Erweiterte Produzentenverantwortung

Das Verursacherprinzip hat die Abfallbewirtschaftung deutlich verbessert. Aber nun sieht die European Recycling Platform die Rücknahmesysteme in einer kritischen Phase. Es mangelt am Zugriff auf das Material.

Den Wechsel verschlafen


Wer hätte gedacht, dass die viel geschmähte Verpackungsverordnung und die heftig kritisierten Dualen Systeme auch einmal als Vorbild herhalten können? In einer Studie der European Recycling Platform zur erweiterten Produzentenverantwortung (Extended Producers Responsibility EPR) wird genau dies getan. Darin wird der deutschen Verpackungsentsorgung Modellcharakter bescheinigt.

Das Konzept „hat sich als so erfolgreich erwiesen“, dass es nicht nur europaweit modifiziert übernommen wurde, sondern in vergleichbarer Form auch in anderen Teilen der Welt, heißt es in der Studie. Die EPR sei in der Zwischenzeit auch auf weitere Produktbereiche und Abfallströme ausgeweitet worden. Zugleich habe aber ein Paradigmenwechsel stattgefunden, der das System teilweise ineffizient macht.

Entstanden ist das Konzept der Produzentenverantwortung zu einer Zeit, als Abfall als reiner Kostenfaktor gesehen wurde, für den der Verursacher bezahlen muss. Die gestiegenen Rohstoffpreise haben in der Zwischenzeit allerdings dazu geführt, dass „Abfall mehr und mehr als eine potenzielle sprudelnde Gewinnquelle betrachtet wird“, wie es in der Studie heißt. Das bedeutet nichts anderes, als dass Abfall für viele Akteure sehr attraktiv geworden ist. Somit gelange nur ein Bruchteil der tatsächlich anfallenden Müllmengen überhaupt in die Hände der Rücknahmesysteme, der Producer Responsibility Organisations (PRO). Die Hersteller müssten zwar das Recycling finanzieren, verlören aber den Zugriff auf die gebrauchten Produkte und die darin steckenden Materialien.

Das Problem macht die Studie anhand der Entsorgung von Elektroaltgeräten deutlich. Durch die WEEE-Richtlinie über Elektro- und Elektronikschrott ist den Herstellern ein zusätzlicher Verwaltungsaufstand entstanden, hauptsächlich durch Registrierungs- und Berichterstattungspflichten. Im Jahr 2007 hätten die Kosten europaweit zwischen 36,7 und 42,8 Millionen Euro betragen. Die durch die Direktive entstandenen technischen Kosten hätten sich 2005 auf 764 Millionen Euro belaufen. Prognosen der United Nations University zufolge könnten diese Kosten bis 2020 könnten durchaus in Richtung 3 Milliarden Euro gehen.

Dadurch, dass mit den meisten Sammelgruppen inzwischen erhebliche Erlöse erzielt werden können, würden gleichzeitig immer weniger Altgeräte in den Händen der Hersteller landen. „Das reduziert die Erlösmöglichkeiten aus den wiederverwertbaren Materialien“, heißt es in der Studie. Nach Meinung der Autoren werden die Hersteller dadurch erheblich in ihrer Produktverantwortung gehindert. Der Verband zur Rücknahme und Verwertung von Elektro- und Elektronikaltgeräten (VERE) und die Stiftung ear üben eine fast gleichlautende Kritik.

„Veraltete EPR-Gesetzgebung über Bord werfen“

Andere Bremsklötze für ein effektives Arbeiten der PRO sehen die interviewten Stakeholder in den Abfallregelwerken der einzelnen EU-Staaten, die nicht aufeinander abgestimmt seien und verwaltungstechnisch extrem komplex seien. Zudem befürchten die Stakeholder unerwartete Änderungen in den Gesetzgebungen. Auch ein geändertes, auf ein Recycling hin ausgelegtes Produktdesign berge Unsicherheiten hinsichtlich der Abfälle, die in Zukunft in die Recyclingkette gelangen.

Um sich den aktuellen und zukünftigen Marktgegebenheiten anzupassen und die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen zu meistern, müsste die „veraltete EPR-Gesetzgebung über Bord geworfen werden“, heißt es in der Studie. Statt des starren Systems sollten nur einige generelle Prinzipien von der Europäischen Kommission formuliert werden. Auf nationaler Ebene sollten die entsprechenden Behörden die ERP-Märkte dem Wettbewerb weiter öffnen. Denn im Wettbewerb sieht die Studie den besten Anreiz, um die Leistung und Wirtschaftlichkeit der Herstellerorganisationen zu steigern.

Auch die Organisationen für die Herstellerverantwortung werden in die Pflicht genommen, eine aktive Rolle zu spielen, um die Effizienz der ERP zu steigern. Diese Organisationen stünden momentan an einem kritischen Punkt hinsichtlich ihrer zukünftigen Strategie, Zielrichtung und Rolle innerhalb des Systems der Produzentenverantwortung.

Die EPR-Gesetzgebung habe ganz klar den Paradigmenwechsel verschlafen und sich nicht auf die neuen Gegebenheiten eingestellt. „Die ERP-Gesetzgebung entspricht nicht mehr der Realität auf den Abfallmärkten“, kritisieren auch die Verfasser der Studie. Aus einem Rechtsinstrument hätte sich die EPR zu einem Markt entwickelt, der von vielfältigen Interessen gesteuert werde. Das habe zu einem ineffizienten und teilweise nichtfunktionierenden System geführt.

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