Kommentar

Nach EEW und Scholz ist nun auch bei Alba ein chinesischer Investor eingestiegen. Die Schweitzer-Brüder haben dafür die Mehrheit an ihren lukrativsten Unternehmensbereichen abgegeben. Der Verkauf eröffnet Chancen, erhöht aber auch den Druck auf Albas defizitäre Schrottsparte. Ein Kommentar.

Zäsur bei Alba


Von Stephan Krafzik

Das Metallrecycling bereitet längst keine Freude mehr. Die Margen, die noch erzielbar sind, sind nicht der Rede wert, das gilt vor allem für den Stahlschrotthandel. Wer noch Effizienzreserven hat, versucht sie zu nutzen, und wer keine mehr hat, der hofft, dass sich der Markt irgendwann drehen wird.

Die Frage ist nur, ob und wann der Markt sich drehen wird. Mit dem Wachstumsrückgang in China sind die Metallschrottmärkte in Europa ins Wanken geraten. Fallende Preise und Überkapazitäten in China, die in Billigexporten nach Europa abgesteuert werden, haben die Schrottmärkte nach unten gezogen. Dringend nötig wäre ein Ersatz für die Nachfragelücke, die China aufgerissen hat, doch ein Heilsbringer ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: In Europa geht der Trend eher in Richtung Kapazitätsabbau und auch Indien, stets ein Kandidat für die Übernahme der Wachstumslokomotive, erfüllt bislang nicht die Hoffnung, die manche auf das Land setzen.

Fast alle Metallrecyclingbetriebe treten deshalb auf die Kostenbremse. Ob die Einsparungen ausreichen werden, um die Schieflage auszugleichen, bleibt abzuwarten. Schon jetzt stehen viele Mittelständler bei Remondis Schlange, um ihren Betrieb zu verkaufen. Die Kombination von schlechten Marktbedingungen und behördlichen Auflagen hat ihnen die Luft für das wirtschaftliche Überleben abgeschnürt, aber auch die Lust am Unternehmertum verdorben. Letzteres ist die eigentliche Gefahr, die im Raum steht.

Schuldenabbau durch Beteiligungserlös

Die Misere macht vor den Großen dieser Branche nicht Halt, wie die Beispiele Scholz und Alba zeigen. Scholz, ein reiner Metallrecycler, stand vor der Pleite und wurde vom chinesischen Metallrecycler Chiho-Tiande geschluckt. Albas Schrottsparte schreibt rote Zahlen. Dass der Berliner Recyclingkonzern im vergangenen Jahr dennoch ein Ergebnisplus auswies, liegt lediglich an der Dienstleistungsparte, zu dem das duale System von Interseroh und der Betrieb von Sortieranlagen zählt.

Nun hat Alba die Mehrheit an der ertragreichen Unternehmenssparte Dienstleistungen und am aussichtsreichen China-Geschäft verkauft. Die offizielle Sprachregelung lautet, dass damit das Wachstum vorangetrieben werden soll. Das sollte man nicht bezweifeln, dürfte aber trotzdem nur die halbe Wahrheit sein.

Dass Alba wirtschaftliche Probleme hat, ist hinreichend bekannt. Deshalb glauben Branchenvertreter auch vielmehr an die These, dass die Banken Alba gedrängt haben, auch die Dienstleistungssparte zu verkaufen. Immerhin, plausibel klingt diese These durchaus. Welcher Familienunternehmer gibt schon freiwillig die Mehrheit an den lukrativsten Unternehmensbereichen ab?

Gestützt wird diese These durch eine Ad hoc-Mitteilung von Alba. Demnach wird die Berliner Unternehmensgruppe den Erlös aus dem Verkauf der 60 Prozent-Beteiligung vor allem dazu verwenden, ihre Schulden zu reduzieren. Eine Wachstumsfinanzierung ist der Anteilsverkauf also nicht.

Druck auf Schrottsparte steigt

Was auch immer die wahren Motive für den Deal sind: Die Mehrheitsbeteiligung bietet in der Tat die Chance auf Wachstum. Denn hinter dem Fonds, der den 60 Prozent-Anteil an den beiden Alba-Sparten erworben hat, steht die chinesische Familie Deng, die wiederum an der chinesischen Umweltfirma Techcent beteiligt ist. Techcent hatte im März Schlagzeilen gemacht, als die Firma die Bilfinger Water Technologies GmbH übernommen hat.

Die Familie Deng wird Albas Know-how auf den chinesischen Markt übertragen wollen. Wenn die Geschäfte gut laufen, kann Alba hiervon als Minderheitsgesellschafter profitieren. Im besten Fall entwickelt sich das Wachstum so gut, dass Alba die verlorengegangenen 60 Prozent am Ergebnis der Dienstleistungssparte überkompensieren kann. Und: Durch die Schuldentilgung verfügt Alba auch über mehr finanziellen Spielraum, um mögliche Expansionsvorhaben der Familie Deng als Partner begleiten zu können.

Allerdings wird sich das Wachstum vermutlich nicht kurzfristig einstellen. Das wiederum erhöht den Druck auf Albas defizitäre Schrottsparte. Denn trotz aller Maßnahmen zur Effizienzsteigerung verursachte der Bereich Metallrecycling im ersten Halbjahr 2016 einen Verlust von 2 Millionen Euro. Im Gesamtjahr 2015 beliefen sich die Verluste in diesem Segment auf 21,2 Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr konnte das Minus im Schrottsegment durch das Ergebnis der Dienstleistungssparte (+31,1 Millionen Euro) mehr als ausgeglichen werden. Übrig blieb ein Vorsteuerergebnis der gesamten Alba-Gruppe in Höhe von 9,9 Millionen Euro. Aber ab 2017 steht das Ergebnis der Dienstleistungsparte nur noch in Höhe des Alba-Anteils, also zu 40 Prozent zur Verfügung. Auf Basis des Ergebnisses von 2015 wären das 12,4 Millionen Euro, die die Familie Deng an die Familie Schweitzer überweisen würde.

Im Jahr 2015 hätte diese Konstellation zu einem dicken Minus geführt, doch bis Ende 2017, wenn zum ersten Mal ein volles Geschäftsjahr unter den neuen Eigentumsverhältnissen abgerechnet wird, wird Alba das Schrottgeschäft wohl restrukturiert haben. Somit könnte Alba tatsächlich die Weichen für mehr Wachstum gestellt und zugleich den angeblichen finanziellen Engpass überwunden haben. Der Preis dafür ist, dass nun Vertreter des chinesischen Fonds mit am Vorstandstisch sitzen. Dann kann gut sein, oder auch nicht.

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