Diskussion um Erneuerbare Energien
Der Fachverband Biogas wirft „Spiegel Online“ Polemik vor. Der Verband reagiert damit auf einen kritischen Bericht über die Förderung Erneuerbarer Energien. Lesen Sie hier das Schreiben des Verbands im Wortlaut:
„Eine großartige Chance nicht totschreiben“
Als „Wahnwitz mit System“ bezeichnet Jan Fleischhauer in seiner Kolumne auf „Spiegel Online“ das Fördersystem für Erneuerbare Energien. Der Fachverband widerspricht vehement und hat nun eine Gegenposition veröffentlicht. 320° veröffentlicht im Folgenden die Position im Wortlaut:
„900 Euro im Jahr? So viel muss eine vierköpfige Familie zu viel für den Strom bezahlen, schreibt Jan Fleischhauer in seiner Kolumne „Der schwarze Kanal“ auf SPIEGEL Online. Zu den Fakten: Ein Vier-Personen-Haushalt hat einen jährlichen Stromverbrauch von rund 4.000 Kilowattstunden. Bei einem durchschnittlichen Strompreis von 27 Cent je Kilowattstunde liegen die jährlichen Stromkosten demnach bei 1.110 Euro im Jahr – die gesamten Kosten wohlgemerkt, und nicht nur den Aufschlag, den der Verbraucher für die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG-Umlage) bezahlen muss.
Fleischhauer verschweigt in seiner Polemik zudem, warum die EEG-Umlage in diesem Jahr auf 6,4 Cent /kWh gestiegen ist. Im Prinzip sollte die EEG-Umlage von allen Stromverbrauchern, ob privat oder gewerblich, bezahlt werden. Die Zahl der Betriebe mit hohem Stromverbrauch, die von der EEG-Umlage befreit werden, ist sprunghaft angestiegen. Nach Angaben des zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) erhalten in diesem Jahr 2.098 Unternehmen mit 2.779 Abnahmestellen einen Abschlag auf ihre Stromrechnung. Das entspricht einer Entlastung der deutschen Wirtschaft von 5,1 Milliarden Euro.
Die Politik begründet das damit, dass diese Betriebe international im Wettbewerb stehen würden und bei hohen Strompreisen nicht mehr konkurrenzfähig wären. Die EU-Kommission sieht in der Ausgleichsregelung eine Wettbewerbsverzerrung und hat ein Beihilfeverfahren eingeleitet. Ohne Medienberichte von Hähnchenmästern und Golfplatzbetreibern, die von der EEG-Umlage befreit sind, weiter zu kolportieren: Nicht geleistete Zahlungen der EEG-Umlage erhöhen schließlich den Betrag, den private Stromkunden und kleine Gewerbetreibende zu zahlen haben.
Was auch unterschlagen wird: Eine hohe EEG-Umlage bringt dem Staat in diesem Jahr Mehreinnahmen von rund zwei Milliarden Euro. Das kommt daher, weil auf die Steuern und Abgaben, die im Netto-Strompreis bereits enthalten sind, noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent aufgeschlagen wird.
Sicher, die EEG-Umlage ist auch deshalb gestiegen, weil immer mehr Strom klimafreundlich aus erneuerbaren Quellen produziert und zu den im EEG festgelegten Sätzen vergütet wird. Bei viel Sonne und Wind kann es passieren, dass der grüne Strom die Preise an der Strombörse sinken lässt. Liegt der dort erzielte Preis unter den Vergütungssätzen des EEG, wird der Differenzbetrag durch die EEG-Umlage ausgeglichen. Der Strompreis könnte sogar sinken, wenn die Versorger den zu niedrigen Preisen an der Börse eingekauften Strom an den Verbraucher weitergeben würden.
Von einem „Zuviel“ an Ökostrom kann angesichts eines Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland von 23,4 Prozent ohnehin keine Rede sein. Vielmehr haben die niedrigen Börsenpreise damit zu tun, dass fossile Kraftwerke rund um die Uhr und unabhängig von der tatsächlichen Nachfrage nach Strom produzieren.
So halten inzwischen Braunkohlekraftwerke mit 25,8 Prozent den höchsten Anteil an der Stromversorgung. Weil die Preise für CO2-Zertifikate so niedrig sind, ist es sehr billig, ungehindert Kohlendioxid auszustoßen. Das macht die zudem wenig effizienten Kohlekraftwerke lukrativ.
Diese Effekte sind zusammen mit der zentralen geografischen Lage Deutschlands der Grund dafür, dass die physikalischen Stromflüsse ins Ausland zugenommen haben. Nach vorläufigen Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) weisen diese für 2013 im Saldo einen Überschuss von 33 Milliarden Kilowattstunden aus.
Die größte Strommenge davon ist zwar tatsächlich in die Niederlande geflossen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Strommenge dort im Lande verbraucht oder gar „verklappt“ würde, wie Fleischhauer behauptet. Denn als Transitfluss fließt ein Teil des Stroms in andere Länder wie Belgien und Großbritannien weiter, so der BDEW. Dessen Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller sagt es ganz klar: „Die aktuell hohen Abflüsse ins Ausland bedeuten nicht, dass es überall zu jedem Zeitpunkt einen Überschuss an Strom gibt. Strom muss jederzeit an jedem Ort verfügbar sein.“
Ohnehin ist die Debatte über die Förderung der Erneuerbaren Energien einseitig auf deren vermeintlich hohe Kosten verengt. Dazu tragen Übrigens auch die Berichte und Kommentare wirtschaftsnaher Medien und einiger überregionaler Tageszeitungen bei. „Eine dreiste Form von Lobbyismus“ könnte Fleischhauer so eher der konventionellen Energiewirtschaft nachweisen, wenn er denn kritisch lesen würde.
Bei der Diskussion um die Kosten ist die Minderung der CO2-Emissionen, einstmals ein hohes politisches Ziel, fast vollständig aus dem Blick geraten. Durch Erneuerbare Energien wurden 2012 über 100 Millionen Tonnen Treibhausgase vermieden, davon 82 Millionen Tonnen durch die Stromerzeugung mit EEG-Vergütungsanspruch. Klar, den Energiekonzernen macht die Energiewende zu schaffen. Der Atomausstieg macht den Betrieb ihrer abgeschriebenen und mit Milliarden von Steuergeldern subventionierten Kraftwerke unrentabel, in der dezentralen Stromversorgung sind ihre Gaskraftwerke weniger gefragt. Auf der anderen Seite stehen die Privatpersonen, die mehrheitlich in Solaranlagen, Windräder und Biogasanlagen investiert haben. Sie und nicht ein paar Prominente oder Hedgefonds-Manager haben im Vertrauen auf die Rahmenbedingen des EEG beträchtliche Summen investiert. Auch Energiegenossenschaften erleben einen wahren Ansturm von Bürgern, die Geld investieren und zugleich das Klima schützen möchten.
Es ist traurig zu sehen, wie mit schlecht recherchierten und tendenziösen Artikeln wie jenen des Herrn Fleischhauer Politik gegen die Erneuerbaren Energien und gegen die Energiewende betrieben wird. Und es ist erschreckend, dass sich ein Blatt wie der Spiegel – bzw. eine Plattform wie Spiegel online – für diesen Populismus hergibt. Damit wird eine großartige Chance für Deutschland und die Welt systematisch tot geschrieben.“