Ausblick auf 2016

Fast drei Viertel der Stahlrecycler rechnen mit einem Umsatzrückgang für das kommende Jahr. Das belegt eine aktuelle Branchenumfrage des Stahlrecyclingverbands BDSV. In der Branche herrscht Unsicherheit: Niemand weiß, wann die Krise vorbei sein wird.

Stahlrecycler erwarten schwieriges Jahr


Über 70 Prozent der BDSV-Mitglieder rechnen für das kommende Jahr mit einer Verschlechterung des Umsatzes. Das geht aus einer aktuellen Branchenumfrage des Verbands unter seinen 550 Mitgliedsbetrieben hervor. Demnach rechnen nur sechs Prozent mit einer Umsatzsteigerung. 22 Prozent glauben, dass der Umsatz das Niveau von 2015 beibehalten wird.

Im laufenden Jahr wird der Umsatz laut Umfrage voraussichtlich um 13 Prozent niedriger ausfallen als 2014. Noch drastischer sei die Entwicklung beim Ertrag. In den vergangenen fünf Jahren sei der Ertrag um rund zwei Drittel eingebrochen, schilderte Heiner Gröger bei seiner letzten Pressekonferenz als BDSV-Präsident vergangenen Donnerstag in Magdeburg.

Schlechte Stimmung

Entsprechend schlecht ist die Stimmung. Auf einer Skla von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht) habe die Stimmung vor einigen Monaten bei 4,5 gelegen, sagte Gröger. Nachdem zuletzt die Türkei wieder Stahlschrott gekauft habe, sei auch das Stimmungsbarometer wieder etwas gestiegen. Gleichwohl gebe es aktuell eigentlich keinen wirklichen Hoffnungsschimmer, räumte der ehemalige Verbandspräsident ein.

Die Faktoren, die die BDSV-Mitglieder am meisten beunruhigen, sind neben dem Verfall der Rohstoffpreise und den Markteinflüssen aus China vor allem die starke Zunahme an staatlichen Auflagen und der steigende Konkurrenzdruck durch Wirtschaftsbetriebe der Kommunen. „Die Umfrage bestätigt die extrem angespannte Lage, in der sich die Branche derzeit befindet“, sagte BDSV-Hauptgeschäftsführer Rainer Cosson. „Der Verfall der Eisenerzpreise und die massiven, zu Dumpingpreisen in den EU-Markt hineingedrängten Vorprodukte aus China setzen den Recycling-Markt in Deutschland stark unter Druck. In dieser Situation können unsere Betriebe nicht noch ein Dutzend neuer Auflagen durch den Gesetzgeber schultern. Die Politik muss sich entscheiden, ob sie sich für fairen Wettbewerb und den Erhalt von Arbeitsplätzen einsetzen will oder die ohnehin belasteten Unternehmen der Recyclingwirtschaft durch zusätzliche, überzogene bürokratische Hemmnisse existenziell gefährdet.“

Bereits im ersten Halbjahr 2015 kauften die Gießereien in Deutschland fast 13 Prozent weniger Schrotte an, die Stahlwerke fast viereinhalb Prozent weniger. Der im Auftrag der BDSV ermittelte durchschnittliche Lagerverkaufspreis für eine Tonne Stahlneuschrott (Sorte 2/8) sank von rund 226 Euro im Januar auf 137 Euro im Oktober 2015.

Als Reaktion auf die schwierige Lage der Branche gaben in der Branchenumfrage 33 Prozent der Unternehmen an, im kommenden Jahr Personal abbauen zu müssen. Nur zwei Prozent der BDSV-Mitgliedsbetriebe wollen im kommenden Jahr Mitarbeiter einstellen.

Ähnlich zurückhaltend sind die Planungen hinsichtlich der Investitionen. So gaben nur fünf Prozent der Unternehmen an, im kommenden Jahr mehr investieren zu wollen – das sind 22 Prozent weniger als noch im Vorjahr. 49 Prozent der befragten Betriebe wollen ihre Investitionen dagegen im Jahr 2016 zurückschrauben.

Große Unsicherheit

„Wir sind in einer richtigen Krise“, sagte der neu gewählte BDSV-Präsident Andreas Schwenter in Magdeburg. Das Schlimme sei die Unsicherheit über die weitere Marktentwicklung, ergänzte Gröger. Somit kann derzeit auch niemand eine verlässliche Prognose abgeben, wie lange die Krise noch anhalten und wie stark die mögliche Konsolidierung ausfallen wird.

Auch die weitere Preisentwicklung steht in den Sternen. Fest steht nur, dass der Schrottpreis gemessen am Eisenerzpreis eigentlich noch zu teuer ist. Die Faustregel lautet: Eisenerzpreis mal 3 = Schrottpreis. Aktuell aber gilt: Eisenerzpreis mal 4 oder 5 = Schrottpreis, erklärte BDSV-Hauptgeschäftsführer Rainer Cosson. Helfen würde also ein Steigen des Eisenerzpreises. Doch bislang tritt das Gegenteil ein. Experten von Goldman Sachs rechnen sogar noch mit einem weiteren Abrutschen des Eisenerzpreises von aktuell 46 US-Dollar auf 40 US-Dollar je Tonne bis 2017.

Viele Unternehmen werden daher nicht an einer Umstrukturierung vorbeikommen. Die Betriebe müssten sich für die Zukunft breiter aufstellen, meint auch Schwenter. Schrott allein reiche für das Leistungsportfolio nicht mehr aus.

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