Machbarkeitsstudie

Inwieweit ist Biokerosin für die Luftfahrtindustrie geeignet? Und wie hoch wäre der Anteil des Kerosins, der auf Basis von Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen hergestellt werden könnte? Experten haben nach Antworten gesucht und die Ergebnisse in einer Studie zusammengestellt.

Biokerosin für die Luftfahrt?


Ein Konsortium mit Partnern aus Niedersachsen und Hamburg hat im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht, inwieweit die Nutzung von Biogas zur Herstellung von Biokerosin unter technischen, ökologischen und ökonomischen Aspekten möglich ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Produktion auf Basis von Biogas zwar grundsätzlich möglich ist, die Anteile am Gesamtbedarf jedoch verschwindend gering wären.

Je nach Szenario könnten zwischen 0,25 und 2,1 Prozent des jährlichen deutschen und knapp 1,5 bis 11,5 Prozent des niedersächsischen Kerosinbedarfs aus Biomethan gedeckt werden, teilt das niedersächsische Landwirtschaftsministerium mit, das die Studie unterstützt hat. Unter bestimmten Voraussetzungen ließen sich 1 Prozent des deutschen und 5,7 Prozent des niedersächsischen Kerosinbedarfs zu 100 Prozent auf Basis von Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen erzeugen. Grundsätzlich stünden die erforderlichen Technologien für eine direkte Verflüssigung von Biogas (Gas to Liquids (GtL)-Prozess) zur Verfügung. Bei der Erzeugung von Biomethan könne auf eine große Bandbreite an verfügbaren Substraten zurückgegriffen werden, ohne die positive Gesamtbilanz zu gefährden, erklärte der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer.

Welche Chancen die Biogas-GtL-Route am Markt hat, hängt allerdings nicht nur vom Bedarfsvolumen ab, das durch Kerosin aus Biomethan abgedeckt werden kann, sondern auch von der Preissituation. „Die Gestehungskosten für das Biokerosin würden bei günstigen Rahmenbedingungen beim rund 1,6-fachen des gegenwärtigen Marktpreises für herkömmliches Kerosin liegen; in ungünstigen Fällen sind auch deutlich höhere Gestehungskosten möglich“, so Martin Kaltschmitt vom Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der TU Hamburg-Harburg, das zusammen mit der HAWK Göttingen die Studie maßgeblich erarbeitet hat.

Durchschnittlicher Kerosinverbrauch der deutschen Flugzeugflotte in den Jahren 1990 bis 2013 (in Liter pro Passagier und 100 Kilometer) Langfristig sei jedoch aufgrund potenziell steigender Preise für konventionelles Kerosin und des Durchlaufens der Lernkurve von einer ökonomischen Perspektive für Biokerosin aus Biogas auszugehen; dies gelte insbesondere dann, wenn durch die energiewirtschaftliche Rahmensetzung eine verstärkte Biomethan-Einspeisung ins vorhandene Erdgasnetz unterstützt werde. Hier sei es notwendig, weitere Forschungsanstrengungen zu unternehmen, um die vorhandenen Kostenreduktionspotenziale im Verlauf der gesamten Bereitstellungskette zu identifizieren und zu erschließen.

„Mit seinen Industriestandorten und dem hervorragend ausgebauten Erdgasnetz in einem großflächig landwirtschaftlich geprägten Umfeld hat Norddeutschland gute Chancen, in Zukunft von einer Implementierung einer Biomethan-GtL-Wertschöpfungskette zu profitieren“, sagte Jürgen Glaser, Bereichsleiter Clusterentwicklung bei der Süderelbe AG. Er sei überzeugt, dass sich weitere Anstrengungen zur praktischen Umsetzung auch standortpolitisch lohnen würden.

So gebe die Studie Hinweise darauf, welche Chancen zum Beispiel den in der südlichen Metropolregion Hamburg gelegenen Industriestandorten Stade und Walsrode/Bomlitz (Deltaland) aus der Biomethan-GtL-Route erwachsen könnten. Die langfristige Perspektive reicht dabei von der Erzeugung von Biomethan im industriellen Maßstab und der dezentralen Einspeisung in das vorhandene Erdgasnetz bis hin zur Realisierung von GtL-Produktionsanlagen in Norddeutschland.

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