ElektroG und Gefahrgutvorschriften

Der Entwurf zum ElektroG will die Containerbefüllung von oben verbieten. Die Recyclingbranche reagiert mit verständnislosem Kopfschütteln. Probleme bereiten auch die neuen Gefahrgutvorschriften. Sie drohen die verstärkte Sammlung von Elektroaltgeräten zu konterkarrieren.

Vorschriften hemmen Sammlung von E-Schrott


Man muss den Satz schon zweimal lesen. Nicht, weil die Formulierung kompliziert ist. Es ist eher der Inhalt, der allgemeines Kopfschütteln auslöst. Es geht um Paragraf 14, Absatz 2 im Entwurf zum neuen Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG). Dort heißt es: „Die Behältnisse dürfen nicht von oben befüllt werden.“

Man wäre in einer ersten Reaktion geneigt, die Formulierung als Unsinn abzutun. Aber weil sie nun einmal im ElekroG steht, müssen Fachleute sie ernst nehmen und sich mit dem Für und Wider einer Containerbefüllung von oben befassen. Die Reaktionen aus der Recyclingbranche sind hierzu eindeutig, sie unterscheiden sich nur im Grad der Ausdrucksweise und vornehmen Zurückhaltung.

„Diese Regelung halten wir für verunglückt“, kommentiert Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Wie viele andere Verbände auch, hat sich der VKU in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Bundesumweltministeriums (BMUB ) dafür ausgesprochen, diese missratene Formulierung zu streichen. „Das Befüllungsverbot von oben ist in der Praxis einfach nicht umsetzbar“, betont Reck.

Dennis Kissel von der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) hält dieses Verbot für Unsinn. Er spottet: „Ich möchte mal sehen, wie das BMUB einen Depotcontainer von der Seite oder von unten befüllen will.“ Dieses Verbot würde nicht nur die von vielen Kommunen aufgestellten Depotcontainern und Wertstoffinseln auf öffentlichem Straßenland treffen, sondern auch die Sammlung von Elektrogeräten auf den Wertstoffhöfen.

Statistik: Aufkommen an Elektroschrott im Jahr 2005 in Deutschland nach Gerätearten (in Tonnen) | StatistaDenn auch auf Wertstoffhöfen wäre ein derartiges Verbot völlig unpraktikabel. Schließlich müssen Elektroaltgeräte, die über Depotcontainer, Wertstoffinseln oder in Kooperation mit dem Handel bei dort eingerichteten Sammeleinrichtungen gesammelt werden, je nach Sammelgruppe in die dortigen Behältnisse gekippt werden. „Somit ist es nicht zu vermeiden, dass Behältnisse von oben befüllt werden“, heißt es in der VKU-Stellungnahme. Zudem könne eine vollständige Befüllung von Containern mit einem üblichen Fassungsvermögen von etwa 30 Kubikmetern ab einer gewissen Füllhöhe ohne Einfüllung von oben kaum erreicht werden. Da jedoch nur „volle Container“ gemäß ElektroG zur Abholung gemeldet werden können, ist die volle Befüllung der Container nicht ganz unerheblich.

Wie VKU-Hauptgeschäftsführer Reck betont, ist es nicht nötig, das bestehende Sammelsystem völlig umzukrempeln: „Auch die Sammelbehältnisse für die Lampenfraktion werden regelmäßig von oben befüllt, ohne dass hierdurch eine Bruchgefahr entsteht.“ Entscheidend sei, bei der Befüllung darauf zu achten, dass keine Gefahrstoffe freigesetzt werden. Dieses Regelungsziel sollte so auch in den Gesetzestext übernommen werden, meint der VKU und schlägt daher als Ersatzregelung vor: „Die Behältnisse sind so zu befüllen, dass ein Austritt von Schadstoffen vermieden wird.“

Neue ADR-Vorschriften geben großes Rätsel auf

Auch der Abtransport der Elektrokleingeräte zum weiteren Recycling könnte sich in naher Zukunft als schwierig gestalten. Eine neue Vorschrift des Europäischen Übereinkommens über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) besagt unter anderem, dass aufgrund von Hochleistungsbatterien in Kleingeräten und der damit verbundenen Explosions- und Brandgefahr viele von diesen Geräten nur noch dann zum Recycling transportiert werden dürfen, wenn sie einzeln verpackt sind. „Damit fangen die Probleme schon an, denn wir wissen nicht, ob und in welchen Geräte Lithium-Akkus enthalten sind, das ist von außen nicht erkennbar“, sagt Reck. Er sieht hier die Hersteller in der Pflicht, ihre Geräte mit Lithiumbatterien entsprechend zu kennzeichnen.

Erschwerend kommt hinzu, dass ab Anfang 2015 Übergangs- und Duldungsregeln entfallen und ein Transport von kleinen Elektrogeräten in Gitterboxen oder Containern generell nicht mehr möglich ist, da Gitterboxen und Container nicht als Verpackung gelten. Also müsste der Bürger seine ausgedienten Kleingeräte verpacken, bevor er sie in den kommunalen Depotcontainern entsorgt oder aber im Einzelhandel zurückgibt. Das zu erwarten, ist illusorisch. Ebenso wenig kann man vom Handel oder den kommunalen Unternehmen erwarten, dass sie die Batterien aus jedem einzelnen Gerät entnehmen.

AWSH-Geschäftsführer Kissel sieht schon ein Ende der Kleingeräteerfassung kommen, da ein Abtransport nicht mehr möglich sei. So schwarz malt VKU-Hauptgeschäftsführer Reck für die Entsorgungszukunft nicht. Es sei zwar für alle Beteiligten ein großes Rätsel und noch völlig unklar, wie das zukünftig ausgestaltet werden soll. Allerdings fänden derzeit intensive Diskussionen und Fachrunden statt, um die vielen offenen Fragen zu klären. Er plädiert dafür, eine Lösung mit Augenmaß zu finden, denn eine „Erhöhung der Sammelquoten und –mengen ist nur möglich, wenn das System praktikabel ist“.

Die Vorschriften müssten auch im Verhältnis zu der Gefahr stehen, die von Elektrokleingeräten mit oder ohne Lithium-Akkus ausgeht, betont Reck. Nach Wissen des VKU ist bislang noch kein Depotcontainer explodiert. Auch Brände in den E-Schrott-Sammelbehältnissen auf den Wertstoffhöfen seien noch nicht ausgebrochen.

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