Abschaffung der dualen Systeme

Baden-Württemberg lässt nicht locker. Im Bestreben, die dualen Systeme abzuschaffen, hat die Landesregierung in Stuttgart ein alternatives Eckpunktepapier beschlossen. Der Beschluss wird von anderen Landesumweltministerien mitgetragen.

Stuttgart beschließt alternatives Eckpunktepapier für Wertstoffgesetz


Die baden-württembergische Landesregierung hat am Dienstag (30. Juni) ein Kompromissmodell für das geplante Wertstoffgesetz beschlossen. Das Papier ist als Alternative zu dem Eckpunktepapier zu verstehen, das Vertreter der CDU- und SPD-Bundestagsfraktion sowie des Bundesumweltministeriums vor rund zwei Wochen vorgestellt haben.

„Baden-Württemberg spricht sich dafür aus, die Wertstofferfassung von Verpackungen und so genannten stoffgleichen Nichtverpackungen organisatorisch ganz den Kommunen zu übertragen und höhere Verwertungsquoten einzuführen“, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Anschluss an die Sitzung des Ministerrats. Die Sortierung und Verwertung der Wertstoffe sollte künftig von einer neu zu schaffenden zentralen Stelle ausgeschrieben werden und damit im wirtschaftlichen Wettbewerb bleiben.

„Die klare Trennung der Zuständigkeiten in unserem Modell berücksichtigt gleichermaßen die Interessen der öffentlich-rechtlichen Entsorger und der privaten Entsorgungswirtschaft. Für Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen wir mehr Durchblick im Wertstoffdschungel“, so Kretschmann. Er fordert die Bundesregierung auf, jetzt zügig einen Entwurf für ein Wertstoffgesetz vorzulegen: „Seit sechs Jahren kündigt die Bundesregierung eine Regelung an. Aber immer noch fehlt eine klar erkennbare Linie, wie die Erfassung und Verwertung von Wertstoffen in Abfällen ökonomisch und ökologisch zukunftstauglich geregelt werden soll. Unser Beschluss heute dient dazu, die Debatte in dieser Richtung anzuschieben.“

„Echter Wettbewerb um die Wertstoffe“

Das alternative Eckpunktepapier wurde auf Initiative des baden-württembergischen Umweltministeriums zusammen mit den zuständigen Ministerien aus Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen erarbeitet. Das Kompromissmodell ist im Wesentlichen von folgenden Eckpunkten geprägt:

  • Ausweitung der Wertstofferfassung aus privaten Haushalten von Verpackungen auch auf stoffgleiche Nichtverpackungen. Restmüll ist auch Wertstoff, das Sammeln wird für Bürgerinnen und Bürger leichter.
  • Übertragung der Organisationsverantwortung für die Erfassung (Sammlung) auf die Kommunen, die ihrerseits Dritte beauftragen können. Bezahlen sollen das, wie bisher bei den Verpackungen auch, die Hersteller.
  • Ausschreibung der Sortierung und Verwertung über eine zentrale Stelle nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL)
  • Diese Stelle überwacht auch, dass Hersteller und Vertreiber von Verpackungen und Produkten sich an der Finanzierung der Wertstofferfassung und –verwertung beteiligen (Lizenzierung). Sie schützt außerdem die Wirtschaft vor übertriebenen Kosten.
  • Die Lizenzentgelte werden nach ökologischen Kriterien gestaffelt. Schwerer recyclebare Mischkunststoffe werden teurer, leicht recyclebare Monokunststoffe werden günstiger.

„Mit einem solchen Wertstoffgesetz sind die dualen Systeme in der heutigen Form überflüssig“, erklärte der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller. „Es wird ein echter Wettbewerb um die Wertstoffe eingeführt mit allen positiven ökologischen und ökonomischen Aspekten, und der Vollzug wird durch die zentrale Stelle vereinfacht, indem nicht 16 Bundesländer quasi 16 Mal dasselbe tun.“

Die Eckpunkte, die die Bundesregierung am 12. Juni 2015 vorgelegt habe, ließen dagegen befürchten, dass das überholte bisherige System eher noch verfestigt werden könnte, so Untersteller. Die dualen Systeme würden in ihrem Einfluss und ihrer Zuständigkeit noch gestärkt. Weitere Kostensteigerungen für die Verbraucherinnen seien damit zu befürchten.

Ministerpräsident Kretschmann kündigte an, die Vorstellungen des Landes zum neuen Wertstoffgesetz in den Berliner Diskussionsprozess einzubringen: „Wir setzen uns für ein Modell ein, das die Interessen der Verbraucher, der Wirtschaft und der Kommunen gleichermaßen berücksichtigt. Es bringt die Kreislaufwirtschaft weiter, erhöht die effiziente Ressourcennutzung und schont die Umwelt vor Belastungen. Es ist in bestem Sinne nachhaltig.“

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