Klagen gegen Abfallgebühren

Seit Anfang des Jahres gilt in Hannover eine neue Abfallgebührensatzung. Sehr zum Missfallen der Bürger: Auf den Zweckverband aha rollt eine Klagewelle zu.

Aufstand der Bürger


Ingo Behrens entkommt ein kleiner Seufzer: „Gestern waren es bereits 1.300 Klagen“, sagt der Sprecher des Verwaltungsgerichts in Hannover. „Vermutlich werden alleine heute so um 300 neue dazu kommen.“ Das bedeutet viel Arbeit für die Gerichtsmitarbeiter. Jede einzelne Klage muss aufgenommen und eine Akte angelegt werden. Eine Abnahme der Klageflut ist erstmal nicht in Sicht. Grund für die zahlreichen rechtlichen Schritte ist die neue Gebührensatzung des Zweckverbands Abfallwirtschaft Hannover – kurz aha. „Viel zu teuer“, lautet das Urteil der verärgerten Bürger, die nun scharenweise vor Gericht ziehen.

Die Satzung von aha gilt seit Anfang dieses Jahres. Schon deren Zustandekommen war mehr als holprig. Im Jahr 2012 erklärte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) die Abfallgebührensatzung aus dem Jahr 2010 für unwirksam. Das damalige Normenkontrollverfahren richtete sich im Wesentlichen gegen das uneinheitliche aha-Modell für die Restmüllentsorgung. In dem Modell galten unterschiedliche Gebühren für die Sackabfuhr im Umland und die Tonnenabholung in der Stadt Hannover. Das OVG entschied damals, dass für beide Abfuhrsysteme eine gleichartige Gebührenerhebung gelten solle. Außerdem sei es rechtswidrig, die Haushalte – egal bei welcher Größe – mit derselben Grundgebühr zu belasten. Die Grundgebühr für die Sackabholung, so hieß es, sei generell zu hoch.

Nach dem OVG-Urteil von 2012 bastelte aha an einer neuen Gebührensatzung. Diese gilt nun seit 1. Januar 2014. Die wesentlichen Änderungen sind unter anderem:

  • Die Tonne gilt auch in den Umlandregionen als Regelsystem. Der Sack kann aber übergangsweise oder wenn es keinen Platz für eine Tonne gibt weiter genutzt werden.
  • Es gibt eine neue einheitliche Grundgebühr von 29 Prozent der Höhe der Gesamtentsorgungskosten. Diese setzen sich aus 19,5 Prozent pro Haushalt und 9,5 Prozent pro Grundstück zusammen.
  • Hinzu kommen Mindestkosten für das Volumen von Sack oder Tonne – die Mindestmenge liegt bei 10 Liter pro Woche und Einwohner.
  • Wer mehr als 10 Liter Abfall pro Woche wegwirft, kann weiteres Volumen kostenpflichtig dazubuchen.

Schon bei der Vorstellung der neuen Gebührensatzung im vergangenen Jahr sagte aha-Geschäftsführerin Kornelia Hülter: „Bei einer solch komplexen Systemumstellung gibt es naturgemäß Gewinner und Verlierer.“ Besonders die Verlierer gehen jetzt auf die Barrikaden. In manchen Fällen – so schreibt es die örtliche Presse – müssen die Bewohner oder Hausbesitzer das Doppelte der ursprünglichen Gebühr bezahlen. Besonders betroffen sind die Hannoveraner selbst: Früher haben sie nur das Tonnenvolumen gezahlt, nun kommt die Grundgebühr dazu.

Nach Angaben von aha verteuert sich jetzt für jeden der 578.000 Haushalte in der Region Hannover die Müllentsorgung im Schnitt um 25,01 Euro pro Jahr. Insgesamt könnten das Mehreinnahmen von 14,5 Millionen Euro bedeuten. Allein die Umstellung des Müllsystems im Umland kostet laut aha insgesamt 19,2 Millionen Euro. Außerdem dürfe aha keine Gewinne machen, mögliche Mehreinnahmen würden zurück ins System fließen.

Die Bürger lassen sich von einer Erklärung wie dieser nicht besänftigen. Schon im Dezember vergangenen Jahres reichte ein Ehepaar beim OVG Lüneburg einen Normenkontrollantrag ein. Die Begründung der Kläger: Die Grundgebühr darf sich nicht aus zwei Maßstäben zusammensetzen und das Mindestabfallvolumen von 10 Litern pro Person und Woche sei viel zu hoch bemessen. Das Verfahren läuft seither, derzeit wird aha um eine Stellungnahme gebeten. Wer also von einem möglichen Aus der aktuellen Gebührensatzung profitieren will, der muss beim Verwaltungsgericht Klage gegen seinen erhaltenen Bescheid einreichen. Und das machen die Hannoveraner gerade in Scharen. „Einspruchsberechtigt sind allerdings nur Grundstücks-, Haus- oder Wohnungseigentümer“, sagt Ingo Behrens. Seit der Abschaffung von Widerspruchsverfahren ist die Klage beim Verwaltungsgericht für die Bürger die einzige Möglichkeit, sich zu wehren.

Derzeit werden beim Verwaltungsgericht die Klagen zunächst alle aufgenommen. Einige hundert mehr werden es wohl noch werden. „Die Einspruchsfrist liegt bei vier Wochen nach Zustellung des Bescheids“, sagt Behrens. „Die Bescheide gingen zwischen 10. und 12. Januar raus, da wird also noch was kommen.“ An sich möchte das Verwaltungsgericht die Entscheidung im Normenkontrollverfahren abwarten. Dieses Urteil wird sich dann auch auf die Einzelklagen auswirken.

„Sollte das OVG zu lange brauchen, werden wir ein paar Klagen als Musterklagen behandeln und danach selbst entscheiden“, sagt Behrens. Sollten die Einsprüche Erfolg haben, wird der Gebührenbescheid aufgehoben und aha muss eine neue Satzung erstellen. „Das muss aber nicht für alle billiger werden“, gibt Behrens zu bedenken. „Oft geht es ja nur um eine Umverteilung der Kosten – die Müllabholung kostet eben, was sie kostet. Im schlimmsten Fall wird es für einige dann sogar teurer.“

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