Erwartung für 2015

Die deutsche Stahlwirtschaft zeigt sich vorsichtig optimistisch für 2015. Vor allem der Auftragseingang aus dem Ausland stimmt zuversichtlich. Enttäuschend ist aber bislang das Inlandsgeschäft.

Stahlindustrie rechnet mit weiterer Erholung


Die Stahl-Konjunktur in Deutschland hat sich im abgelaufenen Jahr solide entwickelt. Die Marktversorgung mit Walzstahlerzeugnissen legte zum ersten Mal seit 2011 wieder zu, nämlich um 2 Prozent auf 39 Millionen Tonnen, berichtet die Wirtschaftsvereinigung Stahl. Auch die Rohstahlproduktion wurde leicht um 1 Prozent ausgeweitet. Mit 42,95 Millionen Tonnen wurde nahezu punktgenau die Prognose von 43,0 Millionen Tonnen getroffen, die die Wirtschaftsvereinigung Stahl vor einem Jahr abgegeben hat.

Die wirtschaftliche Lage der Unternehmen sei aber trotz der relativ hohen Kapazitätsauslastung von 86 Prozent weiterhin schwierig, teilte der Stahlverband in der vergangenen Woche mit. Zwar zeige sich auch hier eine leichte Verbesserung, wozu unter anderem gesunkene Rohstoffkosten einen Beitrag geleistet haben. Die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage befinde sich jedoch immer noch auf einem niedrigen Niveau.

Hinzu komme, dass die Strukturkrise auf dem EU-Stahlmarkt noch immer anhalte. Zwar hat auch europaweit die Stahlnachfrage im vergangenen Jahr um 3 Prozent zugelegt. Mit einem Volumen von 145 Millionen Tonnen Walzstahl bleibe der EU-Markt jedoch noch knapp 10 Prozent unter dem Level von 2011 beziehungsweise fast 30 Prozent unter dem Niveau von 2007, betont die Wirtschaftsvereinigung. Die Kapazitätsauslastung in der EU lag im vergangenen Jahr mit 78 Prozent das sechste Jahr in Folge unter der 80-Prozent-Marke.

Darüber hinaus ist ein deutlich verschärfter Wettbewerb auf den internationalen Märkten zu verzeichnen: So haben im vergangenen Jahr nach Schätzungen der Wirtschaftsvereinigung die globalen Stahlexporte um rund 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugelegt und mit mehr als 440 Millionen Tonnen einen neuen Rekord erreicht. Mehr als 80 Prozent des Zuwachses von 37 Millionen Tonnen entfielen dabei auf China, das seine Exporte 2014 gegenüber einem bereits hohen Ausgangsniveau um knapp 50 Prozent auf einen neuen Höchststand von mehr als 90 Millionen Tonnen gesteigert hat.

Schwache Investitionsnachfrage in Deutschland

Für das laufende Jahr erwartet die Wirtschaftsvereinigung eine fortschreitende Erholung der Stahl-Mengenkonjunktur auf dem deutschen Stahlmarkt. Dafür spricht zum einen, dass der Auftragseingang in der Stahlindustrie auch im vierten Quartal seinen moderaten Aufwärtstrend fortgesetzt hat. Treiber seien vor allem die anziehenden Bestellungen aus dem Ausland, so der Stahlverband. Enttäuscht habe dagegen erneut der Auftragseingang aus dem Inland. Dies passe zu der gegenwärtig schwachen Investitionsnachfrage in Deutschland.

WV-1Für eine anhaltende Erholung auf dem Stahlmarkt sprechen aus Sicht des Verbandes zum anderen die moderat positiven Konjunkturperspektiven der Stahlverarbeiter. Zwar sei eine Verunsicherung als Folge der geopolitischen Belastungen bei vielen Abnehmerbranchen noch spürbar. Doch der Ölpreisverfall werde in Verbindung mit der schwächeren Euro-Notierung der deutschen Volkswirtschaft und auch den stahlverarbeitenden Branchen in den kommenden Wochen und Monaten insgesamt einen spürbaren konjunkturellen Schub verleihen. So hätten die Verbände von wichtigen Kundenbranchen daher auch positive Erwartungen für 2015 formuliert: Sowohl der Verband der Deutschen Automobilindustrie als auch der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer prognostizieren ein Produktionswachstum von 2 Prozent. Auch die deutsche Bauindustrie geht für das laufende Jahr von einem Umsatzplus von 2 Prozent aus. In Summe entfallen auf diese Branchen rund 75 Prozent des deutschen Stahlbedarfs.

Chinesische Billigexporte als zentrales Risiko

Insgesamt dürfte das Marktumfeld allerdings schwierig bleiben, schränkt die Wirtschaftsvereinigung ein. Die Wachstumsdynamik der globalen Stahlnachfrage werde nach wie vor durch den schwachen chinesischen Markt gebremst, der im Vorjahr, erstmals seit 1995, geschrumpft ist. Aufgrund der Schwäche auf dem Immobilienmarkt und zunehmender Sättigungstendenzen dürfte im Reich der Mitte die Nachfrage 2015 allenfalls schwach zulegen. Zudem würden – trotz der Bemühungen der Zentralregierung um Konsolidierung – weitere Stahlkapazitäten in China neu in Betrieb gehen. Der Kapazitätsüberhang werde sich bestenfalls auf hohem Niveau stabilisieren beziehungsweise vermutlich sogar noch einmal erhöhen, erwartet der Verband.

WV-2Vor diesem Hintergrund würden chinesische Billigexporte auch 2015 ein zentrales Risiko für den europäischen Stahlmarkt bleiben. Erhebliche Risiken für den europäischen Stahlmarkt sieht der Verband auch in der Entwicklung in Russland. Bereits im vergangenen Jahr sei der dortige Stahlmarkt um 5 Prozent geschrumpft. Im laufenden Jahr seien weitere Rückgänge in Folge des sich dramatisch verschärfenden Wirtschaftsabschwungs zu erwarten. „Die russischen Stahlunternehmen werden daher bestrebt sein, die Exporte zu erhöhen, zumal neue Kapazitäten in Russland in Betrieb gehen und die russischen Unternehmen in Folge des Rubelverfalls erhebliche preisliche Wettbewerbsvorteile erhalten“, glaubt die Wirtschaftsvereinigung. Die russische Stahlindustrie war 2014 mit 28 Millionen Tonnen bereits der viertgrößte Stahlexporteur weltweit. Rund ein Viertel der russischen Stahlexporte gehen in die EU.

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