Erfassung von Elektrokleingeräten

Führt ein Pfandsystem nicht doch zu höheren Sammelmengen von Elektrokleingeräten? Wissenschaftler halten es für möglich und arbeiten bereits an einem konzeptionellen Ansatz. Was bei anderen Stoffströmen bereits zu Erfolgen geführt hat, könnte auch bei Elektro- und Elektronikkleingeräten gelingen, glauben sie.

Vielleicht doch ein Pfandsystem?


Trotz aller Anstrengungen werden in Deutschland noch immer zu wenige alte Elektrogeräte gesammelt und verwertet. Vor allem bei Kleingeräten sind die Rücklaufquoten nur gering. Oftmals landen diese in der Restmülltonne – oder verschwinden in dubiosen Kanälen und werden in Entwicklungsländer verkauft. Damit gehen der deutschen Wirtschaft wertvolle Rohstoffe verloren.

Mit einem Pfandsystem könnte man diesem Problem begegnen. Damit ließen sich Elektro- und Elektronikkleingeräte gezielt zurückzuführen, glaubt der Wissenschaftler Jan Schlecht vom CUTEC Institut an der TU Clausthal. Erfahrungen mit anderen Pfandsystemen zeigten, dass diese positive Auswirkungen haben, erklärte Schlecht der Berliner Recycling- und Rohstoffkonferenz. Sei es bei Getränkeverpackungen, bei Starterbatterien oder bei der Pfandpflicht für Altautos in Schweden und Norwegen – all diese Systeme hätten für eine deutliche Steigerung der Rücklaufquoten gesorgt.

„Auch bei Elektro- und Elektronikkleingeräten können Pfandsysteme die Sammelquoten signifikant erhöhen und dauerhaft auf hohem Niveau halten“, glaubt Schlecht. Zudem könnten gegebenenfalls auch die Entsorgung von Kleingeräten über den Hausmüll und die Sammlung von Geräten abseits der offiziellen Wege und deren anschließender Export reduziert werden. Damit stünde auch mehr Material für ein Recycling zur Verfügung. Die Effizienz des Recyclings würde erhöht.

Ohne eindeutige Identifikation der Geräte geht es nicht

Pfandsysteme haben allerdings auch einige Nachteile. Zum einen befürchten die Hersteller, dass ein Pfandsystem durch die Erhöhung der Anschaffungskosten zu Umsatzrückgängen führen könnte. Darüber hinaus sei ein Pfandsystem auch mit hohen administrativen Kosten für den Handel und die Gerätehersteller verbunden, wie Schlecht ausführte. Dazu zählen die Kosten für den Aufbau eines Sammel- und Clearing-Systems, die Erstellung und Pflege einer Datenbank, die Einführung von Materialkennungen und -signaturen, um nur einige Kostenfaktoren zu nennen. Der Wissenschaftler erwartet aufgrund der Zunahme an gesammelten Geräten auch eine Erhöhung der absoluten Sammel- und Logistikkosten.

Ein weiterer schwerwiegender Nachteil liegt in der potenziellen Missbrauchsgefahr. „Das ordnungsgemäße Funktionieren eines Pfandsystems hängt vor allem von einer Unterbindung von Missbrauchsmöglichkeiten ab“, erklärt Schlecht. „Voraussetzungen dafür sind die Sicherstellung einer eindeutigen Identifikation der bepfandeten Produkte sowie die Schaffung einer Datenbank, die sämtliche Systemdaten enthält. Dazu zählt unter anderem die Höhe des Pfands oder Details über die am Pfandsystem beteiligten Akteure.“

VKU

Als einen ersten Schritt zu einer eindeutigen Identifizierung von bepfandeten Geräten auch für den Verbraucher schlägt Schlecht sichtbare Label oder Etiketten vor. Diese Etiketten könnten durch weitere Materialkennungen und -signaturen automatischer Identifikationssysteme ergänzt werden, um Missbrauch wirksam zu verhindern.

Problemlos für ein Pfandsystem genutzt werden könnte beispielsweise die sogenannte International Mobile Equipment Identity Number, die zur eindeutigen Identifikation von Mobiltelefonen und Smartphones dient. Auch allgemeinere Identifizierungssysteme wie die Seriennummer oder der Electronic Product Code könnten ohne weiteres genutzt werden. Weitere Möglichkeiten wären ID-Barcodes wie der Strichcode, 2D-Barcodes wie der Quick Response Code oder die RFID-Technologie zur kontaktlosen Identifizierung eines Objekts ohne direkten Sichtkontakt.

Neutrale Stiftung muss komplexes System verwalten

Eine der größten Herausforderungen eines Pfandsystems ist wohl seine Verwaltung. „Eine Möglichkeit wäre die Bildung einer Stiftung bei der Einführung des Pfandsystems für E-Geräte nach dem Vorbild der Stiftung Elektro-Altgeräte Register (ear)“, erläutert Schlecht. Da eine derartige Stiftung für die Verwaltung des gesamten Systems verantwortlich wäre, müsste sie natürlich einen neutralen Charakter haben. Das heißt, Hersteller, Handel, Entsorger und Recycler müssten in ihr vertreten sein.

Um das System effizient steuern zu können, müsste die Stiftung mit einer entsprechenden Datenbank ausgerüstet werden. Einige Informationen, welche die Stiftung verwalten müsste, wären die Anzahl der in Verkehr gebrachten bepfandeten Geräte, die Anzahl der zurückgegebenen Geräte, die Pfandhöhe für das jeweilige Gerät und der gesamte im System befindliche Pfandwert. Um die Transparenz zu erhöhen, könnte die öffentliche Hand die Datenqualität überprüfen und Statistiken über das System erstellen.

Damit ein Pfandsystem funktionieren kann, muss es aber auch über einen geschlossenen Pfand- und Stoffkreislauf verfügen. Die Wissenschaftler von der TU Clausthal haben hier schon eine genaue Vorstellung von diesem Kreislauf – der sich allerdings in der Praxis erst beweisen müsste:

  • Händler 1 erhält Pfand vom Konsumenten beim Kauf bepfandeter E-Geräte.
  • Händler 2 zahlt das Pfand an den Konsumenten bei der Rückgabe eines bepfandeten Gerätes aus.
  • Händler 1 zahlt Pfand an Händler 2. Der zu zahlende Betrag wird von der Stiftung an den Händler 1 übermittelt.
  • Händler 2 beauftragt einen Dienstleister, der den Zustand des zurückgegebenen Geräts prüft. Die Suche und Zuweisung der Dienstleister könnte von der Stiftung durchgeführt werden.
  • Der Dienstleister liefert die zur Wiederverwendung geeigneten E-Geräte zurück an den Händler, damit diese als Gebrauchtgeräte weiterverkauft werden können. Für diese Geräte wird auch ein Pfandbeitrag vom Kunden eingefordert. Die nicht funktionsfähigen beziehungsweise nicht zur Wiederverwendung geeigneten E-Geräte werden an einen Recycler geliefert.
  • Die aufbereiteten Rohstoffe werden von den Recyclern an die Komponentenhersteller geliefert. Die in den neuen Komponenten verbauten Sekundärrohstoffe gehen schließlich wieder an die Gerätehersteller.

Industrieprojekt soll konzeptionellen Ansatz abschließen

Bleibt noch die Frage nach der geeigneten Pfandhöhe. Denn schließlich soll das Pfand Anreiz für Konsumenten schaffen, das gebrauchte Produkt wieder dem Wirtschafts- und Recyclingkreislauf zuzuführen. Nach Meinung der Wissenschaftler wäre ein Pfandbetrag in Höhe von 10 bis 20 Euro Anreiz genug für den Verbraucher, um alte Geräte wieder ins Geschäft zurückzubringen. Egal, wie hoch der Pfandbetrag schließlich ist: „Damit das System bundesweit einheitlich ist, sollte die Höhe gesetzlich festgelegt werden“, betont Schlecht.

Ein derartiges Pfand kann sich zumindest der Zustimmung einer Partei sicher sein. Die Bundestagsfraktion der Grünen hat in den vergangenen Jahren bereits mehrmals den Vorstoß zur Einführung eines Pfandsystems für Mobiltelefone gestartet. Nach dem Willen der Grünen sollten Konsumenten beim Kauf eines Handys ein Pfand von zehn Euro zahlen. Sei das Handy-Pfand erfolgreich, könnte es auf weitere Produktgruppen ausgedehnt werden wie Notebooks, Tablet-Computer oder Videospiel-Konsolen.

Zustimmung käme voraussichtlich auch aus dem Sachverständigenrat für Umweltfragen. Dieser hatte bereits 2012 in seinem Umweltgutachten ein Pfand auf Mobiltelefone und Computer vorgeschlagen, ohne dieses Instrument aber weiter zu konkretisieren. Dieser Vorschlag sei auch der Hintergrund für die Vorüberlegungen der Wissenschaftler vom Clausthaler CUTEC Institut zur Bepfandung von Elektro- und Elektronikkleingeräten. Der konzeptionelle Ansatz solle im Rahmen eines Industrieprojekts in diesem Jahr abgeschlossen werden, wie Schlecht in seinem Vortrag ankündigte. Das Projekt solle dann seinerseits als Grundlage für eine vertiefte wissenschaftliche Bearbeitung dienen.

Mehr zum Thema
Einweg-E-Zigarette mit abnehmbarem Akku
Alternative Papiersorten: Wie gut sind die Top Ten wirklich?
iPhone-Reparatur: Apple lässt gebrauchte Originalteile zu 
Neuer Roboter entleert Lebensmittelgläser in Sekundenschnelle
Rohstoffimporte: „Höchste Zeit für einen Kurswechsel“
Gute Nachfrage lässt Altpapierpreise steigen
Deutsche Industrie weiter im Plus
Künstliche Intelligenz soll Elektroaltgeräte analysieren
Kreislaufwirtschaft: Neues Zentrum in der Lausitz