Interview zur TA Luft

Die Novellierung der TA Luft steht kurz vom Abschluss. Große Teile der Entsorgungswirtschaft kritisieren vor allem die geplante Verschärfung von Grenzwerten. BDE-Referentin Sandra Giern erklärt im Interview, welche Vorschriften sie für überzogen hält und welche Probleme auf die Recycler zukommen könnten.

„Wir sehen eine gewisse Beratungsresistenz“


Die Überarbeitung der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) ist in den letzten Zügen. Die Verwaltungsvorschrift enthält unter anderem Grenzwerte und Berechnungsvorgaben für Luftschadstoffe und gibt Vorgaben für rund 50.000 genehmigungsbedürftige Anlagen – darunter fallen auch Anlagen der Recyclingwirtschaft. Das Papier befindet sich derzeit in der Abstimmung zwischen dem Bundesumwelt- und dem Wirtschaftsministerium. Anschließend muss die Novelle noch durch den Bundesrat – der Bundestag ist an der Überarbeitung nicht beteiligt. BDE-Referentin Sandra Giern erklärt, bei welchen Punkten sie immer noch Verbesserungsbedarf sieht.

Frau Giern, wir haben uns bereits vor zwei Jahren über die Novelle der TA Luft unterhalten. Damals haben Sie unrealistische Grenzwerte für Formaldehyd beklagt. Wurden Ihre Einwände inzwischen berücksichtigt?

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Ja, durchaus. Bei Formaldehyd für den Abfall- und Deponiebereich bleibt es bei dem bereits bestehenden Wert – auf die drastische Verschärfung wurde verzichtet, da wir beweisen konnten, dass die Erfassung von Deponiegasen im Deponiebereich eine auslaufende Technik ist, da mit der Umsetzung der TASi in 2005 die Ablagerung unbehandelter Abfälle eingestellt wurde. Somit ist die Ausgasung aus der Deponie endlich, da das Material mittlerweile vorbehandelt wird und somit das Reaktionsverhalten reduziert wird. Es wurde in dem Entwurf aber sinngemäß festgehalten, dass der Deponiebetreiber die bestmögliche Technik anzuwenden hat, um den Formaldehydwert zu senken.

Konnten Sie sich auch mit anderen Forderungen durchsetzen?

Leider nur begrenzt. Wir waren zunächst ganz positiv angetan, weil die Gespräche zum Abfallbereich im Vorfeld so spezifisch und konstruktiv waren und uns gesagt wurde, dass einiges noch angepasst wurde. Der Referentenentwurf Ende vergangenen Jahres war dann aber für uns sehr ernüchternd. Bei der Verbändeanhörung hat man gemerkt, dass es auch allen anderen Interessensvertretern so geht. Das sieht man auch daran, dass die Stellungnahme des Bundesverbands der Industrie über 50 Seiten hat. Viele unserer Einwände wurden einfach ignoriert.

Was sind Ihre Hauptkritikpunkte?

Zusammengefasst ist das große Problem, dass die geplanten Verschärfungen in vielen Bereichen weit über die europäischen Vorgaben hinausgehen. Das bedeutet für die Anlagenbetreiber deutlich höhere Kosten. Es ist ja schön und gut, dass Deutschland in Europa Vorreiter bleiben soll. Aber wenn beispielsweise bei der mechanischen Behandlung von Abfällen der europäische Grenzwert für Gesamtstaub bei 10 Milligramm pro Kubikmeter liegt – warum müssen es bei uns dann 5 Milligramm seien? Unsere Unternehmen stehen schließlich auch im Wettbewerb mit anderen Behandlungsanlagen in Europa.

Wie erklären Sie sich die überstrengen Vorgaben?

Die Mitarbeiter im BMUB und im UBA orientieren sich meiner Einschätzung nach verstärkt an theoretisch ermittelten Werten, bzw. an vereinzelten Anlagen, die entsprechend strenge Grenzwerte einhalten. Außer Acht gelassen wird, dass es Differenzierungen bzgl. Inputmaterial und der darauf anzuwendenden Technik gibt. Diese Komponenten muss man sich ganz genau anschauen, bevor man von einer Anlage auf alle anderen Anlagen in Deutschland schließt. Es ist uns klar, dass ein BMUB-Mitarbeiter nicht jede Anlage in Deutschland besuchen kann, aber dafür wären in der Regel die Gespräche mit den Verbänden auch eine Hilfestellung, leider sehen wir hier mittlerweile eine gewisse Beratungsresistenz.

Aber die TA Luft regelt nicht nur neue Grenzwerte, oder?

Nein, sie regelt auch Anforderungen an den Betrieb und die Auslegung der baulichen Anlagen. So sind neben der deutlichen Verschärfung der Emissions- und Immissionswerte beispielsweise auch Vorgaben geplant, die die Betriebsführung betreffen.

Was ist konkret vorgesehen?

Beispielsweise werden für die Behandlung von Verpackungs- und Gewerbeabfällen Anforderungen an die baulichen Anlagen formuliert, welche vorsehen, dass loses Material grundsätzlich in geschlossenen Räumen zu lagern ist. Dabei ist das für viele Stoffe völlig unnötig – allen voran für diejenigen, die keine bis nur geringfügige Anhaftungen haben.

Wie sollten die Vorgaben Ihrer Meinung nach aussehen?

Durch die Verwaltungsvorschrift TA Luft sollte lediglich ein Rahmen gesetzt werden, der in Abhängigkeit der örtlichen Gegebenheiten zur Anwendung kommt. Die Ausgestaltung der Anforderungen an die Anlagen sollte am Objekt selbst und mit entsprechendem technischem Sachverstand zwischen Betreiber und Behörde abgestimmt werden. Weiterhin stellt sich die Frage, was der Gesetzgeber mit der Begrifflichkeit “loses Material” definieren möchte. Lose Materialen können sortenreine Stoffströme sein, welche nach der Behandlung als Sekundärrohstoffe in die Produktion gehen. In diesem Zusammenhang wäre es unbegründet, dass diese vornehmlich in geschlossenen Räumen zu lagern wären. Aktuelle Genehmigungen erlauben zum Beispiel einem Wertstoffhof, die Nutzung von Freiflächen in Form von Boxenanlagen zur Vorsortierung oder Lagerung von Material. Warum muss das zurückgenommen und angepasst werden?

Sind noch weitere Vorschriften dieser Art geplant?

Ja, durchaus. Unter anderem sollen bei Schrottplätzen die gesamten Betriebsflächen eine geschlossene Untergrundfläche haben – auch das geht weit über die derzeit gültigen Vorgaben hinaus. Genauso überzogen ist die Forderung, dass manche Emissionsmessungen deutlich öfter als bisher gemacht werden müssen – auch das ist EU-weit an sich geregelt. Darüber hinaus sind für den Bioabfallbereich Verschärfungen bei den Grenzwerten vorgesehen sowie schärfere bauliche und betriebliche Vorschriften, die wir für überzogen halten.

Um welche Vorschriften handelt es sich hierbei?

Hervorzuheben sind die geplanten Grenz- und Zielwerte für organische Stoffe im behandelten Abgas. Diese sind für Kompostierungsanlagen und für Vergärungsanlagen gleichermaßen bei 0,40 beziehungsweise 0,25 Gramm pro Kubikmeter, angegeben als Gesamtkohlenstoff, angesetzt. Große Vergärungsanlagen mit einer Behandlungskapazität von 50 Tonnen pro Tag und mehr dürfen zusätzlich im Jahresmittel einen Gesamtkohlenstoffgehalt von 0,2 Gramm pro Kubikmeter nicht überschreiten. Neue Anlagen dieser Größe müssen den Gesamtkohlenstoff dann noch kontinuierlich messen, so dass hier indirekt eine Pflicht zur geschlossenen Nachrottefläche und einem geschlossenen Biofilter vorgegeben wird.

Welche Probleme entstehen durch diese Grenz- und Zielwerte?

Man muss wissen, dass diese Grenzwerte nur mit zusätzlichen Maßnahmen zu erreichen sind und nur von einer Anlage in Deutschland echte Erfahrungswerte vorliegen. Das halten wir für keine ausreichende Basis, um Grenz- und Zielwerte dieses Ausmaßes vorzugeben. Unsere Anregung, zunächst ein Monitoring-Programm für Kohlenstoff zu starten, blieb bislang unberücksichtigt. Auch der Entwurf des aktuellen BREF-Dokumentes sieht es nicht vor, den Kohlenstoff an Bioabfallbehandlungsanlagen zu messen. Deutschland geht hier weit über die Vorgaben aus Europa hinaus.

Der Entwurf zur TA Luft befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, noch Änderungen zu bewirken?

Wir hoffen hier noch, entsprechend Gehör zu bekommen. Der Entwurf ist vom Bundesumweltministerium vorgelegt worden, die Beratung mit dem Bundeswirtschaftsministerium ist noch nicht erfolgt, der Referentenentwurf ist bis dato nicht mit den Ressorts abgestimmt. Entsprechend haben wir uns bereits an das Wirtschaftsministerium gewandt. An den Bundesrat, der noch über das Papier beraten muss, wenden wir uns natürlich parallel.

Wie sieht der weitere Zeitplan für das Novellierungsverfahren aus?

Das Umweltministerium strebt weiterhin einen Kabinettsbeschluss zum 24. Mai an, anschließend soll das Bundesratsverfahren starten.

© 320°/ek | 09.05.2017

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