Viel Aufkommen, wenig Kapazitäten

In den USA steigt das Aufkommen an alten Röhren-Monitoren kontinuierlich. Doch was fehlt, sind entsprechende Behandlungskapazitäten. Mit Neuinvestitionen ist kaum zu rechnen – sie lohnen sich nicht. Doch was tun mit all den Geräten?

USA kämpfen mit Entsorgungs-Engpässen für CRT-Bildschirme


In den USA werden in den kommenden Jahren beträchtliche Mengen an Fernsehern und Computerbildschirmen mit Kathodenstrahlröhren anfallen. Nach Schätzungen der US Environmental Protection Agency (EPA) und anderer Quellen müssen bis zum Jahr 2033 rund 7,2 Millionen Tonnen dieser Bildschirme fachgerecht entsorgt werden. Über drei Viertel aller Altgeräte werden voraussichtlich bis 2022 zur Entsorgung anstehen.

Für die kommenden Jahre würde das bedeuten, dass jedes Jahr zwischen 206.000 und 392.000 Tonnen CRT-Glas anfallen werden. Dabei wird sich die tatsächliche Zahl sehr wahrscheinlich am oberen Rand der Schätzung bewegen. Denn bislang haben 19 Bundesstaaten eine Beseitigung von CRT-Geräten auf Siedlungsabfalldeponien verboten. In eben diesen Staaten wohnt rund die Hälfte aller Amerikaner. Darüber hinaus gibt es in immerhin 25 Staaten eine E-Schrott-Gesetzgebung. Die Sammlung alter Geräte wird deshalb vermutlich eher höher ausfallen. Darüber hinaus dürfen bei all diesen Hochrechnungen auch die über 12 Millionen CRT-Geräte nicht vergessen werden, die derzeit bei den Verwertern noch lagern, um recycelt zu werden.

Dem hohen Aufkommen stehen allerdings nur geringe Verarbeitungskapazitäten gegenüber. Das auf E-Schrott-Recycling spezialisierte Beratungsunternehmen Transparent Planet listet für die USA zehn Unternehmen mit 32 Standorten auf, die komplette Geräte beziehungsweise Kathodenstrahlröhren vorverarbeiten. Daneben gibt es eine Hand voll CRT-Glas-Verwerter: Teck Resources und Glencore Xstrata in Kanada, Cali Resources in Mexiko sowie Doe Run und Nulife Glas. Die Anlagen der ersten vier Unternehmen sind bereits seit vielen Jahren auf dem CRT-Recyclingmarkt verfügbar und bringen es Schätzungen zufolge auf eine Gesamtverarbeitungskapazität von etwa 128.000 Tonnen CRT-Glas jährlich.

Die britische Firma Nulife Glass ist ein Newcomer. Sie hat 2013 ihre erste Anlage in den USA in Betrieb genommen. Den Firmenangaben zufolge hat der CRT-Recyclingofen im Bundesstaat New York eine Kapazität von 91.000 Tonnen CRT-Glas pro Jahr. In absehbarer Zeit wird Nulife Glass vermutlich einen zweiten Ofen in den USA in Betrieb nehmen. Im Januar hat der Gouverneur des US-Bundesstaats Virginia verkündet, dass Nulife dort eine Recyclinganlage errichten wolle.

Fast zeitgleich mit Nulife Glass ist auch Kuusakoski in den US-amerikanischen CRT-Glas-Recyclingmarkt eingestiegen. Der US-Ableger des finnischen Recyclingkonzerns hatte mit seinem sogenannten KleanKover-Prozess allerdings nur ein kurzes Intermezzo. Nach etwas mehr als einem Jahr hat Kuusakoski Recycling US seinen Alternativansatz der Nutzung von behandeltem CRT-Glas als periodische Deponieabdeckung eingestellt. Die Anlage sollte eine Kapazität von 50.000 Tonnen CRT-Glas jährlich haben. Im vergangenen Jahr war die Anlage jedoch lediglich zu 25 Prozent ausgelastet.

Recyclingmarkt ist groß, aber endlich

Angesichts der fehlenden Behandlungskapazitäten würde es sich für Unternehmen eigentlich anbieten, ins CRT-Recycling einzusteigen und zu investieren. Die Krux an der Sache ist: Unter rein wirtschaftlichen Aspekten gesehen macht das Recycling wenig Sinn, denn über kurz oder lang werden alle Röhrenbildschirme recycelt sein und neue werden nicht mehr hinzukommen. Bis 2023 herrscht zwar ein immenser Bedarf an Verarbeitungskapazitäten. Danach wird sich aber die Situation drehen. Die US-Umweltbehörde EPA prognostiziert, dass der Jahresdurchschnitt an Altgeräten von 590.000 Tonnen (19,5 Millionen Geräte) auf dann nur noch 91.000 Tonnen (3,2 Million Geräte) zurückgehen wird. Spätestens 2033 soll komplett Schluss sein mit dem Rücklauf von CRT-Altgeräten.

Von daher haben auch nur drei US-Firmen vor, Recyclinganlagen zu errichten. So will die Firma Closed Loop Refining and Recovery zwei Glasschmelzöfen in Arizona und in Ohio errichten. Die Anlage in Ohio mit einer Kapazität von 18.000 Jahrestonnen Konusglas soll nach Angaben des Unternehmens eventuell noch im Laufe dieses Jahres in Betrieb gehen. Darüber hinaus plant das Unternehmen Recovered Energy zwei Plasma-Öfen, die sich allerdings noch in der Planungs- und Entwicklungsphase befinden. Schließlich baut die Firma Regenesys Glass Processing in Texas derzeit einen Recyclingofen. Allen Projekten gemein ist, dass bislang noch absehbar ist, wann die Verwertungskapazitäten für den Markt tatsächlich zur Verfügung stehen werden.

Folglich bleiben die US-Recyclingunternehmen vorerst auf ihren CRT-Lägern sitzen. Die ersten Firmen ziehen sich bereits aus der CRT-Sammlung zurück. Neben dem Platzmangel sind auch die CRT-Vorschriften der US-Umweltbehörde EPA ein Problem. So ist unter anderem eine Lagerung von CRTs nur für ein Jahr gestattet. Außerdem wachsen sich die steigenden Verarbeitungskosten zu einem weiteren Problem aus. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die traditionellen Absatzmärkte wie das Glas-zu-Glas-Recycling wegbrechen. Das bringt nicht nur Recyclingunternehmen in eine finanzielle Schieflage, auch die bundesstaatlichen Sammelprogramme von E-Schrott im Allgemeinen und von CRT-Altgeräten im Besonderen sind in Gefahr. Die ersten Landkreise haben bereits im vergangenen Jahr ihre Sammelprogramme aus Kostengründen eingestellt.

CRT-Recycling ist kostspielige Angelegenheit

Hinzu kommt, dass das Recycling von CRT-Monitoren kostenintensiver ist als das Recycling aller anderen Komponenten des E-Schrott-Stroms. „Bei Berücksichtigung aller anfallenden Kosten für Demontage, Transport und Weiterverarbeitung des Glases, ist die Verwertung von CRT-Geräten fast doppelt so teuer wie die Verwertung anderer E-Schrott-Bestandteile“, erläutert der finnische Recyclingkonzern Kuusakoski. Er bezieht sich auf eine Umfrage unter Glasverwertern, wonach sich reine Verarbeitungskosten, also ohne Transportkosten, zwischen 140 und 240 US-Dollar pro Tonne herauskristallisiert haben.

Sonderabfallbehandlungsanlagen verlangen demgegenüber für die Behandlung und Beseitigung von bereits zerkleinertem Bleiglas etwas weniger. Kuusakoski nennt hier Preise zwischen 80 und 100 US-Dollar pro Tonne. Muss das Glas erst noch zerkleinert werden, kommen schätzungsweise zwischen 40 und 100 US-Dollar je Tonne hinzu. Noch teurer wird es bei noch vollständigen CRT. Für einen Kubik-Yard, das sind circa 0,76 Kubikmeter, müssen 90 bis 120 US-Dollar gezahlt werden. In den US-Bundesstaaten, in denen die Beseitigung von CRT auf Siedlungsabfalldeponien noch erlaubt ist, wird vermutlich das Gros des Glases eben diesen Weg einschlagen. Denn die Deponierung ist mit 18 bis 105 US-Dollar je Tonne unschlagbar günstig.

Der Transport treibt die Kosten weiter in die Höhe: In einem Radius von bis zu 400 Meilen kostet jede Tonne CRT zwischen 60 und 80 US-Dollar. Bei größeren Entfernungen verteuert sich der Transport entsprechend auf 100 bis 120 US-Dollar –„oder noch mehr“, so Kuusakoski. Da drei der momentan fünf bestehenden Recyclinganlagen sich an den äußersten Ecken des nordamerikanischen Kontinents, in Kanada und in Mexiko befinden, wird es für viele US-Recycler richtig teuer.

Illegalen Aktivitäten wird Tür und Tor geöffnet

Die Folgen des Entsorgungsprobleme sind bereits zu begutachten: Spektakuläre Konkurse, verlassene Lagerhäuser voll mit CRT-Glas und die zunehmenden illegale Beseitigung auf Hausmülldeponien, die für diese gefährlichen Abfälle völlig ungeeignet sind. Unter den schwarzen Schafen sind sogar einige Unternehmen zu finden, die nach dem R2-Standard zertifiziert sind. Basierend auf Zahlen von Transparent Planet und Kuusakoski haben sich allein in den bekannt gewordenen „verlassenen Lagerstätten“ bis Ende vergangenen Jahres über 275.000 Tonnen CRT-Glas angehäuft. Die Dunkelziffer der illegal gelagerten und deponierten Glasmengen dürfte noch weit darüber liegen. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres hat das Basel Action Network (BAN) von etlichen Lkw-Ladungen mit CRT-Geräten und -Glas berichtet, die illegal gelagert beziehungsweise deponiert wurden.

Die Sanierungskosten für einige dieser illegalen Lagerhäuser sind hoch. Laut Kuusakoski liegen sie zwischen 600.000 und 1 Million US-Dollar – pro Lagerstätte. Transparent Planet geht davon aus, dass es zwischen 85 und 360 Millionen US-Dollar kosten wird, alle CRT-Läger einer korrekten Entsorgung und Recycling zuzuführen.

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