Weltmarkt für Recyclingtechnik

Die deutsche Recyclingtechnik gilt weltweit als Exportschlager. Besonders Länder wie Indien sind derzeit für Anlagenhersteller aus Deutschland interessant. Bei einer Podiumsdiskussion auf der Umweltmesse IFAT warnten Experten aber vor zu viel Euphorie.

Exportschlager mit Hindernissen


17 Prozent der weltweiten Recyclingtechnik kommt aus Deutschland – damit ist die Bundesrepublik deutlicher Weltmarktführer, die Maschinen und Anlagen sind ein Exportschlager. Trotzdem tun sich deutsche Unternehmen teilweise schwer auf fremden Märkten, wie bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Abfall-  und Recyclingtechnik erobert den Weltmarkt“ auf der IFAT vergangene Woche deutlich wurde.

statistic_id36358_umwelttechnik-und-ressourceneffizienz---weltweites-marktvolumen-der-leitmaerkte-2025„Deutschland ist durchaus eine Blaupause im Bereich Kreislaufwirtschaft“, betonte Andreas Jaron, Ministerialrat im Bundesumweltministerium. „Trotzdem kann unser System nicht überall auf der Welt funktionieren.“ Für Jaron gibt es dafür vor allem einen wichtigen Grund: In vielen Ländern basiert die Abfallwirtschaft nicht auf dem Verursacherprinzip. „Außerhalb Mitteleuropas zahlt kaum ein Bürger für die Abfallentsorgung und die Staaten übernehmen auch nur das Nötigste, da sie häufig andere Probleme wie ein unterfinanziertes Gesundheits- oder Schulsystem haben“, sagte der BMBU-Vertreter. Er sei sich sicher, dass erst wenn die Bürger bereit seien, für die Leistungen zu bezahlen, auch die Kreislaufwirtschaft in den betroffenen Ländern so richtig in Schwung kommen werde.

Auch für Armin Vogel muss in Ländern, in denen es keine funktionierende Kreislaufwirtschaft gibt, zunächst ein Ordnungsrahmen geschaffen werden. Dazu zählt die Schaffung eines Gebührensystems. In einem zweiten Schritt, so der Vorsitzender des Exportnetzwerks für die Recycling und Entsorgungsbranche RETech, müsse dann auch unbedingt der informelle Sektor mit in das System eingebunden werden.

Problem: Korruption im öffentlichen Sektor

Gleichzeit warnte Vogel vor zu viel Selbstverständlichkeit: „Wir Deutschen können entsorgungstechnisch sicher nicht alles. Bei der Entsorgung von Megacities beispielsweise haben wir hierzulande keine Erfahrung – Frankfurt und seine paar Hochhäuser gelten da sicher nicht als Vorbild.“ Rund vier Jahre nach der Gründung sind bei RETech inzwischen mehr als 50 Mitglieder aus verschiedenen Branchenbereichen vertreten. „In den Länderarbeitskreisen können Sie auch Hilfe für Auslandsgeschäfte bekommen“, sagte Vogel in Richtung Recycler.

Eine des spannendsten Regionen sei derzeit Indien, sagte Vogel. „Hier werden wir fast täglich mit Projekten konfrontiert.“ Dennoch warnt Vogel vor zu viel Euphorie. Der Grund: Die Korruption im öffentlichen Sektor. „Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt liegt die Gefahr sicherlich bei etwa 70 bis 80 Prozent, dass Ihnen anschließen jemand ein Konto zeigt, das noch befüllt werden muss.“ Sein ernüchterndes Fazit: Große Projekte seien oft verseucht.

abfallaufkommen-in-china-bis-2013 (1)Ob auch China ein lukrativer Mark für deutsche Recyclingtechnik ist, kann Jaron nur vorsichtig einschätzen. An sich gebe es dort zunächst gute Voraussetzungen. In Zusammenhang mit der aggressiven Rohstoffpolitik werden auch Sekundärrohstoffe immer interessanter und China versucht vermehrt, die immense Umweltbelastung zu vermindern. Allerdings betonte Jaron, dass China stark auf eigene Technologien setze und sich die Anlagen zwar anschaut, aber häufig kopiert. „Ob wir davon also profitieren, ist die Frage“, so der Ministerialrat.

Ein weiteres Problem bei den Auslandsgeschäften ist laut RETech-Chef Vogel, dass die Abnehmer meistens Kommunen sind. „Da machen wenige Exportkreditversicherer mit, wenn es keinen privaten Ansprechpartner gibt. Und die Abfallwirtschaft ist auch oft einfach nicht sexy genug.“

PE- und PET-Recycling rechnet sich auch ohne Gebührenfinanzierung

Schwierigkeiten bei der Finanzierung eines Geschäfts kennt auch Werner Herbold, Geschäftsführer des Maschinenbauers Herbold Meckesheim. Rund 70 Prozent der Geräte verkauft das Unternehmen ins Ausland. Die größte Hürde dabei: „In wenigen Ländern gibt es eine vernünftige Finanzierung. Häufig müssen wir die Bank sozusagen mitbringen.“

Grundsätzlich ist laut Werner vor allem das Kunststoffrecycling ohne Gebührenfinanzierung ein Minusgeschäft. Viele scheuten sich daher, in Recyclinganlagen zu investieren. Eine Ausnahme bilden da PP und PET. „Hier rechnet sich das Recycling, wenn die Flaschen sortiert gesammelt werden und das ist ja in vielen Ländern durch Wastepicker der Fall.“

Auch Stefan Kaiser von Vecoplan hat bei den Auslandsgeschäften beobachtet: Viele Regionen gehen den Aufbau einer Abfallwirtschaft zunächst euphorisch an und ändern dann doch kaum etwas. „Für die Fußball-WM und die olympischen Spiele wollte Brasilien beispielsweise eine Kreislaufwirtschaft aufbauen – nach nur drei Projekten wird jetzt wieder alles auf Deponien gefahren.“

Für Kaiser sind derzeit prinzipiell alle Regionen „südlich des Äquators“ interessant. Aber auch dort beobachtet er zunächst eine Goldgräberstimmung, in der sich dann schnell die Spreu vom Weizen trenne. Außerdem sei es aus einem weiteren Grund extrem herausfordernd, weltweit Anlagen zu verkaufen. „Wir bieten ja einen Anlagen-Service weltweit an. Quer durch alle Zeitzonen und Regionen muss da immer jemand vor Ort verfügbar sein.“

© 320°/ek | 09.06.2016
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