Norbert Rethmann zur aktuellen Marktlage

Was tun gegen die schwierigen Marktverhältnisse? Innovativ sein, empfiehlt Norbert Rethmann. Mit neuen Geschäftsmodellen und neuen Recyclingverfahren. Remondis hat diesen Kurs längst eingeschlagen.

„Wir müssen Lösungen anbieten“


Vergangene Woche war einer der seltenen öffentlichen Auftritte von Norbert Rethmann zu beobachten. Der Ehrenvorsitzende des Aufsichtsrats der Rethmann-Gruppe war zu Gast beim bvse-Schrottforum in Köln. Sein Vortrag hatte den Wandel von der Entsorgung- zur Rohstoffwirtschaft zum Thema. Es ist immer interessant zu hören, welche Geschäftspolitik der Branchenführer Remondis verfolgt – in der aktuellen Marktlage gilt dies umso mehr.

Remondis hat über 500 Standorte in 34 Ländern mit insgesamt 448 Anlagen. Pro Jahr gewinnt der Branchenriese 30 Millionen Tonnen Wertstoffe zurück. Remondis ist der größte Entsorgungskonzern in Deutschland, er übernimmt ein Unternehmen nach dem anderem, er finanziert den Entsorgerverband BDE und unterstützt zugleich die kommunale Forderung nach Abschaffung der dualen Systeme. Der Konzern verfolgt konsequent seine eigenen Interessen, doch wer mit anderen Branchenvertretern spricht, hört selten ein Wort der Häme oder Kritik. Im Gegenteil: In der Regel schwingt viel Anerkennung mit.

Unterschwelle von 30 Prozent Eigenkapital

Derjenige, der Remondis groß gemacht hat, ist Norbert Rethmann. Er hat 1961 die Leitung des elterlichen Unternehmens übernommen. Damals war es vor allem ein Transportunternehmen, „noch alles weitgehend mit Pferd und Wagen“, wie Rethmann erzählt. 1959 erhielt das Unternehmen den ersten Entsorgungsauftrag für eine staubfreie Müllabfuhr in der nordrhein-westfälischen Stadt Selm, damit wurden die Weichen für den weiteren Kurs des Unternehmens gestellt.

Norbert Rethmann war Unternehmenschef und BDE-Präsident, aber im Gegensatz zu anderen Unternehmenslenkern hat er sich früh aus dem Geschäft zurückgezogen. „Ich habe frühzeitig nicht nur die juristische Verantwortung abgegeben, sondern auch die kapitalmäßige“, sagt Rethmann beim bvse-Schrottforum. „Das heißt, ich habe heute an der Unternehmensgruppe nicht ein Prozent Anteil.“ Er habe seine Anteile gleichmäßig auf seine vier Söhne verteilt, die heute alle in der Rethmann-Unternehmensgruppe unternehmerisch tätig sind.

Die Rethmann-Gruppe investiert jedes Jahr 700 Millionen Euro, sagt Rethmann. Dabei gibt es für alle Verantwortlichen klare Regeln. „Unsere Investitionen dürfen nicht zu Lasten der Verschuldung gehen. Das heißt, dass wir als Unterschwelle 30 Prozent Eigenkapital festgelegt haben, und daran haben sich alle zu halten.“ Wenn jemand größere Expansionswünsche habe, müssten die eben zurückstehen.

„Die wollen gekauft werden“

Die Eigenkapital-Regel hindert Remondis offenkundig nicht daran, kräftig bei Unternehmensübernahmen mitzumischen. Kaum ein Monat vergeht, in dem Remondis nicht eine Übernahme verkündet. Doch die Zeiten, als Remondis die Konkurrenten überzeugen musste, dass sie in einem Konzerverbund besser aufgehoben sind, scheinen vorbei zu sein.

Heute treten die Firmen selbst an Remondis heran. Zum Teil aus der Not heraus, weil sie sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, zum anderen aber auch, weil sie glauben, dass aktuell ein guter Zeitpunkt für einen Verkauf ist. „Wir sind derzeit in der Situation, dass wir gar niemanden aus dem Markt verdrängen müssen, sondern sehr viele zu uns kommen“, bestätigt Rethmann. „Die wollen gekauft werden.“

Das hat viel mit den aktuellen Preisen und Ertragserwartungen für die Zukunft zu tun. Auch Remondis würde sich höhere Schrottpreise wünschen, sagt Rethmann. Deshalb könnten die Kommunen ruhig versuchen, in der Schrottwirtschaft Fuß zu fassen. „Lasst die Kommunen doch mal ran. Die sollen mal so einen Preisabsturz beim Schrott miterleben. Und dann merken die auch, was es heißt, selbständiger Unternehmer und in solchen Märkten zu Hause zu sein.“

Seine persönliche Meinung ist, dass das Wertstoffgesetz ohnehin nicht kommen wird. „Machen Sie sich keine Sorgen um das Wertstoffgesetz“, sagt Rethmann. „In dieser Wahlperiode wird es nicht mehr kommen. Da müsste schon fast ein Wunder geschehen, bei all den unterschiedlichen Meinungen.“

Andere Aufbereitungstechnologien

Wer als Recyclingunternehmen weiterhin Erfolg haben will, muss sich nach Rethmanns Überzeugung richtig aufstellen. Für den Stahlschrottmarkt heißt das, dass man als Recycler die hohen Anforderungen der Stahlindustrie erfüllen muss. „Die wollen nicht mehr Mischschrotte haben“, betont Rethmann. „Die wollen klar definierte Schrotte haben.“ Die Ansprüche an die Unternehmen zur Aufarbeitung und Sortierung von Schrotten werden seiner Meinung nach extrem hoch werden, um Schrotte künftig überhaupt noch verkaufen zu können. Dafür benötige man ganz andere Aufbereitungstechnologien.

Folge man diesem Ansatz, liege auch im Elektroschrott-Recycling durchaus Potenzial. Aber nicht in der Erfassung und im Shreddern der Geräte, sondern in der stärkeren Aufbereitung der Stoffe, wie Rethmann betont. „Das wird die Zukunft sein, und wer da keine Antwort darauf hat, der wird in diesem Markt nicht bestehen können.“ Vom Einsammeln und Shreddern von Elektronikschrott alleine werde ein Recycler nicht leben können. „Wenn Sie die Aufbereitung von Seltenen Erden und anderen seltenen Stoffe nicht miteinbeziehen, wird die E-Schrott-Aufbereitung langfristig keinen Erfolg haben. Wir sind da noch am Anfang, das gebe ich gerne zu, aber wir haben im vergangenen Jahr immerhin schon 120 Tonnen Silber und 500 Kilogramm Gold zurückgewonnen.“

Miete für Mulden

Remondis experimentiert auch in anderen Segmenten, beispielsweise beim Lösemittelrecycling. Derzeit gewinnt das Unternehmen 17.000 Tonnen Lösungsmittel zurück. Rethmann hatte die Idee, die Lösungsmittel abzufüllen und an Baumärkte zu verkaufen. Als diese die Namen Rethmann und Remondis hörten, wollten sie es nicht, weil dadurch klar war, dass es aus Abfällen besteht. Seither wird es unter anderem Namen verkauft – mit Erfolg.

Eine neue Idee, die Remondis verfolgt, ist ein mehrstufiges Verfahren, um aus Säuren und Laugen Farben herzustellen. „Im letzten Jahr waren wir bei 5.000 Tonnen“, sagt Rethmann. „Unsere Zielsetzung ist, mindestens 50.000 Tonnen Farbe herzustellen – als Vorlieferant für BASF oder andere Farbhersteller.“

„Auf uns wartet keiner mit unseren Sekundärrohstoffen“, stellt Rethmann klar. „Wir selbst müssen der Industrie Lösungen anbieten. Und wir müssen unsere Unternehmen umstrukturieren in Richtung Werbung für unsere Materialien.“

Bleibt das Problem der schlechten Marktpreise. Auch hierauf weiß Rethmann eine Antwort. Er empfiehlt, für Mulden eine Miete zu verlangen und auf diese Weise die Kunden an der Preisentwicklung zu beteiligen. Auch dann, wenn der Preis wieder nach oben geht. Es gehe darum, Grundeinnahmen zu haben, sagt Rethmann. „Bei diesen Preisen, die wir derzeit haben, ist mittel- bis langfristig nicht anderes zu machen.“

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