Getrenntsammlung

Eine neue Studie plädiert für eine breiter angelegte Sammlung von Kunststoffabfällen aus Haushalten in der Schweiz. Das Argument, der finanzielle Aufwand sei zu hoch, lassen die Gutachter nicht gelten. Sie widersprechen damit in Teilen den Aussagen der KuRVe-Studie.

Studie für die Schweiz: Getrennte Kunststoffsammlung lohnt sich doch


Lohnt sich die separate Sammlung und Verwertung von Kunststoffabfällen aus privaten Haushalten in der Schweiz? Die Gutachter einer neuen Studie meinen Ja und kommen damit zu einem anderen Ergebnis als die Autoren der Kunststoff Recycling und Verwertung (KuRVe)-Studie. Dies schlussfolgerten im Sommer dieses Jahres, dass der ökologische Nutzen einer erweiterten Sammlung zu gering und zu teuer wäre.

Die neue Studie trägt den Titel „Kunststoffrecycling: Meta-Studie zu Ökologie, Ökonomie und Ökoeffizienz“ und wurde vom Institut für Wirtschaftsstudien Basel (IWB) angefertigt. Auftraggeber sind der Verband der Schweizerischen Cementindustrie (cemsuisse) und der Verein Kunststoffrecycling Schweiz (VKRS). Als Basis dienten neun verschiedene Studien zu diesem Thema.

Die IWB-Wissenschaftler widersprechen der KuRVe-Studie in einigen Punkten. So vertreten die IWB-Vertreter die Auffassung, dass der ökologische Nutzen einer breiter angelegten Sammlung in der Schweiz in allen Studien unterschätzt werde. Auch mit den Nettokosten, die in der KuRVe-Studie für die Sammlung und Verwertung von Kunststoffen berechnet wurden, stimmen sie nicht überein. Die Höhe der berechneten Nettokosten sei „erstaunlich“, heißt es. Im Folgenden fassen wir die wesentlichen Ergebnisse der IWB-Untersuchung zusammen:

Bringt die Kunststoffsammlung einen ökologischen Mehrwert?

Die Frage beantworten die Autoren der Meta-Analyse mit einem klaren Ja. „Alle Studien bestätigen, dass der Ausbau der Sammlung und stofflichen Verwertung von Kunststoffabfällen mit einem ökologischen Mehrwert verbunden ist.“ Dieser sei unbestritten und bewege sich in der Größenordnung des Glasrecyclings.

Darüber hinaus führen die Gutachter an, dass der ökologische Nutzen höher liegt als bisher angenommen. So ließen sich durch bessere Sortiertechnik mehr hochwertige Regranulate aus Kunststoffabfällen erzeugen. Zwar nehme auch der nicht rezyklierbare Anteil zu, aber der könne hocheffizient in Zementwerken verwertet werden, „zumal die Alternative zur Kunststoffsammlung ebenfalls in der thermischen Verwertung liegt.“

Bislang werden in der Schweiz nur bestimmte Kunststoffe, etwa PET-Flaschen, getrennt gesammelt. Ein Großteil der Kunststoffabfälle landet über den Restmüll in der Müllverbrennung – teilweise in energetisch optimierten Anlagen. Auch in Gebieten mit solch einer Anlage lohne sich die Kunststoffsammlung, betonen die Forscher. Denn die effizienteren MVA könnten in einem Markt mit rückläufigen Siedlungsabfallmengen aufgrund der vorteilhafteren Nettokosten profitieren.

Birgt die Kunststoffsammlung einen ökonomischen Nachteil?

Nein. Nach Auffassung der Gutachter schon deshalb nicht, weil verschiedene Akteure im Markt freiwillig neue Sammel- und Verwertungssysteme anbieten würden. Ferner bezweifeln die Autoren die Nettokostenkalkulation in der KuRVe-Studie. Diese gehe von Kosten für die Kunststoffsammlung und -verwertung von rund 750 Schweizer Franken pro Tonne aus. Die Kosten der Entsorgung im Kehrichtsack liegen laut KuRVe-Studie bei rund 250 Schweizer Franken pro Tonne – drei mal niedriger.

Wie die IWB-Autoren ausführen, würde in der KuRVe-Studie unplausibel eine Tonne Plastik (großes Volumen und viele Säcke) mit einer Tonne durchschnittlichem Siedlungsabfall (relativ kleines Volumen) verglichen. Hinzu komme, dass die Sackgebühren beim Kunststoff niedriger ausfielen. „Bei der Rückgabe an einen freiwilligen Systembetreiber werden keine Gebühren fällig, beim Bringsystem resultiert eine Einsparung von 11 Prozent und beim Holsystem eine Einsparung von 58 Prozent“, heißt es.

Auch das Argument, die Müllgebühren steigen infolge der Kunststoffsammlung, wollen die IWB-Gutachter so nicht stehen lassen. Sie gehen zwar davon aus, dass die Verbrennungsgebühren erhöht würden, weil die energetische Qualität des Abfalls sinken würde. Doch dies ließe sich mit einer unterschiedlichen Bepreisung von Kunststoff und übrigem Siedlungsabfall abmildern – sprich: Wer sein Kauf- und Entsorgungsverhalten anpasst, könnte profitieren.

Gegebenenfalls könnte die Gebühren sogar sinken, meinen die IWB-Forscher. Dafür müsste es den MVA-Betreibern erlaubt sein, selbst Kunststoffe zu sammeln und zu verbrennen. Damit wäre die Diskussion um hohe volkswirtschaftliche Kosten obsolet, meinen die Autoren. Die Wahlfreiheit bei der Entsorgung von Kunststoffen würde sodann zu einem volkswirtschaftlichen Nutzen führen. Hinzu komme, dass die Bevölkerung einer Getrenntentsorgung von Kunststoffen „praktisch ausnahmslos sehr positiv“ gegenüberstehe.

Ist die Kunststoffsammlung ökologisch ineffizient?

In dieser Frage vertreten die IWB-Verantwortlichen den Standpunkt: „Die Analysen zur relativen und absoluten Ökoeffizienz in einem privatwirtschaftlich organisierten System ohne Subventionen sind irrelevant, solange der ökologische Mehrwert vorhanden ist.“ Außerdem würden sich jene Lösungen etablieren, welche die Sammlung am effizientesten erbringen, was im Interesse der Nachhaltigkeit und aller Konsumenten sei, so die Gutachter.

Das Kunststoffrecycling schneide ähnlich gut ab wie das Recycling von Haushaltsbatterien, betonen die Autoren. Trotzdem werde die Ökoeffizienz der Kunststoffsammlung wohl nicht an jene des PET-Recycling Schweiz herankommen. Bisher werden in der Schweiz pro Jahr rund 50.000 Tonnen PET-Flaschen separat gesammelt. Die Verwertungsquote liegt bei über 80 Prozent.

„Die Zukunft wird zeigen, wie groß der Markt für eine separate Sammlung von Haushaltskunststoffen ist“, unterstreichen die IWB-Forscher. Die bereits bestehenden, freiwillig initiierten Kunststoffsammelsysteme zeigten, dass diese Systeme mindestens ihre Kosten deckten. Diesbezüglich verweisen die Gutachter auf den zu erwartenden Wettbewerb zwischen konventioneller Entsorgung und Separatsammlung von Kunststoffen sowie zwischen Hol-, Bring- und Detailhändlersystem. „Mittelfristig ist davon auszugehen, dass sich mit zunehmenden Volumen vermehrt auch Skalenerträge realisieren lassen.“


Kunststoffe in der Schweiz

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[su_spoiler title=“Aufkommen und Recycling“] • In der Schweiz werden laut Studie jährlich rund 1 Million Tonnen Kunststoffe eingesetzt.

• Mehr als die Hälfte der Kunststoffe wird in langlebigen Produkten verbaut, beispielsweise für Fahrzeuge, Elektrogeräte oder im Baubereich.

• Rund ein Drittel der eingesetzten Kunststoffe (302.000 Tonnen) wird für Verpackungen (Haushalt, ohne Gewerbe und Industrie) verwendet.

• In der Schweiz gilt das im Abfall-Leitbild verankerte „Verbrennungsgebot“. Dadurch wurde die stoffliche Verwertung von Kunststoffabfällen aus Haushalten nicht forciert. Ausgenommen sind PET-Getränkeflaschen, die relativ sortenrein gesammelt und verwertet werden (Verwertungsquote > 80 Prozent).

• Heute werden in der Schweiz jährlich rund 68.000 Tonnen Kunststoffabfälle aus privaten Haushalten separat gesammelt.
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