Textilindustrie

Die Zeit ist reif für den Wandel der Textilwirtschaft, meint die Stiftung Ellen MacArthur. Sie hat eine Analyse der Branche durchgeführt und zeigt wie die Umstellung zur Kreislaufwirtschaft gelingen könnte. Ein Kleidungs-Mietmodell ist nur eine der Ideen.

Schluss mit Kaufen-Tragen-Wegwerfen


In den Jahren 2000 bis 2015 hat sich die Produktion von Kleidung weltweit verdoppelt – von rund 50 Milliarden auf über 100 Milliarden Einheiten. Grund ist das sogenannte „fast fashion“-Phänomen: Dabei jagt ein Trend den nächsten, was zur Produktion mehrerer Kollektionen pro Jahr führt, die häufig zu immer niedrigeren Preisen angeboten werden. Eine Kaufen-Tragen-Wegwerfen-Mentalität ist die Folge. Vor den Auswirkungen warnt nun die Ellen MacArthur-Stiftung.

„Sollte die Industrie bis 2050 ihren derzeitigen Weg fortsetzen, zeichnet sie bereits für mehr als 26 Prozent der Kohlendioxidemissionen verantwortlich, die erlaubt sind um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen“, heißt es im Report „A New Textiles Economy: Redesigning fashion’s future“. Wie die Autoren ausführen, werden kaum Alttextilien wiederverwertet. Weniger als ein Prozent des Materials werde gleichwertig recycelt. 12 Prozent würden als Dämmstoffe, Putzlappen oder Matratzenfüllmaterial verwertet.

Auch die weiteren Zahlen des Berichts sind ernüchternd:

  • So sei die durchschnittliche Tragzeit eines Kleidungsstücks, bevor es weggeschmissen wird, zwischen 2000 und 2015 um 36 Prozent gesunken.
  • Jede Sekunde werde weltweit betrachtet eine Wagenladung Kleidung deponiert oder verbrannt. Insgesamt wird pro Jahr Kleidung im Wert von 460 Milliarden US-Dollar weggeworfen.
  • Darüber hinaus werden pro Jahr eine halbe Million Tonnen Kunststoff-Mikrofasern durch Waschen von Kleidung freigesetzt, was mehr als 50 Milliarden Plastikflaschen entspricht.
  • Zudem sei die Textilindustrie auf insgesamt 98 Millionen Tonnen Ressourcen pro Jahr angewiesen: für Öl zur Herstellung von Synthesefasern, Düngemittel für den Baumwollanbau und Chemikalien zur Herstellung, Färbung und Veredelung von Fasern und Textilien.


Materialfluss für Bekleidung, 2015:

Global-material-flows-for-clothing-in-2015

Quelle: Ellen MacArthur

„Die Textilindustrie von heute baut auf einem veralteten linearen ‚Kaufen-Tragen-Wegwerfen‘-Modell auf und ist enorm verschwenderisch und umweltbelastend“, sagt Ellen MacArthur. „Wir brauchen eine neue Textilwirtschaft, in der Kleidung anders gestaltet, länger getragen und viel häufiger recycelt und wiederverwendet wird.“

Damit eine Kreislaufwirtschaft gelingen kann, schlägt der Bericht vier Maßnahmen vor, die wir im Folgenden kurz zusammenfassen:

  • Einsatzstopp für umweltbelastende Stoffe und Stopp der Freisetzung von Mikrofasern. Daneben fordert die Stiftung Innovationen, etwa bei Farbstoffen und Additiven, sowie neue Produktionsprozesse und nachhaltigere Materialien.
  • Neue Wege bei Gestaltung, Verkauf und Umgang mit Kleidung: Für Kunden, die ihren Kleiderschrank ständig erneuern, schlagen die Autoren beispielsweise ein Kleider-Mietmodell vor. Darüber hinaus sollte die Industrie daran arbeiten, Langlebigkeit als Kaufargument herauszustellen. Zudem sollten Industrie und Politik die Nutzungsdauer von Kleidung fördern, etwa durch Leitlinien.
  • Deutlich mehr Recycling: Diesbezüglich wird im Bericht Design-for-recycling angesprochen sowie mehr Forschung, um Wirtschaftlichkeit und Qualität von Recyclingprozessen zu verbessern. Ferner müsse ein Markt für Recyclingmaterialien geschaffen werden, unterstützt von entsprechenden Leitlinien, um RC-Kleidung in Serie wettbewerbsfähig zu machen.
  • Effektive Ressourcennutzung und Umstellung auf erneuerbare Materialien

Der Wandel von einem linearen System zu einer Kreislaufwirtschaft lasse sich nicht einfach über die traditionellen Maßnahmen zur Verringerung der negativen Folgen des derzeitigen Systems bewerkstelligen, so die Autoren. Vielmehr müsse ein völlig neues System geschaffen werden. Dazu sei „ein konzertierter, globaler, systemischer und kooperativer Ansatz“ aller Experten, Fachkräfte und Interessengruppen der Textilwirtschaft notwendig.

Dass etwas passieren muss, hat auch die Textilbranche erkannt. Über 40 kleine und große Modemarken, führende Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette sowie Experten wie das Forschungsinstitut Mistra Future Fashion und NGOs haben für den Report mit der Ellen MacArthur-Stiftung gesprochen. H&M, Lenzing und Nike haben die Arbeit als Hauptpartner unterstützt. Die C&A-Stiftung hat das Papier finanziell unterstützt.

Der Report ist eine Arbeit der im Mai 2017 gegründeten Circular Fibres Initiative. Die Initiative wurde von der ehemaligen britischen Seglerin und Umweltaktivistin Ellen MacArthur ins Leben gerufen. Den vollständigen Report finden Sie hier.

 

© 320°/bs | 16.01.2018

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