Interview

Chinas Importverbot hat die Recyclingmärkte aufgeschreckt. Auch für den deutschen Altkunststoffmarkt werden die Auswirkungen gravierend sein, ist bvse-Kunststoffexperte Thomas Probst überzeugt. Im Interview erklärt er, welche Folgen zu erwarten sind und wie konsequent China das Verbot umsetzen wird.

„Wir beobachten gewaltige Umstrukturierungen“


Das Schreiben, das China am 18. Juli an die Welthandelsorganisation WTO schickte, hatte es in sich. Die Regierung kündigt darin ein Importverbot für 24 Abfallarten an. Zu den betroffenen Abfallfraktionen zählen Kunststoffabfälle aus PET, PVC, PE und PS, gemischtes Altpapier, Alttextilien sowie Asche und Schlacke aus der Stahlproduktion. Bereits Ende dieses Jahres soll das Importverbot in Kraft treten. China hat im vergangenen Jahr rund 7,3 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle importiert. Damit vereint die Volksrepublik rund 60 Prozent aller weltweit exportierten Kunststoffabfälle auf sich.

Herr Probst, China hat vergangene Woche ein Importverbot für bestimmte Abfallfraktionen angekündigt. Wie überrascht waren Sie, als Sie davon hörten?

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Nun, wir waren natürlich schon vorgewarnt, weil entsprechende Gerüchte in den vergangenen Monaten schon kursierten. Es war uns auch immer klar, dass China seine Green Fence-Politik fortsetzen wird. Das Schreiben der chinesischen Regierung an die WTO hat uns dann aber doch überrascht.

China begründet den Schritt mit dem notwendigen Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bürger. Ist das der wahre Grund?

Der Schutz der Umwelt war zweifelsohne die Hauptantriebsfeder, die Green Fence-Politik überhaupt einzuführen. Und man muss davon ausgehen, dass die chinesische Regierung diese Politik fortführen und in den kommenden Jahren sogar noch stufenweise verschärfen wird. Aber hinsichtlich des angekündigten Importverbotes kommt noch hinzu, dass China in der Vergangenheit nicht immer die Qualitäten bekommen hat, die vereinbart waren. Ein weiterer Aspekt sind die Recyclingzentren, die in den Außenbezirken großer Städte in China errichtet wurden. Damit will die Regierung verhindern, dass schlechte Abfallqualitäten von Kleinstunternehmen in den Hinterhöfen aufbereitet werden. Mit dem Importverbot sollen nur noch Abfälle mit einer bestimmten Qualität ins Land gelangen, und diese Abfälle sollen ausschließlich in diese Recyclingzentren gelenkt werden.

Welche Kunststoffabfälle wären von dem Importverbot betroffen?

Das Importverbot zielt in erster Linie auf Folienabfälle, hier besonders auf die dünnen, verschmutzten Folien. Aber auch die Kunststoffe aus der E-Schrott- und Altautoaufbereitung werden es künftig schwer haben, nach China zu kommen. Da wird China sehr genau hinsehen. Auch schlechte Qualitäten an Standardkunststoffen werden unter genauer Beobachtung stehen. Wir erwarten, dass es einige Schwerpunktaktionen der Regierung geben wird, um zu kontrollieren, dass das Importverbot auch eingehalten wird.

Wie groß ist die Menge an Folienabfällen, die von Deutschland nach China geliefert wird?

Das können wir nur schätzen. Deutschland exportiert etwa 1 Million Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr. Der Großteil davon geht nach China. Wir gehen davon aus, dass etwa 280.000 Tonnen auf Folienabfälle entfallen.

Weltweit waren es 7,3 Millionen Kunststoffabfälle, die China im vergangenen Jahr importierte. Wenn nun ein Teil mit einem Importverbot belegt wird, kann dann das Material auf andere Exportmärkte umgelenkt werden?

Danach sieht es nicht aus. Indien beispielsweise nimmt maximal 360.000 Tonnen Kunststoffabfälle pro Jahr auf – also im Vergleich zu China sehr wenig. Und auch die Tigerstaaten sind nicht in der Lage, derart große Mengen aufzunehmen, wie China sie bislang importierte.

Das heißt, dass das bestehende Überangebot in Deutschland noch deutlich größer wird?

Ja, das ist in jedem Fall zu erwarten. Und das bedeutet auch, dass die Preise für Kunststoffabfälle voraussichtlich deutlich fallen werden. Dabei ist es jetzt schon so, dass der Markt für Kunststoffabfälle von einer schwarzen Null zu einer roten Null abdriftet, auch erste Zuzahlungen an die Kunststoffrecycler gibt es bereits. Seit etwa zwei Jahren hat sich der Markt gedreht: von einem Anbietermarkt zu einem Nachfragermarkt. Dieser Trend wird sich mit dem Exportverbot verstärken.

Die größte Last liegt also bei den Sammlern, weil sie für qualitativ schlechtes Material schlechte Preise bekommen und gegebenenfalls nicht mal mehr Abnehmer finden?

Das Importverbot wird die Sammler hart treffen, aber auch die Sortierunternehmen werden unter Druck geraten. Denn einerseits werden sie die qualitativ schlechten Mengen und das Überangebot spüren, die auf sie zukommen werden, und andererseits haben sie Druck von den Recyclern, weil diese nur noch beste Qualitäten akzeptieren. Dieser Spagat ist für den Sortierer schwer zu vollziehen. Der Kunststoffrecycler ist in einer sehr guten Position, für die anderen wird es schwierig.

Was passiert mit den Folienabfällen, wenn sie aktuell und in Zukunft keinen Abnehmer finden?

Das ist eine gute Frage. Wir wissen von einigen Unternehmen, dass sie die Folien zum Teil einlagern. Aber das ist immer nur eine Übergangslösung, weil es für eine Zwischenlagerung immer eine zeitliche Begrenzung gibt. In vielen Fällen wird die Zwischenlagerung also bald ausgereizt sein.

Am Ende werden die Folienabfälle in der Müllverbrennungsanlage oder im EBS-Kraftwerk landen?

Es wird vermutlich kaum was anderes übrig bleiben. Eine andere Lösung ist nicht in Sicht. Ob Müllverbrennungsanlagen die Folienabfälle gerne nehmen werden oder nicht, weil der relativ hohe Heizwert der Folienabfälle den Durchsatz beschränkt, ist eine andere Frage.

Das alles klingt nach tiefgreifenden Veränderungen am Altkunststoff-Markt.

Wir beobachten derzeit gewaltige Umstrukturierungen. Alle, die schlechte Qualitäten haben, und diese Qualitäten nicht zu marktfähigen Produkten aufbereiten, können weder am deutschen noch am internationalen Markt bestehen. Auch die Sortierunternehmen stehen wie erwähnt unter Druck. Gleichwohl haben sie noch den Vorteil, dass es aktuell zu wenig Sortieranlagen gibt und sie sich das Material aussuchen können. Am besten ist die Marktlage für die Kunststoffrecycler, aber auch hier beobachten wir Aufkäufe der kunststoffherstellenden und der kunststoffverarbeitenden Industrie.

Möglicherweise wird alles gar nicht so schlimm kommen, weil China mit der Ankündigung des Importverbots nur die Muskeln spielen lässt, um die Märkte zur Lieferung besserer Qualität zu disziplinieren. Halten Sie es für möglich, dass China das Importverbot gar nicht umsetzen wird?

Nein, das glaube ich nicht. China wird die angekündigten Maßnahmen sicherlich umsetzen. Aber möglicherweise wird die Regierung nicht völlig stringent vorgehen. Ich kann mir vorstellen, dass es Phasen geben wird, in denen das Verbot gelockert wird. Das wird dann der Fall sein, wenn China feststellt, dass es bestimmte Materialien doch benötigt. Aber diese Phasen werden kurz sein.

Warum will China ein Importverbot einführen, wenn es möglicherweise gar nicht in der Lage ist, die wegfallenden Mengen selbständig zu kompensieren?

Nun, das fragen sich einige. Noch ist China auf einen gewissen Mengenimport angewiesen. Das wird auch noch zwei Jahre so bleiben. Aber vermutlich will China das Importverbot zum Anlass nehmen, die eigene Sammlung von Kunststoffabfällen zu verbessern. Aber das braucht Zeit. Deswegen denke ich, dass die Tür nicht komplett geschlossen sein wird. In manchen Phasen werden Importe vermutlich wieder zugelassen, aber eben nur dann, wenn China Material braucht. Chinas Akzeptanz von gemischten Abfällen dürfte vorbei sein, das steht wohl fest. Andere Kunststoffabfälle hingegen wird die Volksrepublik weiterhin auf den Weltmärkten einkaufen.

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