Clearingverträge

Die Auseinandersetzung um die Clearingverträge der dualen Systeme spitzt sich zu. Bis Ende des Jahres muss eine Lösung gefunden werden. Um welche Fragen geht es und welche Position vertritt das Bundeskartellamt? Fragen und Antworten.

„Sechs duale Systeme haben 2018 keinen Clearingvertrag“


Die Ausgangssituation:

Die dualen Systeme führen seit Jahren Auseinandersetzungen über die Markt- und Kostenanteile, die jedes System zu tragen hat. Schließlich wird auf Grundlage der Marktanteile berechnet, wie hoch die Kostenerstattung der einzelnen dualen Systeme gegenüber den beauftragten Entsorgungsunternehmen ist. Je geringer der Marktanteil eines dualen Systems ist, umso niedriger auch der Kostenanteil.

Wie hoch der Marktanteil ist, richtet sich nach den Lizenzmengen, die die dualen Systeme an die Clearingstelle melden. In der Vergangenheit gab es wiederholt Mengenabweichungen zwischen den Lizenzmengen, die die dualen Systeme an die Clearingstelle melden, und jenen Mengen, die sie an die DIHK-Hinterlegungsstelle übermitteln. Offenbar haben einige Systembetreiber weniger Mengen an die Clearingstelle gemeldet, um einen möglichst geringen Teil der Kosten für die Sammlung und Verwertung der Verpackungen tragen zu müssen. Allein für 2016 wird der Schaden für die übrigen, seriösen Systeme auf insgesamt 60 Millionen Euro geschätzt.

Im August 2017 haben daraufhin sieben duale Systeme die aktuell gültigen Clearingverträge zum 31.12.2017 gekündigt. Damit halten gegenwärtig nur noch drei Systeme (ELS, Noventiz und RKD) an den aktuellen Clearingverträgen fest. Weitere drei Systeme (Landbell, Veolia, Zentek) haben gekündigt, jedoch bisher keinen neuen Clearingvertrag für die Zeit ab 2018 abgeschlossen. Vier Systeme (BellandVision, Grüner Punkt, Interseroh und Reclay) haben untereinander einen neuen Clearingvertrag vereinbart.

Worum geht es in der Diskussion um die Clearingverträge?

Die dualen Systeme haben unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Clearingverträge als Grundlage für 2018 dienen sollen. Die vier Systeme BellandVision, Grüner Punkt, Interseroh und Reclay halten ihre neuen Clearingverträge für maßgeblich, um ab 2018 einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen und die notwendigen Übergänge zu regeln, bis das Verpackungsgesetz in Kraft tritt und die Zentrale Stelle ihre Arbeit aufnimmt. Mit dem neuen Vertragswerk soll sichergestellt werden, dass Verpackungen vollständig gemeldet und abgerechnet werden.

Auf der anderen Seite stehen ELS, Noventiz und RKD, die an den aktuell gültigen Clearingverträgen festhalten und die Verträge im Oktober um die aktuelle LAGA M37 von Februar 2017 ergänzt haben. Sie fordern die übrigen sieben dualen Systeme auf, den aktuell gültigen Clearingverträgen wieder beizutreten oder mit allen zehn dualen Systemen neue Clearingverträge abzuschließen.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Clearingverträge mit dem Kartellrecht übereinstimmen?

Maßstab der kartellrechtlichen Beurteilung der Clearingverträge ist, ob die Clearingverträge ein funktionierendes Clearing gewährleisten, schreibt Eva-Maria Schulze, Abteilungsleiterin im Bundeskartellamt, in einem aktuellen Beitrag für die Abfallrechts-Zeitschrift AbfallR. Ein funktionierendes Clearing setze voraus, dass die Clearingverträge eine einheitliche Prüftiefe gewährleisten, betont sie. Dafür müssten die System-Wirtschaftsprüfer in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der vereinbarten Regeln zu überprüfen. Dies wiederum setzt klare Regelungen in den Clearingverträgen voraus. Um kartellrechtskonform zu sein, müssen sie jedoch auf das beschränkt bleiben, was zur Erreichung dieses Ziels unerlässlich ist.

Sind die aktuell gültigen Clearingverträge kartellrechtskonform?

Nein. Nach Auffassung von Eva-Maria Schulze sind Teile der aktuell gültigen Clearingverträge nicht kartellrechtskonform. Die Entwicklung der Mengendifferenz zwischen DIHK-Meldungen und Meldungen in die Clearingstelle im Jahr 2016 habe gezeigt, dass eine erhebliche Marktmenge keiner einheitlichen Prüftiefe unterliegt. Die Altvertragsregelungen (einschließlich der Ergänzungsvereinbarung 2016) der Clearingverträge seien daher ungeeignet, ein funktionierendes Clearing sicherzustellen. Sie seien damit kartellrechtswidrig. Hinzu komme, dass in den derzeit gültigen Clearingverträgen der Übergang von der Verpackungsverordnung zum Verpackungsgesetz mit Beginn des kommenden Jahres nicht geregelt sei. Auch deshalb seien sie kartellrechtswidrig.

Was folgt hieraus für die aktuell gültigen Clearingverträge?

Wenn die aktuell gültigen Clearingverträge ab dem 1.1.2018 kartellrechtswidrig sind, folge daraus unmittelbar ihre zivilrechtliche Nichtigkeit, betont Schulze. Die Verträge dürften ohne Verstoß gegen das GWB nicht weiter praktiziert werden. Von daher stelle sich nun die Frage, wie ein Clearing funktionieren kann, bei dem lediglich vier duale Systeme einen Clearingvertrag haben, sechs Systeme dagegen keinen.

Sind die neuen Clearingverträge von BellandVision, Grüner Punkt, Interseroh und Reclay kartellrechtskonform?

Ja, sagt Eva-Maria Schulze. Die neuen Clearingverträge seien geeignet, um ein funktionierendes Clearing sicherzustellen und gehen über das dafür notwendige Maß nicht hinaus. Schulze moniert lediglich einige Detailregelungen in Paragraf 1 Absatz 7 der neuen Verträge. Ansonsten seien die neuen Clearingverträge kartellrechtskonform.

Was folgt nun daraus?

Wie BellandVision betont, hätten aktuell nur vier duale Systeme (BellandVision, DSD, Interseroh und Reclay) zu Beginn des Jahres 2018 einen Clearingvertrag. Sechs duale Systeme hingegen hätten keinen. Die derzeit noch gültigen Clearingverträge seien ab 2018 nichtig.

„Damit alle gemeldeten dualen Lizenzmengen der Erstinverkehrbringer in das Clearing 2018 korrekt einbezogen werden können, ist es jetzt dringend notwendig, dass die noch vertragslosen Systembetreiber bis spätestens Ende 2017 dem neuen Clearingvertrag 2018 beitreten“, sagt BellandVision-Geschäftsführer Thomas Mehl. „Ansonsten stellt sich die Frage, wie die derzeit vertragslosen Systembetreiber für die Beteiligungsmengen ihrer Kunden den gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen als duales System korrekt nachkommen wollen.“

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