Tonnen die einzelnen Systeme mehr melden könnten. Angedacht ist eine Korrektur nach oben auf 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Entsprechend müssten im Durchschnitt in einem Quartal 400.000 Tonnen LVP angeben werden – fast doppelt so viel, wie im ersten Quartal gemeldet wurden. Beginnen soll die Initiative mit dem zweiten Quartal dieses Jahres. Wettbewerbs- und kartellrechtlich sei dieser Schritt bereits geprüft und für in Ordnung befunden worden, heißt es.

Die Korrektur nach oben ist möglich, weil die Mengenmeldungen zunächst Planmengen sind. Die tatsächlichen Ist-Mengen – also das, was wirklich bei den Systembetreiber lizenziert wird – steht jeweils erst im Mai im darauffolgenden Jahr fest. Insofern ist es durchaus möglich, dass die Systembetreiber höhere Angaben machen. Dabei könnten auch noch zu akquirierende Mengen oder noch nicht vollständig abgeschlossene Verträge miteingerechnet werden. Auch aus der Branchenlösung könnten theoretisch Mengen abgezogen und in die besagte Meldung mit aufgenommen werden.

„Wir müssen die Abwärtsspirale stoppen“

Das alles funktioniert aber nur, wenn alle mitziehen. Wenn nur ein einzelner Teilnehmer mehr Mengen meldet, die anderen aber bei ihren ursprünglichen Zahlen bleiben, werden die Marktanteile verschoben. Da die Kosten für die Entsorgung aber gemäß eben dieser Marktanteile berechnet werden, zahlt der einzelne Systembetreiber dann zunächst drauf. Die tatsächliche Menge wird erst im Mai des Folgejahres bekannt gegeben. Dann werden zwar unter den Systembetreibern die Kosten für die Entsorgung nachträglich ausgeglichen, bis dahin kann ein Systembetreiber aber das Geld, das er zunächst nicht für die Entsorgung ausgibt, anderweitig verwenden.

Warum aber überhaupt diese Korrektur nach oben, wenn sie ja doch nur auf dem Papier stattfindet? „Wir müssen die Abwärtsspirale, die in Q4 2013 begonnen hat, stoppen“, sagt ein Branchenvertreter. „Sonst meldet jeder Systembeteiligte immer konservativer und damit weniger, weil er Angst hat, sonst seinen Marktanteil zu groß werden zu lassen.“ Es sei notwendig, die Mengen aus der Prognose zu stabilisieren und zu zeigen, dass die Systeme ihren Beitrag zum Gelingen des gesamten Dualen Systems beitragen können – sicherlich auch, um Kritiker zu beruhigen.

De facto seinen die vorgeschlagenen Mengen nämlich durchaus vorhanden. Ein ähnliches Vorgehen hat es bereits im Jahr 2009 gegeben, als die Mengen ebenfalls nach oben korrigiert wurden.

Dass diese Mengen nicht von Anfang an angegeben werden, liegt offenbar daran, dass die Systeme immer „konservativer“ melden. „Da meldet dann keiner mehr euphorisch. Sonst kann es sehr schnell passieren, dass der Marktanteil eines Einzelnen von beispielsweise 5 auf 10 Prozent steigt“, erklärt ein Branchenvertreter. „Dann finanziert der Betroffene die Entsorgung für die anderen mit, die vorsichtig gemeldet haben.“

„Wir werden uns nicht an einer Mauschel-Runde beteiligen“

Dass sich jedoch alle Systeme auf die Korrektur nach oben einigen können, scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Zwei Betreiber – Interseroh und EKo-Punkt – haben vergangene Woche den Vorschlag abgelehnt. „Wenn alle dualen Systeme ihre unter Vertrag genommenen Mengen korrekt gemeldet hätten, bräuchte es jetzt überhaupt keine Diskussion über ein ´neues Rechenmodell´“, sagt Markus Müller-Drexel, Geschäftsführer des Dualen Systems Interseroh. „Als Duales System Interseroh haben wir unsere Lizenzmengen vollständig und richtig angegeben, daher werden wir uns ganz sicher nicht an einer Mauschel-Runde beteiligen.“

Ähnlich argumentiert auch der Geschäftsführer von Eko-Punkt Herwart Wilms. „Eko-Punkt ist Mitglied der Qualitätssicherungs-Initiative BDE-Zertifikat, deren Mitglieder sich von einem gleichen Wirtschaftsprüfer, nämlich BDO, prüfen lassen. Das schließt aus, dass wir unsere Mengen virtuell selbst definieren können. Das ist aber genau das, was das Modell von Belland verlangte“, sagt der Geschäftsführer. „Daher mussten wir es ablehnen. Es ist auch nicht unser Geschäftsmodell, die Mengen unserer Kunden ohne deren Wissen auf Eigenrücknahme- oder Branchenlösungen zu verteilen.“

Noch geben die restlichen Betreiber offenbar nicht auf. „Ohne Eko-Punkt wäre die Initiative machbar, da dessen Marktanteil ziemlich klein ist“, heißt es von einem Systembetreiber. „Ohne Interseroh wird es sehr schwer. Deren Marktanteil ist so groß, dass es bei einer Verweigerung zu deutlichen Verschiebungen der Marktanteile kommt.“ Derzeit werde versucht, die Abweichler zu überzeugen. Hoffnungsvoll klingt er dabei allerdings nicht.

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