Neue Ausrichtung

Bis zum Jahr 2020 will Polen die Recyclingquoten erhöhen. Doch bislang kommt die Getrenntsammlung nur schleppend voran. Eine größere Summe will die Regierung in die Müllverbrennung investieren.

Polens Abfallwirtschaft wird generalüberholt


Die Siedlungsabfallentsorgung in Polen befindet sich in einer Phase der Neuorganisation. Erst im vergangenen Jahr wurde der nationale Abfallbewirtschaftungsplan angenommen. Bis Ende 2015 soll die neue, erweiterte Fassung stehen. Diese lehnt sich an die EU-Richtlinien und verschärften Zielvorgaben an.

Um die höheren Recyclingquoten zu erreichen, muss die Regierung allerdings noch eine Reihe von Problemen lösen.Die Hauptprobleme der polnischen Abfallwirtschaft sind die mangelhaften statistischen Daten und das nur wenig ausgeprägte ökologische Bewusstsein bei der Bevölkerung. Nicht zuletzt ist der derzeitige Zustand der Abfallwirtschaft und der Infrastruktur nur unzureichend.

„Es gibt keine ausreichenden Verarbeitungskapazitäten für Siedlungsabfälle. Das schließt die thermische und mechanisch-biologische Nutzung gemischter Siedlungsabfälle mit ein“, sagte Beata B. Klopotek, Beraterin des polnischen Umweltministers, bei der „Waste-to-Energy“-Konferenz Mitte Oktober in Wien. Zudem herrsche ein Mangel an gesetzlich definierten Vorgaben beispielsweise für mechanisch-biologische Anlagen.

Mülltrennung kommt aber nicht voran

Im Jahr 2014 gab es nach Angaben von Germany Trade & Invest (gtai) in Polen etwa 700 einfachere Anlagen und nur rund 280 sogenannte Regionale Anlagen zur Behandlung kommunaler Abfälle (Ripok). Letztere verfügen über größere Kapazitäten und müssen zunehmend strengere Umweltschutzanforderungen erfüllen. Ab dem 1. Juli 2018 dürfen nur noch Anlagen betrieben werden, die den Status einer Ripok haben.

statistic_id1225_praktizierte-muelltrennung-in-den-eu-laendernEin weiteres großes Problem sei die Getrenntsammlung, die nur langsam vorankomme, wie Klopotek sagte. Dabei ist die Mülltrennung seit dem 1. Februar 2015 obligatorisch. Laut gtai stehen den Bürgern zwei oder mehrere farbige Behälter zur Verfügung: grün für Buntglas, weiß für Weißglas, blau für Papier, gelb für Metall und Kunststoffe und so weiter. In Warschau werde mitunter auch nach Glas, trockenen Abfällen wie Papier und Kunststoff sowie übrigen Abfällen sortiert.

Somit wurde im Jahr 2013 der Großteil der über elf Millionen Tonnen kommunalen Abfälle ohne Abfalltrennung gesammelt. Wie aus Daten des polnischen Statistischen Hauptamts GUS hervorgeht, belief sich die nicht getrennt gesammelte Abfallmenge auf knapp 8,2 Millionen Tonnen. Über 5,9 Millionen Tonnen davon gingen auf die Deponie. 1,2 Millionen Tonnen wurden biologisch behandelt, nur 766.000 Tonnen wurden thermisch behandelt.

Defizite beim Verpackungsmüll

Durch die generell nicht gut funktionierende Getrenntsammlung würden vor allem Verpackungsabfälle noch immer zu wenig getrennt gesammelt, beklagt Klopotek. Dabei müsste Verpackungsmüll aus Haushalten seit 2014 zu mindestens 60 Prozent wiedergewonnen und zu 55 Prozent recycelt werden. Von diesen Quoten ist Polen allerdings noch ein gutes Stück entfernt.

Laut aktueller GUS-Zahlen für das Jahr 2013 sind 4,8 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle in den Haushalten angefallen. Davon seien 2,4 Millionen Tonnen wiedergewonnen und 1,7 Millionen Tonnen recycelt worden. Das entspricht einer Quote von 50,2 Prozent für die Wiedergewinnung und von nur 36,0 Prozent für das Recycling.

Nachholbedarf bei E-Schrott

Neben der Getrenntsammlung ist die illegale Ablagerung von Müll ein weiteres Sorgenkind. Nach offiziellen Angaben wurden im Jahr 2013 von den über elf Millionen Tonnen Siedlungsmüll knapp zwei Millionen Tonnen nicht ordnungsgemäß beseitigt, wie gtai berichtet. Rechne man die Dunkelziffer hinzu, dann könnte die tatsächlich illegal abgelagerte Menge schätzungsweise doppelt so hoch sein.

Angesichts dieser Probleme scheint es fraglich, dass Polen seine 2020-Ziele erreicht. Bis dahin muss mindestens die Hälfte der Glas-, Metall-, Papier- und Kunststoffabfälle dem Recycling zugeführt werden. Großer Nachholbedarf bestehe nach wie vor auch bei der Wiederverwertung von Elektroaltgeräten, teilt gtai mit und beruft sich dabei auf den Branchenverband CECED Polska. Dieser schätze, dass 60 Prozent der eingesammelten ausrangierten Geräte nicht einer Behandlung zugeführt werden.

statistic_id404390_rueckgewinnung-sortierter-werkstoffe-in-polen---umsatzprognose-bis-2020„Problematisch ist die Entsorgungslage vor allem bei Waschmaschinen, Kühlschränken und Gefriergeräten“, berichtet Abfallexpertin Klopotek. „Diese Geräte enden oftmals auf Schrottplätzen und werden nicht ordnungsgemäß verwertet.“ Zudem würden Unternehmer nicht ordnungsgemäß an die Umweltschutzbehörde rapportieren oder doch nur sehr unzuverlässig. Es hapert aber nicht nur bei der Verwertung von E-Schrott, sondern auch beim Schritt davor, der Sammlung. „ Seit 2008 gilt das Sammelziel von vier Kilogramm pro Person und Jahr. Das haben wir noch immer nicht erreicht.“

Platz für zehn bis elf MVA

Die Beraterin fand in ihrem Vortrag dennoch positiv klingende Worte: „In Polen besteht für die Entwicklung von Recycling und Verbrennung von Siedlungsabfällen noch ein großes, nicht erschlossenes Potenzial.“ Um die 2020-Ziele zu erreichen, müssten allerdings noch umfangreiche Investitionen getätigt werden, betonte sie.

Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile auf allen Ebenen der Politik durchgesetzt. Die einzelnen Woiwodschaften, die den deutschen Bundesländern entsprechen, würden langfristig Ausgaben von mehreren Milliarden Zloty für die Wiedergewinnung von Abfällen planen, so gtai. Außerdem suchen die Woiwodschaften ihr Heil zunehmend in der Müllverbrennung „Derzeitige Pläne sehen vor, große Summen in den Bau von Verbrennungsanlagen und in die Energierückgewinnung zu stecken“, weiß Klopotek zu berichten.

Bislang ist in Polen erst eine einzige Müllverbrennungsanlage (MVA) in Betrieb, und zwar in Warschau. Diese verfügt laut Betreiberangaben über eine Verbrennungskapazität von 57.000 Tonnen pro Jahr. Die tatsächliche Auslastung liege bei etwa 75 Prozent. In diesem und kommenden Jahr sollen weitere sechs kommunale MVA mit einer Gesamtkapazität von einer Million Jahrestonnen den Betrieb aufnehmen. Im Land sei Platz für insgesamt zehn bis elf MVA, konstatiert das polnische Umweltministerium. Pläne für den Bau weiterer Anlagen bestünden unter anderem in Warschau, Danzig, Breslau und Lodsch.

Mit Blick auf die Spendierlaune der Woiwodschaften warnt Klopotek: „Man sollte aber nicht wild drauf losplanen. Vor allem sollte die Schaffung von Verbrennungsüberkapazitäten vermieden werden, die dann unweigerlich mit anderen Behandlungsformen in Konkurrenz treten.“ Zumal noch Mitverbrennungskapazitäten in Zementfabriken für hochkalorische Fraktionen aus Siedlungsabfällen bestehen. „Diese könnten sich auf 1,2 Millionen Jahrestonnen belaufen“, schätzt sie.

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