Arbeitsentwurf zum Wertstoffgesetz
Nicht nur Kommunen kritisieren den Arbeitsentwurf zum Wettstoffgesetz, auch Vertreter von dualen Systemen sind mit einzelnen Regelungen unzufrieden. Sie warnen vor erneutem Missbrauch. Und sie mahnen: Bleibt es beim Arbeitsentwurf, dann müssten sich die Entsorgungspartner darauf einstellen, künftig in Vorleistung zu gehen.
„Grundsätzlich gut, aber…“
Auch wenn der Arbeitsentwurf für das geplante Wertstoffgesetz die dualen Systeme stützt, sieht der Systembetreiber BellandVision zahlreiche Punkte kritisch. In vielen Bereichen bilde der Arbeitsentwurf des Bundesumweltministeriums die Erfordernisse des Marktes nicht hinreichend ab, urteilt das duale System. Darüber hinaus sei es nicht gelungen, praxisorientierte Regelungen aufzustellen.
Von daher sei zu befürchten, dass bei Erlass des Gesetzes in Form des Arbeitsentwurfes mehr Gesetzeslücken aufgetan als geschlossen würden, so BellandVision. „Die dualen Systeme haben in den vergangenen Monaten und Jahren durch zahlreiche Änderungen der Clearingverträge das System stabilisiert und dadurch Rechtssicherheit geschaffen. Allein diese Fortschritte würden durch den Arbeitsentwurf wieder über Bord geworfen.“
Keine Grundlage für zeitnahe Abrechnung
Konkret beanstandet BellandVision die geplanten Regelungen zur Meldepflicht. Der vorliegende Entwurf schaffe umfangreiche Meldepflichten sowohl für Hersteller als auch für die Betreiber der dualen Systeme. So seien Hersteller verpflichtet, jede massen- und materialbezogene Datenmeldung, die sie gegenüber den Systemen zur Abrechnung vornehmen, parallel unverzüglich auch bei der Zentralen Stelle zu hinterlegen. Die Systeme wiederum seien verpflichtet, zum 5. Dezember des Vorjahres die Plan-Menge sowie monatlich die im Vormonat und jährlich zum 15. Mai die Ist-Menge an die Zentrale Stelle zu melden.
„Der Entwurf berücksichtigt nicht, dass eine belastbare Planmenge für das gesamte folgende Jahr zum 5. Dezember wegen ausstehender Vertragsabschlüsse mit den Herstellern noch nicht feststeht“, gibt BellandVision zu bedenken. „Das bisherige, bewährte und dringend notwendige System quartalsweiser, von einem Wirtschaftsprüfer geprüfter Planmengenmeldungen entfällt, ohne eine neue, brauchbare alternative Grundlage für die Ermittlung der Finanzierungsanteile der dualen Systeme an den Entsorgungskosten festzulegen. Damit fehlt jegliche Grundlage für die zeitnahe Abrechnung mit den Entsorgungspartnern und die Zuordnung der erfassten und zu verwertenden Mengen auf die dualen Systeme.“
Neu geschaffenes Kontrollsystem wird eliminiert
In der Praxis ergeben sich daraus Umsetzungsschwierigkeiten, erklärt BellandVision. Denn laut Arbeitsentwurf veröffentlicht die Zentrale Stelle die anteilig zuzuordnenden Mengen nur vierteljährlich im Nachhinein. Somit fehle bei Erbringung der Entsorgungsdienstleistung und tatsächlicher Mengenerfassung ein notwendiger Verteilungsschlüssel. Folglich müsse der Entsorgungspartner in Vorleistung gehen, weil eine Zuordnung der erfassten Mengen, bzw. eine marktanteilsbezogene Berechnung nicht möglich sei.
Hinzu komme, dass gemäß Arbeitsentwurf nur noch die Jahresmeldung einer Prüfung durch den Systemprüfer unterzogen werden muss, alle anderen Meldungen jedoch nicht. Außerdem muss der Systemprüfer nicht zwingend ein Wirtschaftsprüfer, sondern kann auch ein Steuerberater oder vereidigter Buchprüfer sein. Ein Steuerberater oder Buchprüfer verfüge jedoch in der Regel nicht über ausreichend Sachkunde, wendet BellandVision ein.
„Grundsätzlich stellt sich die Frage nach der Belastbarkeit und Aussagekraft von Meldungen, die nicht durch einen Wirtschaftsprüfer geprüft wurden“, moniert der Systembetreiber. Das seit einem Jahr neu geschaffene, effektive Kontrollsystem zur Vermeidung eventueller Missbrauchsversuche werde damit nicht weiterverfolgt beziehungsweise eliminiert.
Ungeklärt bleibe in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung einer einmal jährlichen ungeprüften „Plan“-Mengenmeldung und der „Ist“-Mengenmeldung. Es fehle jegliche Aussage zu Auswirkung und Folgen etwaiger Differenzen zwischen unterjährigen Meldungen und der Jahresabschlussmeldung, kritisiert BellandVision. „Aufgrund der Kombination, dass die unterjährigen monatlichen Meldungen nicht geprüft werden müssen und das Gesetz keinerlei Sanktion für Mengenabweichungen festlegt, ist dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.“ Auch die Reclay Group, die mit den beiden dualen Systemen Redual und Vfw am Markt vertreten ist, empfiehlt dringend, „diese Vorschriften unter Heranziehung der aktuellen Clearingstellenverträge zu überarbeiten.
Nötig sind Investitionen in die Sortiertechnik
Weitere Kritik entzündet sich an den Regelungen zu den Erfassungs- und Verwertungsanforderungen. BellandVision begrüßt zwar die Anhebung der Verwertungsquote, mahnt aber zugleich, dass für die dualen Systemen auch die Möglichkeit geschaffen werden müsse, die gesetzten Verwertungsziele erreichen zu können.
„Geht man von der heute jährlich erzielten Erfassungsmenge von ca. 2,3 bis 2,4 Millionen Tonnen aus, müsste für die Zukunft der Anteil der miterfassten stoffgleichen Nichtverpackungen (ca. 400.000-500.000 t/a) hinzu gerechnet werden. Damit ergäbe sich eine geschätzte Erfassungsmenge von maximal 2,7 bis 2,9 Millionen Tonnen“, rechnet der Systembetreiber vor. Die gesamte Erfassungsmenge enthalte erfahrungsgemäß rund 30 Prozent sogenannter „Reste“, also Fehlwürfe und Abfall. Die Menge aus der Sammlung, die tatsächlich für die Verwertung nutzbar ist, betrage daher bestenfalls 1,9 bis 2,0 Millionen Tonnen.
„Dem steht eine Lizenzmenge entgegen, die für Leichtverpackungen bei ca. 1,6 Millionen Tonnen und für stoffgleiche Nichtverpackungen bei ca. 400.000 bis 500.000 Tonnen liegt“, so BellandVision. Die gesamte Lizenzmenge läge dann bei 2,0 bis 2,1 Millionen Tonnen. „Soll davon eine Verwertungsquote von 90 Prozent erreicht werden, müssten 1,8 bis 1,9 Millionen Tonnen verwertet werden. Dem steht 1,9 bis 2,0 Millionen Tonnen sortierfähiges Material gegenüber, das noch weitere Sortierverluste je nach Technik der Anlage und Qualität der Sortiermenge erleidet. Die neu geforderten Quoten sind deshalb mit den heute vorhandenen Erfassungsmengen und -qualitäten sowie der zur Verfügung stehenden Sortiertechnik kaum realisierbar und auf Ebene einzelner Fraktionen tatsächlich nur teilweise erreichbar.“ Nötig seien deshalb Investitionen in Sortiertechnik durch Entsorger und die Verbesserung der Quantität und Qualität der Erfassungsmengen durch duale Systeme.
Kritik an ökologischen Anreizen
Die Verantwortung für die Verwertungsquote von 90 Prozent für die LVP-Fraktion könnten die dualen Systeme nur dann übernehmen, wenn die Quantität und Qualität der Sammelmenge auch im Verantwortungsbereich der dualen Systeme liegt, bzw. sie entsprechende Einflussmöglichkeiten haben, betont BellandVision. Der vorliegende Arbeitsentwurf hingegen räume ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern die Befugnis ein, verbindliche Vorgaben nicht nur zur Art des Sammelsystems, zu Art und Größe der Sammelbehälter, sondern auch zu Zeitraum und Häufigkeit der Behälterleerungen festzulegen. Damit liege die Beeinflussung der quantitativen und qualitativen Erfassung bei den Kommunen. Das sei nicht akzeptabel.
Kritik gibt es auch hinsichtlich der Einführung ökologischer Anreize im Rahmen der Lizenzentgeltbemessung. Solche Anreize seien zwar begrüßenswert, erklärt die Reclay Group, doch das im Arbeitsentwurf gewählte Regelungsmodell werfe mehr Fragen auf als Antworten. Insbesondere stellt sich die Frage, wie die von den Systemen jeweils individuell bestimmten ökologischen Lizenzierungsanreize bei Verwendung eines einheitlichen und gemeinsamen Sammelsystems in der Umsetzung funktionieren sollen.
PET, PE und PP als eigene Materialfraktionen
Um dennoch ökologische Anforderungen im Rahmen der Lizenzierung zu berücksichtigen, schlägt die Reclay Group vor, die bislang verwendeten Begrifflichkeiten „Kunststoffe“ und „Verbunde“ weiter auszudifferenzieren. Beispielsweise könnten PET, PE und PP als eigene Materialfraktionen mit gesondert zu erreichenden Verwertungsquoten benannt werden, schlägt Reclay vor. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass bei der Kalkulation der Lizenzentgelte die für diese Materialfraktionen erwirtschafteten positiven Verwertungserlöse spezifische Berücksichtigung fänden und nicht in der allgemeinen Kalkulation für die Verwertung sonstiger Kunststoffe, die Zuzahlungen erfordern, untergingen.
Im Ergebnis wären diese – verwertungsfreundlicheren − Kunststoffe dann gegenüber den sonstigen Kunststoffen in der Lizenzierung preiswerter, was wiederum aus wirtschaftlichen Gründen die ökologisch gewollten Änderungen in der Produktion nach sich ziehen würde. Damit wäre der politisch gewünschte Lenkungseffekt hin zu verwertungsfreundlicheren Kunststoffen mindestens in gleicher Weise, allerdings ohne überbordende Administration, erreicht.