Recyclingfähigkeit

Verpackungen enthalten zunehmend aktive oder intelligente Komponenten und schützen so vor Verderb oder Diebstahl. Das klingt gut, kann aber deren Verwertung erschweren. Wissenschaftler haben nun Empfehlungen erarbeitet, wie der Problematik beizukommen wäre.

Was tun gegen intelligente Verpackungen?


Der Handelskonzern Rewe testet ab heute in 800 Märkten in Nordrhein-Westfalen eine neue Kennzeichnung von Bio-Obst/-Gemüse. Mittels Laser werden Logo und Informationen direkt in die Schale gebrannt. Das Ziel ist klar: Umverpackungen vermeiden.

So ganz ohne Verpackungen werden Lebensmittel aber auch in Zukunft nicht auskommen. Gleichwohl hat sich in den vergangenen Jahren die Funktion von Verpackungen verändert. Denn Verpackungen sollen ein Produkt nicht mehr nur umhüllen, sondern auch vor Verderb schützen, diebstahlsicher machen sowie dem Verbraucher und Handel bessere Informationen zur Verfügung stellen.

Forschungs- und Entwicklungsabteilungen haben dazu in der Vergangenheit aktive und intelligente Komponenten entwickelt. All diese Verpackungen haben jedoch einen großen Nachteil: Ihre Recyclingfähigkeit ist vielfach eingeschränkt, wie Wissenschaftler des bifa Umweltinstituts und des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in einer aktuellen Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) bestätigen.

Umweltbezogene Bilanzierung

In der Studie wurde die Recyclingfähigkeit intelligenter und aktiver Verpackungen umweltbezogen bilanziert. Aktive Verpackungen sind vor allem aus Kunststoff und enthalten Substanzen, die Stoffe an das Füllgut beziehungsweise den Gasraum der Verpackung abgeben oder diesen entziehen, wie es in der Studie heißt.

Als abgebende Systeme führen die Autoren antimikrobielle Systeme auf. Zu den entziehenden Systemen zählen sie zum Beispiel Sauerstoff-, Wasser(dampf)-, Ethylen- und Geruchsabsorber. Einige Beispiele mit derzeit und zukünftig mittlerer oder hoher Relevanz sind:

  • Flaschenverschlüsse mit Natriumsulfit-Linern für Bier,
  • Kronkorken mit Natriumsulfit-Linern für Bier,
  • Menüschalen mit eisenbasiertem Absorber für sterilisierbare Fertiggerichte,
  • PET-Flaschen mit PA-Copolymer und Kobalt-Katalysator für Bier und Fruchtsaft,
  • Sachets mit feuchteabsorbierenden Substanzen für Textilien, Schuhe, elektronische Geräte,
  • Saugeinlagen mit Zellstoff/Superabsorber für Frischfleisch, Geflügel, Beerenobst und
  • künftig eventuell markrelevant: polymerbasierte Sauerstoffabsorber (Polyoctenamer) in Schalen oder Folien, zum Beispiel für Wurstwaren.

In Verpackungen aus Glas oder Metall seien solche aktiven Systeme aufgrund der hervorragenden Barriereeigenschaften von Glas und Metall nicht zu finden. Im Bereich Papier, Pappe, Karton hätten aktive Systeme ebenfalls keine Marktrelevanz.

Intelligente Verpackungen sind vor allem durch den Einsatz verschiedener Indikatoren, etwa Gas-, Frische- oder Zeit-Temperatur-Indikatoren und/oder RFID-Transponder gekennzeichnet, erklären die Autoren. Beide Systeme eigneten sich für Verpackungen auf Papier-, Kunststoff-, Glas- und auch Metallbasis.

Bei den Indikatoren würden im Wesentlichen Etiketten mit einem Indikatorfarbstoff eingesetzt und innen oder außen auf die Verpackung aufgeklebt. Dem System wird jedoch in der Studie nur eine geringe Markrelevanz bescheinigt. Zuwächse erwarten die Autoren hingegen bei passiven RFID-Tags. Wichtige Einsatzgebiete seien demnach Postsendungen (Pakete, Briefe) und Textilien.

Hochwertige Verwertung beeinträchtigt

Im Zuge der Analyse haben die Experten verschiedene Verpackungssysteme identifiziert, die eine hochwertige Verwertung stören könnten. Hochwertig meint in diesem Zusammenhang, dass das Produkt aus dem Aufbereitungsprozess materialgleiche Neuware ersetzt. Problematisch sind demnach Verbunde und Gemische (Multilayer-Verpackungen/Polymermischungen (Blends)/Fest-stoff-Polymer-Mischungen – Additive im Kunststoff), feste Einlagen/mit der Verpackung verbundene Komponenten sowie Labels/RFID-Tags.

Diese Stoffe haben aufgrund ihrer Oberfläche (chemische Zusammensetzung) und ihrer Dichte einen Einfluss auf Trenn- und Sortierprozesse. Zudem beeinflussten unterschiedliche Schmelztemperaturen die Extrusion inklusive Schmelzefiltration.

Im Einzelnen zeigen sich die Probleme für diese Stoffe wie folgt:

1. Multilayer-Verpackungen, Blends, Additive:

  • aktive Substanzschichten (Sauerstoff- oder Wasserdampfbarrieren) finden sich häufig zwischen anderen Schichten und sind mit gängiger Nahinfrarot-Sensorik kaum spezifisch zu detektieren;
  • wenn Multilayer in mechanischen Aufbereitungs- und Waschprozessen nicht voneinander trennbar sind, können aktive und intelligente Komponenten bei der Schwimm-Sink-Trennung oder in der Extrusion nicht von der Zielfraktion getrennt werden;
  • Multilayer, Blends und Additive werden aufgrund der dem originären Verpackungskunststoff ähnlichen Schmelztemperatur in die Rezyklate verschleppt;
  • Die Düsen beziehungsweise der Schmelzefilter bei der Extrusion verstopfen, so dass ein größerer Reinigungsaufwand entsteht.

In der Folge rechnen die Experten mit Beeinträchtigungen der Farbe, der mechanischen Eigenschaften und der Temperaturbeständigkeit des Produkts. Zwangsläufig entstünden Fehlstellen im Recyclat, die beispielsweise bei der Herstellung von PET-Flaschen, den Preform brechen lassen, heißt es in der Studie.

2. Feste Einlagen/mit der Verpackung verbundene Komponenten:

  • lose Einlagen wie Sachets oder Saugeinlagen werden bei der Sortierung abgetrennt und energetisch verwertet;
  • feste Einlagen, die sich bei der Zerkleinerung ablösen, werden ebenfalls über die Reste der mechanischen Aufbereitung ausgetragen;
  • feste Einlagen, die sich bei der Zerkleinerung nicht freilegen lassen, können bei späterer Schwimm-Sink-Trennung und der nachfolgenden Extrusion zu Qualitäts- und Ausbeuteverlusten führen.

3. Labels/RFID-Tags:

  • werden überwiegend mit Aufbereitungsresten ausgetragen und energetisch verwertet
  • bei Eintrag ins Recyclat kommt es zur Beeinträchtigung der Farbe, der mechanischen Eigenschaften sowie der Temperaturbeständigkeit
  • Kleberresteführen zu Verfärbungen der Rezyklate; bei niedrig schmelzenden Klebern kommt es zur Gasbildung bei der Extrusion.

Neuartige Verpackung kein Problem – noch

Wie aus der Studie hervorgeht, handelt es sich bisher um „Kann-Szenarien“. Denn aktuell haben aktive wie intelligente Verpackungen einen geringen Marktanteil, betonen die Autoren. Konsequenzen drohten erst, wenn der Anteil im jeweiligen Materialstrom signifikant steigt. Zudem seien viele der aufgeführten Problematiken, wie etwa Dichteänderungen durch Zusatzstoffe, bereits heute beim Recycling bekannt.

Sortierer und Recycler können sich trotzdem nicht zurücklehnen. Verunreinigungen in den Recyclaten und damit Qualitätsverluste gilt es, so gut wie möglich zu vermeiden. Dasselbe gilt für Ausbeuteverluste und höhere Recyclingkosten aufgrund eines Mehraufwands für die Aufbereitung, wie zum Beispiel durch zusätzliche Sortier- und/oder Waschstufen.

Oberste Priorität habe daher die gegenseitige Information zwischen der Entsorgungs- und Verpackungsbranche entlang der Wertschöpfungskette, empfehlen die Wissenschaftler. Bereits beim Verpackungsdesign sollte die hochwertige Verwertung berücksichtigt werden. Entsprechende Gestaltungs-Guidelines, wie zum Beispiel der „European PET Bottle Platform“ (epbp.org) oder des Netzwerks „Plastics Recyclers Europe“ (recyclass.eu), stünden für Anwender bereits zur Verfügung, so die Experten.

Impuls durch Verpackungsgesetz

Darüber hinaus spielten der Kunde und insbesondere der Handel eine tragende Rolle. Um hier etwas zu bewirken, müssten Recyclingbranche, Hersteller und Abpacker den Handel von den Vorteilen einer verbesserten Recyclingfähigkeit von Verpackungen überzeugen. Die Schaffung eines Siegels oder Zertifikats beispielsweise könnte Aufschluss über die Recyclingfähigkeit einer Verpackung geben. Auf diese Weise könnte der Handel die Vorteile recyclingfähiger Verpackungen für die Vermarktung seiner Produkte gegenüber dem Kunden nutzen.

Schlussendlich braucht es aber auch einen starken, finanziellen Anreiz für Verpackungshersteller bzw. Inverkehrbringer, um die Recyclingfähigkeit von Verpackungen stärker zu berücksichtigen. Laut Studie hat das etablierte Instrument der Lizenzentgelte der Inverkehrbringer von Verkaufsverpackungen an die dualen Systeme zwar das Potenzial, die Gestaltung von Verpackungen zu beeinflussen, müsste aber um den Aspekt der Recyclingfähigkeit ergänzt werden.

Gut recyclingfähige Verpackungen, die leichter und kostengünstiger zu verwerten sind, würden dann durch Boni profitieren, so der Gedanke. Einen solchen Ansatz sieht auch das geplante Verpackungsgesetz vor. Dennoch fällt die Würdigung in der Studie verhalten aus. Das Gesetz würde einen „Impuls zur Berücksichtigung der Recyclingfähigkeit“ geben, schreiben die Autoren.

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