Unterflursysteme

In Antwerpen vollzieht sich eine kleine Revolution in der Hausmüllsammlung. In einem Neubaugebiet fährt kein einziger Müllwagen mehr. Stattdessen bringen Anwohner ihre Abfälle zu unterirdischen Abfallcontainern.

Wertstoffhöfe „light“


Das Neubaugebiet in der belgischen Hafenstadt trägt den Namen „Das grüne Viertel“. Dort gibt es so genannte „Sortierstraßen“ mit unterirdischen Abfallcontainern. Orangefarbene Müllwagen sieht man nicht mehr. „Das ist erst der Anfang“, sagt Antwerpens Stadtverordneter für den städtischen Unterhalt, Philip Heylen. „In zehn Jahren wollen wir 80 Prozent der Haushaltsabfälle nicht mehr direkt vor der Haustür abholen.“

Zu diesem Zweck soll das Pilotprojekt bereits im kommenden Jahr auf zwei weitere dicht besiedelte Stadtviertel ausgedehnt werden. Der Masterplan sieht vor, im Stadtgebiet über 230 solcher Sortierstraßen zu installieren. Dabei sollen rund 90 Prozent der betroffenen Bevölkerung nicht weiter als 150 Meter zu einer solchen Abholstraße gehen müssen, verspricht die Stadt. Sie lässt sich dieses System immerhin 22 Millionen Euro kosten.

Vertreter deutscher Kommunen dürften den Pilotversuch mit Interesse verfolgen. Für die Stadtreinigung Hamburg sind Unterflursysteme nichts weniger als das „Entsorgungskonzept der Zukunft“. Die Berliner Stadtreinigung sieht in ihren Unterflursystemen gar „eine Revolution von unten“. Doch nicht alle sind so begeisterungsfähig.

Unterflursysteme gefährden Wertstofferfassung

Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), etwa hält ein Szenario wie in Antwerpen für deutsche Städte für wenig erstrebenswert. Anders als in vielen europäischen Ländern stehen Abfallcontainer in Deutschland auf Privatgrundstücken und nicht im öffentlichen Straßenraum“, erklärt er. Unterflursysteme wären ein Wertstoffhof ‚light‘. Um die bereits erreichte Qualität der Getrenntsammlung zu garantieren, wären vor allem in Großstädten eine zusätzliche Beaufsichtigung und Wartung nötig.

Zum Nulltarif wäre das nicht möglich. „Dies würde wirtschaftliche Ressourcen fressen“, betont Reck. Doch das sehen Hersteller und Nutzer von Unterflursystemen anders. Sie preisen unterirdische Systeme als „wirtschaftlich vernünftige Lösung“. Ein häufig genanntes Argument: Für die privaten Haushalte könnten sich unter Umständen die Müllgebühren reduzieren können. Sind die Sammelsysteme mit einem Chip versehen, bietet sich zum einen die Möglichkeit der verursachergerechten Abrechnung. Jeder Einwurf wird registriert und per Datentransfer an die Berechnungsstelle übermittelt. Zum anderen müssen die Entleerungen durch den Entsorgungsdienstleister nicht mehr wöchentlich direkt vor der Haustür erfolgen.

Auch Entsorgungsunternehmen könnten von Unterflursystemen profitieren. Statt drei Mitarbeitern werde zur Entleerung nur noch ein Mann benötigt, was die Personalkosten erheblich senken würde. Auch bei den Transportkosten könnten die Unternehmen sparen, denn das Behältervolumen der Unterflurcontainer ermögliche größere zeitliche Abstände zwischen den Einsammlungen. Darüber hinaus detektieren moderne Müllcontainer in regelmäßigem Abstand ihren Füllgrad und melden ihn an eine Zentrale, so dass die Sammelfahrzeuge nur dann losgeschickt werden, wenn es erforderlich ist. Damit reduziert sich deren Kraftstoffverbrauch. Und entsprechend sinken die CO2-Emissionen.

Stärkere Belastung der Sammelfahrzeuge

Der VKU-Hauptgeschäftsführer dagegen macht eine Gegenrechnung auf. „Man muss sich bewusst machen, dass mit Unterflursystemen zwar die Anzahl der eingesetzten Müllwagen reduziert wird, aber nicht die Fahrten. Denn das Müllvolumen bleibt letztlich dasselbe.“ Müllfahrzeuge, die durch Sortierstraßen schneller und damit mehrfach pro Einsatztag gefüllt werden, seien demnach sehr viel stärker belastet und müssten auch häufiger neu beschafft werden. Abgesehen davon müssten Entsorgungsunternehmen die für Unterflursysteme passenden Fahrzeuge erst einmal neu anschaffen.

Darüber hinaus sieht Reck noch ein weiteres Problem: „Die hohe Bereitschaft der Bürger, Müll zu trennen, könnte bei anonymen Sammelstellen mit häufigeren Funktionsstörungen möglicherweise abnehmen.“ Außerdem gebe es längere Wege, die die Anwohner zurücklegen müssten, um ihren Müll zu entsorgen.

Auf der anderen Seite hat das unterirdische System aber auch Vorteile. So stehen keine Abfallsammelbehälter mehr vor der Haustür, die oftmals unansehnlich sind und darüber hinaus unappetitliche Gerüche verströmen. Vom Unterflurcontainer dagegen ist nur eine Säule zu sehen, meistens aus ästhetisch blinkendem Edelstahl. Zumindest für die Wohnungswirtschaft ist das eine platzsparende, saubere Lösung.

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