Gipsabfälle

Dem Gipsplatten-Recycling wird künftig eine große Bedeutung zukommen. Zum einen wird recycelter Gips die Lücke füllen müssen, die der Wegfall von REA-Gips aufreißt. Zum anderen wird die Menge an Gipsabfällen stark zulegen. Das UBA fordert daher konkrete Maßnahmen.

UBA fordert mehr Anreize für Gipsplatten-Recycling


Die Nachfrage für den Baustoff Gips ist in den vergangenen Jahren auf etwa neun Millionen Tonnen jährlich gestiegen. Etwa 60 Prozent des Bedarfs wird aus REA-Gips gedeckt, der in Braunkohle-Kraftwerken anfällt. Doch im Zuge der Energiewende wird diese Quelle allmählich versiegen. Dem Recycling von Gips, betont auch das Umweltbundesamt (UBA), werde daher eine strategische Bedeutung zukommen.

Hinzu kommt noch ein weiterer Faktor, wie aus einer Studie mit dem Titel „Ökobilanzielle Betrachtung des Recyclings von Gips-kartonplatten“ hervorgeht, die das Umweltbundesamt in Auftrag gegeben hat. Laut der Studie fielen in Deutschland 2015 rund 280.000 Tonnen Gipskartonplatten inklusive Verschnitt als Abfall an. Konservativ gerechnet, wird diese Menge bis 2030 auf 670.000 Tonnen im Jahr steigen, heißt es in der Studie. Andere Schätzungen gehen sogar von einem Aufkommen von bis zu einer Million Tonnen aus. Tatsächlich recycelt wurden im Jahr 2015 in Deutschland aber nur 20.000 Tonnen Gipskartonplatten.

Fehlender Input

Für die Aufbereitung des Materials gibt es in Deutschland seit gut zwei Jahren zwei Recyclinganlagen. Die eine wird von der Strabag Umwelttechnik im baden-württembergischen Laufen/Deißlingen betrieben, die andere von der Firma MUEG Mitteldeutsche Umwelt- und Entsorgungsgesellschaft im Großraum Leipzig. Die Kapazität der Anlagen beträgt jeweils 50.000 Tonnen.

Die Hauptursache für das unzureichende Recycling sehen die Autoren der Studie in „Abfallmaklern, die Material für Dumpingpreise annehmen und teilweise in zweifelhafte Entsorgungskanäle leiten“. Darüber hinaus besteht nach wie erhebliche Konkurrenz zu den Uranbergbau-Schlammteichen im tschechischen Mydlovary – laut Schätzungen der MUEG, die in der Studie zitiert wird, fließen dorthin rund 100.000 Tonnen Gipskartonplatten pro Jahr. Wie Jörg Demmich, Vorsitzender des Rohstoff- und Umweltausschusses beim Bundesverband Gips, 2015 im Interview mit 320° betont hatte, läuft dagegen ein Beschwerdeverfahren bei der Generaldirektion Umwelt in Brüssel.

Aber auch hierzulande gibt noch einiges zu tun, um das Recycling von Gips aus Gipskartonplatten anzukurbeln. Vor allem die Abbruch- und insbesondere die Entsorgungswirtschaft, die Logistik und Transport der Gipskartonplatten von den Baustellen übernimmt, sollte stärker in das Verwertungssystem eingebunden werden, fordern die Autoren der Studie. Im Einzelnen sind aus ihrer Sicht vier Handlungsfelder von Bedeutung:

  • Konsequente Getrennthaltung

Die erste Empfehlung setzt bei der Getrennthaltung an. Wie die Autoren schreiben, ergebe sich zwar aus der Ersatzbaustoffverordnung ein Getrennthaltungsanspruch gipshaltiger Abfälle. Zudem schreibe der aktuelle Entwurf der Gewerbeabfallverordnung unter anderem die Getrenntsammlungspflicht der beim Rückbau anfallenden Bau- und Abbruchabfälle vor.

Dennoch zeigten Erfahrungen aus anderen Ländern, dass höhere Annahmepreise seitens der Deponien die Trenndisziplin bezüglich Gipskartonplatten erhöht. Ohne Logistik schwanken die Deponierungskosten in Deutschland derzeit zwischen 20 und 150 Euro je Tonne. Demgegenüber sind in Frankreich 80 Euro je Tonne fällig, davon 17 bis 30 Euro Deponiesteuer. In Schweden kostet die Deponierung gar 120 Euro je Tonne. 54 Euro, also knapp die Hälfte der Kosten entfallen auf die Deponiesteuer.

Akuten Handlungsbedarf sehen die Autoren gleichwohl nicht. Denn die Fachleute erwarten, dass die Deponiepreise aufgrund knappen Raums in Zukunft steigen und sich damit die Wettbewerbsfähigkeit von Gipsrecyclinganlagen verbessern könnte. Ist das mittelfristig nicht der Fall, „sollte über die Einführung einer angemessenen Deponiesteuer in Deutschland nachgedacht werden.“

Ein weiterer Punkt ist die Förderung des selektiven Rückbaus auf der Baustelle. Der wird den Autoren zufolge bereits vielfach praktiziert, sollte aber ausgeweitet werden. Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber offensiv eine nachträgliche Vermischung selektiv rückgebauter Fraktionen formulieren und entsprechend im Vollzug umsetzen. Fachgespräche hätten ergeben, dass Fraktionen oft nach dem Rückbau wieder vermischt werden, heißt es in der Studie.

  • Sammel- und Aufbereitungssysteme

Als entscheidend wird von den Autoren zudem eine „trockene“ Sammlung und ein „trockener“ Transport der Materialien erachtet. Dies umfasse geeignete Containerabdeckungen, sowie überdachte Sammel- und Lagerplätze. Wichtig seien zudem möglichst kurze Transportstrecken; der Aufbau dezentraler Sammelstellen für Gipskartonplatten auf kommunalen Wertstoffhöfen oder ähnlichen Stellen sei ein Baustein davon.

Zum Teil könnte hier das Recyclingsystem in Dänemark, Schweden und den Niederlanden Vorbild sein, das von Gypsum Recycling International betrieben wird. Das Unternehmen sammelt Gipskartonplatten und andere Gipsabfälle In speziell entwickelten Container auf Baustellen, bei Umladestationen sowie kommunalen Recyclinghöfen. Die einzelnen Standorte werden dann gezielt angefahren und das Material zu vorhandenen Lagerhallen in der unmittelbarer Nähe von Gipsplattenwerken transportiert. Ist eine Sammelmenge von 2.000 Tonnen je Lager erreicht, wird eine mobile Aufbereitungsanlage aufgebaut, die maximal zehn Tage läuft.

Auch in Großbritannien gibt es mehrere Anbieter von Rücknahmesystemen, namentlich British Gypsum, Knauf und Siniat. Diese bieten Abfallsäcke, Container oder andere Behälter an, in denen gebrauchte Gipskartonplatten gesammelt werden können und die von einem beauftragten Dritten abgeholt und gegebenenfalls vorsortiert werden. Anschließend wird das Material zu stationären Aufbereitungsanlagen geliefert.

  • Erhöhung der Akzeptanz

Wie bei vielen anderen Recyclingstoffen fordern die Autoren, auch RC-Gips aus Gipskartonplatten bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand stärker zu berücksichtigen. Hierzu empfehlen sie, eine Leitlinie für eine diskriminierungsfreie Ausschreibung nach Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen zu entwickeln. Als Vorbild soll dabei das Leistungsblatt mit Mindestanforderungen unter anderem zum Einsatz von Beton mit recyclierten Gesteinskörnungen (RC) im Hochbau dienen. Übernehmen soll das die Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung des Bundes.

  • Stärkerer Vollzug

Eine weitere Forderung in Richtung Politik ist, preiswerte Scheinverwertungen auf technisch und ökologisch zweifelhaften Wegen zu unterbinden, wie etwa die Verfüllung von Steinbrüchen. Die Autoren empfehlen, bei der Abfallverbringung ökologische Kriterien stärker zu berücksichtigen: Kriterien wie ‚keine Schwefelwasserstoffemissionen‘ und ‚keine Sickerwasserbelastung‘ als Auflagen zur Verwertung seien für die Vollzugsbehörden hilfreich.

Zudem könnten auch eine stärkere Vernetzung und ein intensiverer Austausch der Vollzugsbehörden der Bundesländer untereinander helfen, um auf dubiose Abfallmakler aufmerksam zu machen.


Gips-RC

Quelle: Umweltbundesamt

Das Umweltbundesamt verspricht sich von der Umsetzung dieser Maßnahmen, dass damit das Gipsrecycling in Deutschland deutlich an Attraktivität gewinnen würde. Bislang sind nur zwei neue Anlagen – von Remondis Südwest in Zweibrücken und New West Gypsum in Pulheim –geplant beziehungsweise bereits im Bau. Mit Hilfe der geforderten Maßnahmen könnten jedoch weitere folgen, so das Umweltbundesamt. Vor allem in Ballungsgebieten könnten sich neue Anlagen lohnen. Denn Ballungsgebiete seien einerseits große Sekundärrohstoffquelle und anderseits ein potenziell großer Nachfrageraum für Gipskartonplatten.

Mehr zum Thema
Wird die Energie- und Antriebswende ausgebremst?
Alternative Papiersorten: Wie gut sind die Top Ten wirklich?
Was natürliche Dämmstoffe leisten können – und was nicht
Kataster in Heidelberg umfasst bereits 466.000 Tonnen Baumaterial
Rohstoffimporte: „Höchste Zeit für einen Kurswechsel“
Gute Nachfrage lässt Altpapierpreise steigen
Deutsche Industrie weiter im Plus
Wissenschaftler planen Bioasphalt