Herstellung von Milchsäure

Was tun mit dem steigenden Aufkommen des Abfallprodukts Glyzerin? Wissenschaftler haben eine Antwort gefunden: Sie nutzen es für die Umwandlung in Polymilchsäure. Damit werden biologisch abbaubare Kunststoffe hergestellt.

Neue Verwertungsform für Glyzerin


Die Forschungsgruppen der ETH-Professoren Konrad Hungerbühler und Javier Pérez-Ramírez vom Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaften haben ein neues Verfahren vorgestellt, um Milchsäure herzustellen. Ihre Methode ist produktiver, kosteneffizienter und klimafreundlicher als Fermentation, durch welche Milchsäure üblicherweise gewonnen wird, teilt die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich) mit. Der größte Vorteil dabei sei, dass der neue Prozess von einem Abfallprodukt ausgeht: Glyzerin.

Glyzerin ist ein Nebenprodukt der Herstellung von Biotreibstoffen der ersten Generation. Als solches ist es nicht rein, sondern enthält Spuren von Asche und Methanol. „Niemand weiß, was man mit dieser Menge an Glyzerin anfangen soll“, sagt Merten Morales, Doktorand in der Gruppe Sicherheits- und Umwelttechnik von ETH-Professor Hungerbühler. Und es fallen immer größere Mengen an: Schätzungen sagen einen Anstieg von 3 Millionen Tonnen im Jahr 2014 auf über 4 Millionen Tonnen in 2020 voraus.

Wegen der Verunreinigungen kann dieses Glyzerin allerdings nicht in der Chemie- oder Pharmaindustrie zum Einsatz kommen. Außerdem brennt es sehr schlecht und eignet sich daher nicht für die Energiegewinnung. „Normalerweise sollte es als Abwasser behandelt und aufbereitet werden. Aber um Geld zu sparen und weil es nicht sehr giftig ist, leiten es manche Unternehmen in Flüsse oder verfüttern es an Zuchtvieh“, sagt Morales. Es gebe aber durchaus Bedenken, wie sich das verunreinigte Glyzerin auf die Tiere auswirke.

Ökologische und ökonomische Vorteile

Dass die neue Methode von einem Abfallprodukt ausgeht, ist laut ETH einer der Vorteile, die sie umweltfreundlicher als konventionelle Verfahren macht. Sie beruht auf zwei Schritten: Beim ersten wandeln Enzyme das Glyzerin in das Zwischenprodukt Dihydroxyaceton um. Anschließend treibt ein heterogener Katalysator die weitere Reaktion zur Produktion von Milchsäure voran.

Die Forscher der Katalyse-Engineering-Gruppe von ETH-Professor Pérez-Ramírez konnten den Katalysator so optimieren, dass er eine hohe Reaktivität und eine lange Lebensspanne aufweist. Er besteht den Angaben zufolge aus einem mikroporösen Mineral, einem Zeolit, dessen Struktur chemische Reaktionen in den Mikroräumen der Poren begünstigt. Durch die enge Zusammenarbeit konnten die beiden Forschungsgruppen die Katalyse Schritt für Schritt verbessern und parallel dazu die jeweilige Ökobilanz des gesamten Verfahrens prüfen.

„Ohne diese Analyse und den Vergleich der Ökobilanz mit dem konventionellen Verfahren, wären wir vielleicht mit der ersten Katalysator-Version zufrieden gewesen. Aber diese stellte sich sogar als weniger umweltfreundlich als die Fermentation heraus“, erklärt Pierre Dapsens, Doktorand in der Pérez-Ramírez-Gruppe. Dadurch, dass die Forscher verschiedene Aspekte des Katalysator-Designs verbesserten, konnten sie letztlich das Fermentationsverfahren sowohl aus ökologischer wie auch aus ökonomischer Sicht übertreffen.

Ein Drittel weniger CO2-Emissionen

Industrielle Prozesse würden oft „nachhaltig“ gemacht, indem man einfach nur auf einen erneuerbaren Rohstoff umsteige, sagt Cecilia Mondelli, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Katalyse-Engineering-Gruppe und ebenfalls an der Studie beteiligt. „Aber wenn man den gesamten Prozess berücksichtigt – von der Quelle des Ausgangsstoffs bis zum fertigen Produkt, inklusive Entsorgungswege – erscheinen angeblich nachhaltige Verfahren nicht unbedingt nachhaltiger als die konventionellen.“

Berücksichtigt man die erhöhte Produktivität und die Energie, die das neue Verfahren einspart, indem es einen Abfallstoff verwertet, verringern sich die CO2-Emissionen im Vergleich zur Fermentation um 30 Prozent. Pro Kilogramm produzierter Milchsäure erzeugt das neue Verfahren laut ETH 6 Kilogramm CO2 im Vergleich zu 7,5 Kilogramm bei der konventionellen Methode. Zudem kostet das Verfahren insgesamt weniger, was einen um das 17-fache größeren Gewinn ermöglicht, wie die Forscher berechneten.

„Wir sind dabei von eher konservativen Annahmen ausgegangen“, sagt Morales. „Wir haben eine relativ hohen Qualität des Glyzerins vorausgesetzt. Aber das Verfahren funktioniert auch mit stärker verunreinigtem Glyzerin, was sogar noch kostengünstiger wäre.“ So könnten Hersteller die Gewinnspanne sogar noch verbessern.

„Die größten Bioplastik-Hersteller sitzen heute zwar in den USA, aber das Verfahren ist relativ einfach und lässt sich auch in anderen Ländern einsetzen, überall wo Biodiesel – und als Nebenprodukt Glyzerin – erzeugt werden“, sagt Dapsens.

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