Grünbuch Kunststoffabfälle

Umweltkommissar Janez Potočnik zieht eine erste Bilanz aus der Konsultation über das Grünbuch. Ein Deponierungsverbot für Kunststoffabfälle wird immer wahrscheinlicher. Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen geplant.

Verbote und höhere Quoten


Gut ein halbes Jahr nach Vorstellung des EU-Grünbuchs zu Kunststoffabfällen deutet sich an, welche Maßnahmen die EU-Kommission für die Stärkung des Kunststoffrecyclings ergreifen könnte. Auf der Konferenz „Die Rolle des Plastikmülls in einer Kreislaufwirtschaft“ sagte EU-Umweltkommissar Janez Potočnik Anfang Oktober, dass eine große Mehrheit der Teilnehmer der öffentlichen Konsultation ein eindeutiges Votum für ein Deponie-Verbot für Plastikmüll abgegeben hätte. Auch höhere Recyclingquoten und strengere Exportkontrollen fänden bei einer Mehrheit der Befragten Zustimmung.

Offenbar gibt auch eine breite Unterstützung für eine Initiative gegen die Meeresverschmutzung. Laut Potočnik haben sich viele Antworten auf die Konsultation für ein Reduktionsziel für Plastikmüll in den Meeren ausgesprochen. Die Umweltkommissar kündigte an, dass die EU-Kommission eine Gesetzesinitiative zum Verbot oder zur Besteuerung von Plastiktüten auf den Weg bringen werde.

Potočniks Aussagen dürften zumindest teilweise auf Zustimmung der deutschen Entsorgerverbände stoßen. In den vergangenen Monaten hatten alle Verbände ein mögliches Deponierungsverbot für Kunststoffabfälle begrüßt. Die von der EU-Kommission im Grünbuch untersuchten Optionen seien die besten, um die Auswirkungen von Plastikmüll auf die Umwelt zu reduzieren, kommentierte Ton Emans, Präsident der Plastics Recyclers Europe. Neben dem Deponierungsverbot seien auch Recyclingquoten für Kunststoffabfälle und Ökodesign-Richtlinie gute Lösungen, um das Recycling voranzutreiben.

„Die Überprüfung der Richtlinie über Abfalldeponien im Jahr 2014 bietet eine gute Gelegenheit, einen Entwicklungssprung in der europäischen Ressourceneffizienz-Politik zu machen“, fügt Wilfried Haensel, Executive Director vom Verband der Kunststofferzeuger PlasticsEurope, an. „Die Einbeziehung eines Deponierungsverbots für Kunststoffabfälle in die Direktive kurbelt den Kunststoff-Recyclingsektor an und wird auch mehr Plastikmüll für eine thermische Verwertung zur Strom- und Elektrizitätserzeugung mit sich bringen.“

Um Plastikmüll nicht auf Deponien verschwinden zu lassen, sondern eine funktionierende Entsorgungsinfrastruktur aufzubauen, sind jedoch eine Reihe von Maßnahmen nötig, die zudem von ökonomischen Instrumenten flankiert werden müssen. Dazu zählt die Federation of Waste Management and Environmental Services (FEAD) unter anderem die erweiterte Produzentenverantwortlichkeit und steuerliche Maßnahmen. In Zukunft sollten EU-Gelder nur für Abfallwirtschaftsprojekte bereitgestellt werden, die die fünfstufige Abfallhierarchie einhalten. Gleiches fordert auch der dem Dachverband FEAD angeschlossene Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE).

Beide Verbände begrüßen, dass das Deponierungsverbot von Kunststoffabfällen schrittweise in Europa eingeführt wird. „Ein Deponierungsverbot, ausgestattet mit einem vernünftigen Zeitplan, der jüngeren Mitgliedstaaten erlaubt, entsprechende Recycling- und Verwertungskapazitäten aufzubauen, würde das Ressourcenpotenzial maßgeblich heben“, sagt BDE-Präsident Peter Kurth.

Das geht der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) aber nicht schnell genug. Einzelnen EU-Mitgliedstaaten seien sehr lange Übergangsfristen zur Umsetzung der EU-Deponierichtlinie eingeräumt worden, moniert die DGAW. Andere EU-Mitgliedstaaten, die „offensichtlich seit Jahren diese Umsetzung nur mangelhaft vornehmen, werden nur sehr zögerlich belangt“.

Aus Sicht des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) bedarf es indes noch weiterer Schritte. Seiner Meinung nach müsste der Rechtsrahmen für den Umgang mit Kunststoffabfällen angepasst werden. „Wir brauchen umfassendere europaweit einheitliche Regelungen für die Entsorgung von Kunststoffabfällen““, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Er bemängelt, dass es derzeit europaweit nur zwei eher allgemeine Ziele gebe: Die Getrenntsammlung von Kunststoffabfällen muss bis spätestens 2015 eingeführt werden und das Recycling von Kunststoffen, Papier, Metallen und Glas bis 2020 in Summe mindestens 50 Prozent erreichen. Andere, konkrete Ziele speziell für die Entsorgung von Kunststoffabfällen seien bisher nicht definiert.

Auf dem Weg zu einer optimalen Kunststoffverwertung kommt auch jedem einzelnen EU-Mitgliedstaat eine Verantwortung zu. Das betonte Naemi Denz, Geschäftsführerin des Fachverbands Abfall- und Recyclingtechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) bei einer gemeinsamen Veranstaltung des VDMA und des bvse in Brüssel. „Die Mitgliedsstaaten müssen ihren Aufgaben nachkommen und eine ordentliche Überwachung des Marktes und der Umweltanforderungen sicherstellen.“ Eine Drittzertifizierung von Recyclingstandards, wie sie von Brüsseler Seite ins Feld geführt werde, sei nicht die Lösung aller Probleme. Bei einem solchen Outsourcing von staatlichen Aufgaben zeige sich immer wieder, dass die Letztverantwortung für die zertifizierten Produkte und Verfahren nicht wahrgenommen werde.

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