Folge der Marktentwicklung

Niedrige Nickelpreise und schwache Preise für Chrom, Molybdän und Eisen verknappen das Angebot an Edelstahlschrott. Zusätzliche Impulse könnte der Edelstahlschrottmarkt allerdings nachfrageseitig bekommen: Inzwischen ist der Edelstahlschrottpreis attraktiver als der Preis für Nickel Pig Iron.

Edelstahlschrott wird knapper


Von Roland Mauss, Oryx Stainless

Die Nickelnotierungen an der London Metal Exchange (LME) treten weiter auf der Stelle und handeln schon seit Mitte Februar in einem recht engen Band von USD 13.600,00/mt bis USD 14.400,00/mt, ohne jeweils eine klare Richtung einzuschlagen. Auf diesem Nickelniveau sollte sich allerdings das Angebot an Nickel Pig Iron (NPI) langsam einengen. Dies gilt vor allem deswegen, weil die Preise die Produktionskosten eines Teils der NPI-Produktion mittlerweile deutlich unterschreiten. Damit wird eine Herstellung zunehmend unrentabel.

Auch ein weiterer für die Edelstahlproduktion sehr relevanter Rohstoff scheint sich zu verknappen: Edelstahlschrott. Die vergleichsweise niedrigen Nickelnotierungen und aktuell schwachen Preise für Chrom, Molybdän und Eisen können keine sehr großen Schrottmengen mobilisieren. Auffällig ist in der gegenwärtig unter „Rohstoffexperten“ geführten Diskussion hinsichtlich der Nickelpreisentwicklung wieder einmal, dass die Marktparameter des Edelstahlschrottes nur wenig Beachtung oder Erwähnung finden und dies, obwohl im Durchschnitt mehr als 50 Prozent der in der Produktion eingesetzten Nickeleinheiten über recycelte Edelstähle zur Verfügung gestellt werden.

Die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Edelstahlproduzenten könnte ab dem 26. März eine deutliche Stärkung erfahren. Dann nämlich wird die Europäische Kommission ihre Entscheidung hinsichtlich der Inkraftsetzung von Importzöllen auf Edelstahlimporte aus China bekannt geben. In einer Untersuchung, die noch bis Ende September 2015 andauern wird, geht die Kommission den Vorwürfen des europäischen  Stahlverbands Eurofer aus Mai 2014 nach, dass China bei bestimmten Stählen Preisdumping betreiben würde. Schon seit Anfang des Jahres sind die Importe von bestimmten Stahlsorten aus China registrierungspflichtig, so dass es nicht ganz abwegig erscheint, was die Nachrichtenagentur Reuters bereits am 6. März aus zwei, der Europäischen Kommission nahestehenden Quellen erfahren haben möchte.

So heißt es in der Veröffentlichung von Reuters, dass die Kommission plant, vorläufig, das heißt mindestens bis zum vollständigen Abschluss der Untersuchung im September, Zölle in einer Höhe von rund 25 Prozent auf bestimmte Edelstahlimporte aus China einzuführen. Auch Importe aus Taiwan sollen mit einem Zollsatz von rund 12 Prozent betroffen sein. Nach Veröffentlichung der Meldung konnten sich die Aktienkurse der börsennotierten Edelstahlhersteller Acerinox, Aperam und Outokumpu deutlich befestigen. Parallel hierzu wird durch die EU eine Untersuchung durchgeführt, ob chinesische Edelstahlproduzenten möglicherweise unerlaubte Subventionen erhalten haben. Es ist dabei nicht abwegig, dass es staatliche Subventionen in Form von günstigeren Energiepreisen oder Finanzierunghilfen gegeben hat und damit die rasante Expansion der chinesischen Edelstahlproduktion, die heute inzwischen wohl über 50 Prozent der Weltproduktion beträgt, nicht nur dem Umstand originärer Kostenvorteile im Wettbewerb zu verdanken war.

Preisvorteil von Edelstahlschrott

Zudem hatte die interessante Symbiose zwischen indonesischen Nickelerz-Exporteuren, chinesischen Raffinationsanlagen für Nickel Pig Iron (NPI) sowie bestehenden Ausfuhrhemmnissen auf Nickelrohstoffe lange Jahre in China dafür gesorgt, dass nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Edelstahlhersteller, sondern auch die relative Wettbewerbsfähigkeit der Edelstahlrohstoffe untereinander ad absurdum geführt wurde. Wie konnte es sonst sein, dass in Minen gefördertes, über weite Wege transportiertes und dann energieaufwändig, raffiniertes Erz lange Zeit offensichtlich in China günstiger war, als Edelstahlschrott.  Damit stellte der Preis von NPI die Benchmark für Edelstahlschrotte und andere nicht börsengehandelte Edelstahlrohstoffe dar.

Aufgrund des bekannten und bereits in aller Tiefe diskutierten Ausfuhrverbots auf unraffinierte Nickelerze aus Indonesien kommt es wohl aber nun sukzessive zu einer Änderung in den Marktparametern. Die Entwicklung geht wieder zurück zu einer kostenmäßig und technisch nachvollziehbaren Logik. Nach letzten Untersuchungen, die das Marktforschungsinstitut SMR Steel & Metals Market Research in einem Vortrag Ende Februar 2015 auf den Düsseldorfer Edelstahltagen vorstellte, hat sich der Kostenvorteil des NPI gegenüber dem Edelstahlschrott seit Dezember 2014 in einen Preisnachteil gedreht.  Die geplanten Einfuhrzölle auf Edelstahl könnten diese Entwicklung weiter beschleunigen und die Wettbewerbssituation für die europäischen Produzenten nachhaltig fairer gestalten.

Es gibt allerdings auch Stimmen, die davor warnen, die positiven Auswirkungen der Antidumpingzölle zu überschätzen. Zum einen ist nach wie vor das intelligente Management der Kapazitäten im Einklang mit der voraussichtlichen Nachfrage entscheidend für die weitere Normalisierung und Verbesserung; hier wurden aber durch die Produzenten schon große Fortschritte erreicht. Zum anderen könnten Einfuhrbeschränkungen auf Edelstähle auf mittlere Sicht dazu führen, dass weitere nachgelagerte Verarbeitung von Edelstahl nach Asien und insbesondere China abwandert, wo der „Kostennachteil“ des Importzolls in die Europäische Union nicht besteht. Letztere Überlegung ist leider nicht völlig von der Hand zu weisen, wobei auch schon mancher Verarbeiter aus den verschiedensten Gründen wieder den Rückzug aus China Richtung Europa angetreten hat. Sei es zum Beispiel wegen Produktpiraterie oder fortwährenden Qualitätsmängeln.

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