Bessere Fernüberwachung
Informatiker und Ingenieure tüfteln an einem Roboter für die Überwachung von Deponien. Ihr Ziel ist eine bessere Kontrolle mit weniger Aufwand und Kosten. Ein Prototyp ist für 2016 geplant.
Ein Roboter für die Deponie
Staubsaugen, Rasenmähen und die Überwachung von Deponien haben etwas gemeinsam: Alle drei Tätigkeiten können Roboter automatisch ausführen. Für letztere ist ein kommerzielles Gerät zwar noch nicht erhältlich. Aber Informatiker der Firma Disy Informationssysteme und Ingenieure der Firma ICP und der Firma OiC arbeiten gemeinsam daran, dass diese Vorstellung bald Wirklichkeit wird.
Gefördert vom Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums entwickeln sie derzeit ein autonomes System. Ende Mai 2016 soll der Prototyp vorgestellt werden. Dieser soll künftig Daten zur Kontrolle und Überwachung einer Deponie sammeln und an eine Zentrale übermitteln. Weitere Daten könnten durch vor Ort verbaute Sensorik, etwa an Gasbrunnen, kontinuierlich erhoben und per Funk übermittelt werden. In der Zentrale findet anschließend die Auswertung der Daten in Echtzeit statt.
„Unser Ziel ist es, für den Betreiber eine bessere und kontinuierliche Fernüberwachung seiner Deponie zu ermöglichen“, sagt Andreas Abecker, projektverantwortlicher Informatiker bei Disy.
Sensoren auf Rädern
Um dieses Ziel zu erreichen, haben ICP, OiC und Disy ein batteriebetriebenes Bodenfahrzeug mit Rädern konzipiert. Darauf können verschiedene Sensoren montiert werden. Für die Experimente im Forschungsprojekt wurde ein Flammenionisationsdetektor (FID) verwendet, wie er auch bei Begehungen verwendet wird, um unerwünschte Gasemissionen zu entdecken.
Aus Klimaschutzgründen ist das Aufspüren von Deponiegas-(Methan-)Lecks eine der wichtigsten Aufgaben bei der Deponiekontrolle. Mit Hilfe eines autonomen Fahrzeuges ist es möglich, diese Kontrolle häufiger und räumlich genauer durchzuführen. Das erhöht die Qualität der Deponieüberwachung. Zudem entfallen Personalkosten.
Seine Daten sammelt der Roboter, indem er definierte Messpunkte in einer vorgegebenen Route auf der Deponie abfährt. Er orientiert sich dabei an einem 3-D-Geländemodell, das zuvor aus Bilddaten berechnet wurde, die bei einer Drohnenbefliegung erhoben wurden. An jedem Messpunkt stoppt der Roboter, misst etwa eine Minute lang den gewünschten Parameter und fährt weiter zum nächsten Messpunkt. Abschließend werden die erhobenen Daten an die Zentrale gesendet.
Für jede Deponie geeignet
Der Test-Roboter läuft den Entwicklern zufolge stabil. Getestet wurde er bislang auf drei Deponien. Prinzipiell funktioniere er aber auf jeder Deponie, sind sich die Ingenieure sicher. Das System müsse nur mit den entsprechenden Geländedaten versorgt werden.
Zudem reagiert das System auf unvorhergesehene Dinge flexibel. „Melden die Sensoren ungewöhnliche Messwerte, die auf ein Gasleck in der Deponieabdeckung hinweisen, kann der Roboter die vorgeplante Route verlassen und selbstständig in der Umgebung das Netz der Messpunkte dichter weben, um sich Schritt für Schritt der Ursache des Problems anzunähern“, erläutert Abecker. Ähnlich verfahre der Roboter, wenn er auf größere Hindernisse treffe. Auch in diesem Fall könne er selbstständig vom Kurs abweichen.
Hindernisse sind zum Beispiel Bauwerke auf der Deponie, aber auch steiniger Untergrund mit zum Teil losen Felsbrocken. Grasbewuchs macht dem Deponie-Roboter hingegen keine Probleme: „Das Fahrzeug kann einen Grasbewuchs in Höhe von 60 Zentimeter mit Halmdicken von zwei Millimetern bezwingen“, so Robert Reichert von der Firma OiC, die das Fahrzeug baut. Das gelte auch für Böschungsneigungen von 1:2. Aktuell arbeitet das Projektteam noch am Radstand des Roboters, um ein Kippen des Gefährts zu verhindern.
Frage der Kosten
Wie der Deponie-Roboter in der Praxis schließlich angenommen wird, bleibt abzuwarten. Das ist in erster Linie eine Kostenfrage. Noch ist die Sensorik etwa zur Methangasdetektion sehr teuer. Und auch die Funktechnik, um die Daten zu übermitteln, ist nicht billig. Zudem fehlt auf den meisten Deponien eine durchgängige Netzabdeckung.
Generell sieht das Projektteam noch Handlungsbedarf beim Durchkalkulieren der Gesamtkosten für eine automatische Sensorüberwachung. Auch der Kosten-Nutzen-Effekt ist nicht einfach zu bewerten. Zumal die Deponiebetreiber mit dem Tagesgeschäft oft zu sehr gebunden seien, um langfristige Innovationsstrategien zu entwickeln.
Dennoch ist der Deponie-Roboter den Entwicklern zufolge bereits heute für einige Anwendungsfälle sinnvoll. Im Fokus stünden zuallererst Deponien mit großem Problempotenzial, beispielsweise wegen häufiger unerwünschter Gaslecks. Geeignet sei das System aber auch für Betreiber mehrerer Deponien, die sich über einen sehr langen Zeitraum mit möglichst wenig Personal um die Nachsorge kümmern müssen.
Perspektivisch könnte das Fahrzeug zudem Teil einer nahezu automatisierten Überwachung sein. Laut Projektteam ist es denkbar, mit Hilfe des Echtzeitmonitorings der Gasentwicklung an den Gasbrunnen und eines intelligenten Betriebsmanagements von Bewässerung, Entwässerung, Belüftung und Absaugen, die Verrottungsprozesse im Deponiekörper optimal zu steuern.
Zeit für Automatisierung
Aber unabhängig davon, ob sich Deponiebetreiber für einen Roboter entscheiden oder nicht. Fest steht: Die Überwachung wird sich ändern müssen. Zurzeit ist es üblich, dass die meisten Daten für den Deponiebericht nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Intervallen manuell erhoben werden. Das bindet viel Personal und Zeit. Darüber hinaus hat es wenig Aussagekraft aufgrund der seltenen Messungen.
So muss beispielsweise laut Deponieverordnung die Sickerwassermenge in der Nachsorgephase halbjährlich kontrolliert werden. Die Gasmenge (Methan, CO2, O2, Stickstoff und ausgewählte Spurengase) muss wöchentlich als Halbjahressummenwert erfasst werden, die Zusammensetzung einmal halbjährlich. Hinzu kommen Wetterdaten, etwa die Niederschlagsmenge, die täglich und summiert zu Monatswerten dokumentiert werden muss.
Auch die Auswertung ist bislang zeitaufwendig. Nicht selten werden die Daten noch händisch in eine Excel-Datei eingegeben. Eigentlich keine Option, bedenkt man, dass bei den meisten Deponien mit einer Nachsorgephase von mindestens 30 Jahren kalkuliert wird. Ein automatisches System könnte hier einiges erleichtern.