Phosphorrecycling aus Klärschlamm
Das technische Recycling von Phosphor ist der Trend der Stunde. Im Monatstakt werden neue Anlagenkonzepte vorgestellt. In die Euphorie mischt sich aber auch Kritik: Manchen geht der Abschied aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung zu schnell.
Abschied von der Klärschlammdüngung schreitet voran
Kommunale Klärschlämme sollen gemäß Koalitionsvertrag nicht mehr als Dünger genutzt, sondern als sekundäre Phosphorquelle ausgebeutet werden. Spätestens in zehn Jahren soll die Strategie der Bundesregierung greifen. „Wir erarbeiten gerade Text und Begründung des Referentenentwurfs zur Novelle der Klärschlammverordnung“, erklärte Claus-Gerhard Bergs, Referatsleiter im Bundesumweltministerium (BMUB), bei einer Veranstaltung auf der IFAT. „Damit könnte im September über das Papier im Bundesrat abgestimmt werden.“
In der Folge müsse nur noch die Deponieverordnung geändert werden, um die Ablagerung von Monoverbrennungsaschen bis 2036 zu regeln, erläuterte Bergs. Weiterhin werde es ab 2019, gegebenenfalls 2021, Pflicht, über den Stand der Vorbereitung zur Phosphorrückgewinnung zu berichten.
Die Investitionen, um Phosphor flächendeckend zurückzugewinnen, bezifferte der BMUB-Vertreter auf eine Milliarde Euro. Hingegen sei die Aufbereitung an sich nicht teuer, sie koste „zwischen 0,3 und 14 Euro pro Einwohner und Jahr“. Nach Schätzungen der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall fallen die Investitionskosten deutlich höher aus. Sie rechnet mit zwei Milliarden Euro und zusätzlichen jährlichen Mehrkosten von 400 Millionen Euro.
Keine genauen Zahlen vorhanden
Ob sich der Aufwand ökologisch lohnt, steht dabei noch nicht fest. Horst Fehrenbach vom Heidelberger IFEU betonte, dass das Erstellen einer Energie- und Klimabilanz für die Verfahren einen prozesstechnisch großen Aufwand bedeutet. „Es ist schwierig, hier eindeutige Aussagen zu machen, weil die Verfahren in unterschiedlichen Stufen angreifen: im Abwasserstrom (P-RoC, NuReSys, FixPhos), im Klärschlamm (Phoxnan, Stuttgarter Verfahren, Mephrec) und in der Asche (PASCH, AshDec, SesalPhos).“
Darüber hinaus habe die Gewichtung des gewonnenen pflanzenverfügbaren Phosphors und des erzielten Heizwerts bei der Verbrennung einen entscheidenden Einfluss. Zudem sei schwierig, dass bisher nur Erfahrungen von Anlagen im Pilotmaßstab vorliegen. Dennoch hatte Fehrenbach einige vorläufige Zahlen parat: „Wir gehen davon aus, dass bei einer vollständigen Phosphorrückgewinnung ein zusätzlicher Primärenergieverbrauch in Höhe von 30.000 bis 80.000 Einwohnern notwendig ist.“ Auf die Treibhausgasemissionen (THG) bezogen, ergebe sich eine zusätzliche Belastung von 20.000 bis 60.000 Einwohnern. Das entspricht dem Experten zufolge einer Erhöhung der THG-Last um weniger als 0,1 Prozent für eine Ressourceneinsparung von etwa 35 Prozent.
Genauere Zahlen wünschte sich auch Daniel Frank. Der Vertreter der Deutschen Phosphorplattform forderte zudem, sich um die Frage zu kümmern, was nach der Phosphorextraktion mit dem Rest geschieht. In Richtung Politik gab er zu bedenken, eine langjährige Aschelagerung zu vermeiden, und die aktuellen Kapazitäten der Monoverbrennung aufzustocken. Darüber hinaus müssten auch andere Phosphorquellen genutzt werden. Insbesondere Gülle und Gärreste würden ein Potenzial von 173.000 Tonnen bergen. Sein Fazit lautete: „Wir müssen aufpassen, nicht im Pilotmaßstab stecken zu bleiben.“
Ende der Klärschlammdüngung geht zu schnell
In die Euphorie mischte sich auf der IFAT aber auch Kritik, dass der Abschied aus der bodenbezogenen Klärschlammverwertung zu schnell geht. Geäußert wurde diese von Aloys Oechtering als Vertreter des Entsorgerverbands BDE. „Aus unserer Sicht geht der Ausstieg aus der landbaulichen oder landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlämmen viel zu schnell“, sagte er. Es sei zielführender, qualitativ hochwertige Schlämme weiterhin stofflich zu verwerten. Phosphor könne dann immer noch aus Klärschlämmen herausgeholt werden, die aufgrund ihrer Qualität nicht bodenbezogen verwertet werden können.
Des Weiteren sieht Oechtering im Verordnungsentwurf die Koalitionsvorgabe nicht ausreichend umgesetzt. Denn kleinere Anlagen dürfen nach wie vor Klärschlamm ausbringen. „Ich denke, es ist sinnvoller, die Diskussion an der Qualität und nicht an der Einwohnerzahl festzumachen.“ Abschließend forderte er, den Einsatz synthetischer Polymere rechtlich abzuklären. Ab 2017 gilt ein Verbot für synthetische Polymere, die nicht innerhalb von zwei Jahren zu 20 Prozent abgebaut sind. Die Stoffe werden als Flockungsmittel eingesetzt, um Klärschlamm effizient zu entwässern.
Der Geschäftsführer der Stadtentwässerung Dresden, Ralf Strothteicher, pflichtete Oechtering bei. Das Verbot betrifft sein Unternehmen, weil es bislang pro Jahr 50.000 Tonnen Klärschlamm (rund 13.000 Tonnen Trockensubstanz) landwirtschaftlich verwertet und die Entsorgung ab Sommer neu organisiert werden müsste. „Wir haben zwar Verbrennungskapazitäten, aber nicht ausreichend. Fällt dann noch die Mitverbrennung weg, weil eventuell Kohlekraftwerke schließen, droht der Entsorgungsnotstand“, warnte er. Für den Bau einer thermischen Monoverbrennungsanlage seien Investitionen in mehrstelliger Millionenhöhe notwendig.
„Hierfür brauchen wir Investitions- und Planungssicherheit“, sagte Strothteicher abschließend. Er will nun abwarten, was passieren wird. Er werde so lange wie es geht landwirtschaftlich verwerten, denn „das ist signifikant wirtschaftlicher als die Verbrennung.“