Zerkleinerung von Verbundstoffen

Ein junges High-Tech-Unternehmen hat einen neuen Lösungsansatz für die stoffliche Trennung komplexer Materialverbünde und Kompositmaterialien gefunden. Der neue Ansatz basiert auf einem so genannten elektrohydraulischen Zerkleinerungsverfahren. Damit soll eine hohe Trenneffizienz erzielt werden.

Werkstoffverbunde mit Schockwellen selektiv aufarbeiten


Die Impulstechnik ist in Deutschland eine noch weitgehend neue Technologie. Daher kommt das Schockwellen- oder auch elektrohydraulische Zerkleinerungsverfahren noch nicht allzu oft zum Einsatz. Bisherige Anwendungen an Forschungsinstituten beschränken sich zumeist auf die sortenreine Zerkleinerung von Altbeton. Kommerzielle Anwendungen existieren unter anderem in Form der Blechumformung oder dem Entsanden von Sandgussformteilen in der Gießereibranche.

Das junge High-Tech-Unternehmen ImpulsTec will das Schockwellenverfahren für die Materialzerkleinerung und das Recycling am Markt etablieren. „Das Verfahren bedient sich mechanischer Schockwellen, die über ein flüssiges Trägermedium auf den Werkstoff übertragen werden und damit eine Zerkleinerung des Mahlguts bewirken“, erläuterte Geschäftsführer Tim Müller bei der ISWA-Beacon-Konferenz in Hamburg. „Dadurch ergibt sich kein Kontakt mit einem festen Mahlkörper, sodass quasi ein ‚berührungsfreies‘ Trennverfahren vorliegt.“

Impulstec
Impulstec

Die Schockwellen werden mit Hilfe des elektrohydraulischen Effekts erzeugt. Dieser Effekt beruht auf der Umwandlung von elektrischer Hochspannungsenergie in mechanische Energie. Das Ergebnis dieser Umwandlung sind Stoßwellen. Durch die Behandlung mit kurzen, aber intensiven mechanischen Druckwellen werden gezielt Schwachstellen im Werkstoff angegriffen: Die Auftrennung erfolgt dadurch verstärkt an makroskopischen Verbindungsstellen (geklemmt, geklebt, geschraubt) oder an mikroskopischen Grenzflächen (Korn-oder Phasengrenzen).

Breite Palette an Anwendungen

„Unser industrietaugliches Schockwellenverfahren weist durch seine hohe Materialselektivität ein verstärktes Bruchverhalten an Grenzflächen unterschiedlicher Materialien auf und ist damit prädestiniert für die Anwendung auf komplexe Industriematerialien und Verbundwerkstoffe“, betont der ImpulsTec-Geschäftsführer. Beispiele für Anwendungsbereiche seien das Recycling beziehungsweise die Zerkleinerung komplexer Verbundmaterialien zur Rückgewinnung von Rohstoffen, aber auch die Wiedergewinnung von Funktionsmaterialien, wie beispielsweise die Aktivmasse aus Lithium-Ionen-Batterien.

Zudem ist eine selektive Zerkleinerung von Altgeräten wie Mobiltelefone möglich, ohne dabei Komponenten wie Platinen maßgeblich zu beschädigen. Aber auch Leiterplatten oder Magnetplatten und elektrische Komponenten wie Chips und Kondensatoren lassen sich zerlegen. „Das Ziel ist dabei die Trennung in Kunststoffe und Metallkomponenten und die Anreicherung von wertvollen Materialien“, sagt Müller.

Impulstec
Impulstec

Mit dem Verfahren lassen sich auch Metall-Keramik-Verbunde trennen wie Bauteile aus Low Temperature Co-fired Ceramics (LTCC), zu Deutsch Niedertemperatur-Einbrand-Keramiken. LTCC ist in der Elektronik eine Technologie zur Herstellung von Mehrlagenschaltungen auf der Basis von gesinterten Keramikträgern. Damit werden beispielsweise Leiterbahnen, Kondensatoren, Widerstände und Spulen erzeugt. „Mit dem Verfahren lassen sich Gold und Keramik erfolgreich separieren“, berichtet Müller. Beschichtungen aus Edelmetall könnten bis zu einer Dicke von 5 Mikrometern entfernt werden. „Dabei können wir über 90 Prozent der Edelmetalle separieren, abhängig von der Dicke der Beschichtung und der Geometrie und Struktur des Mahlguts.“

Universell einsetzbare Technikumsanlagen

Aber auch andere Beschichtungen und ihre einzelnen Lagen können selektiv entfernt werden. Das können galvanisierte Kunststoffteile oder Schutzbeschichtungen aus Keramikwerkstoffen wie die beiden Oxidkeramiken Aluminiumoxid und Zirkonoxid oder Ähnliches sein. Eine weitere Anwendung ist das Recycling von Dünnfilm-Photovoltaik wie CdTe-Solarmodule, Solarmodule mit CIGS-/CIS-Technologie oder Silikon-Module. „Die Zerlegung findet direkt an der Schnittstelle Glas-Halbleiter-Polymer statt“, sagt Müller. Die Module würden fein säuberlich in Glas, Polymer und Halbleiter getrennt.

All diese verschiedenen Materialien könnten in der universell einsetzbaren Technikumsanlagen EHF400 von ImpulsTec zerkleinert werden. Die Anlage ist laut Unternehmensangaben mit Zerkleinerungsreaktoren verschiedenster Bauformen betreibbar und arbeitet standardmäßig mit einem beweglichen Mehrelektrodensystem. Dies ermögliche es, den Elektrodenabstand im Zerkleinerungsprozess individuell nachzustellen. Im Betrieb könne zwischen Arbeitsspannungen von 30 bis 45 Kilovolt und einer Impulsfrequenz von bis zu 4 Herz gewählt werden.

„Durch die Arbeit in einem flüssigen Prozessmedium wie zum Beispiel Wasser kann ein staubfreier Anlagenbetrieb realisiert werden“, sagt Müller Die Standardreaktoren besitzen demnach einen Durchmesser bis 400 Millimeter und ein Volumen bis 40 Litern. Damit könnten pro Stunde beispielhaft folgende Durchsätze erzielt werden: 50 Kilogramm Leiterplatten, 70 Kilogramm Silizium, 90 Kilogramm Mobiltelefone, 100 Kilogramm Schalter/Schütze oder 150 Kilogramm Keramikkomponenten.

Neben der hohen erzielbaren Trenneffizienz weist das Schockwellenverfahren der ImpulsTec laut Müller weitere technologische Vorteile auf: Es sei berührungsfrei und verunreinigungsarm, und durch die Passivierung von Stäuben im Prozessmedium würden keine Feinstaubbelastung entstehen. Darüber hinaus sei es einfach an kundenspezifische Anwendungsfälle anpassbar und lasse sich einfach in industrielle Prozesse integrieren. Die robuste, skalierbare Technologie sei für einen Einsatz im industriellen Umfeld durch Betriebsspannungen bis 50 Kilovolt geeignet. Die Kosten lägen im Bereich klassischer Zerkleinerungsanlagen.

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