Marktbericht für Edelmetalle

Das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU rückt näher und verunsichert die Edelmetallmärkte. Der Goldpreis kletterte vergangene Woche auf ein Zwischenhoch und auch der Silberpreis profitierte. Nur Palladium bekommt keinen Aufwind. Der wöchentliche Marktbericht für Edelmetalle.

Brexit-Referendum macht Märkte nervös


Von Sonia Hellwig und Florian Richard, Heraeus Metals Germany GmbH & Co. KG.

Gold mit Höchstkursen in Dollar und Euro

Der Termin für das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU rückt näher und die Märkte werden zunehmend nervös. Sogenannte „sichere Häfen“ verbuchen signifikante Zuflüsse: Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen sowie 30-jähriger Schweizer Staatsanleihen sanken erstmals unter null und der Goldpreis kletterte am Donnerstag bis auf 1.315,55 US-Dollar/oz, der höchste Stand seit August 2014.

Da der US-Dollar zeitgleich ebenfalls aufwertete, verbuchte Gold in Euro noch deutlichere Gewinne und handelte mit 37,99 Euro/oz so hoch wie seit April 2013 nicht mehr. ETFs verbuchen unverändert signifikante Zuflüsse. Laut Thomson Reuters hatten ETFs am Freitag insgesamt Bestände in Höhe von 52.858.630 ozs, so viel wie seit November 2013 nicht mehr.

Umfragen und Marktentwicklungen deuteten bis zum Donnerstag zunehmend auf einen Brexit hin. Der Mord an einer Labourpolitikerin, die für einen Verbleib in der EU eintrat, sorgte dann jedoch für einen Stimmungsumschwung. Der Goldpreis gab nach und das britische Pfund legte nach Vortagesverlusten wieder zu. Bis zum eigentlichen Referendum am Donnerstag werden diese Schwankungen anhalten. Erste Ergebnisse sind für den frühen Freitagmorgen zu erwarten.

Ein tatsächliches Votum pro Brexit würde zu erheblichen Verwerfungen an den Märkten führen: Das britische Pfund dürfte deutlich an Wert verlieren und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der EU den Euro belasten. Die Aktienmärkte sollten ebenfalls zu den Verlierern zählen, während Bundesanleihen weiterhin gefragt blieben. Zu den größten Profiteuren dürften der US-Dollar, der Schweizer Franken und auch der Goldpreis zählen.

Sollten sich die Briten hingegen für einen Verbleib in der Eurozone aussprechen, könnte die Entwicklung entgegensetzt ausfallen: Gewinnmitnahmen beim Gold, Kursgewinne für den Euro und steigende Aktienkurse.

Silber profitiert durch Anlagecharakter

Silber konnte vergangene Woche wieder Kursgewinne (+1,2 Prozent) verzeichnen und befindet sich weiter im Aufwärtstrendkanal. Während die Brexit-Angst den Industriemetallkomplex wie Kupfer, Aluminium und Nickel, aber auch Öl – aufgrund der vermeintlich negativen konjunkturellen Konsequenzen – deutlich unter Druck brachte, konnte Silber von seiner zweiten Eigenschaft als Investment- und Anlagemetall profitieren und sich gegen diesen Trend stemmen. Auch die ETF-Bestände stiegen weiter an.

So ist davon auszugehen, dass Silber auch diese Woche vorsichtige Gewinne bis zum Referendum am Donnerstag verzeichnen kann. Diese könnten umso deutlicher gegen den Euro, denn auch der USD wird als sicherer Hafen gesucht sein. Widerstand nach oben liegt weiterhin beim Jahreshoch 18,04 US-Dollar/oz, während Unterstützung bei 17 US-Dollar/oz reinkommt.

In EUR haben wir vergangene Woche bereits auf Niveaus deutlich über 500 Euro/kg gehandelt. Diese Levels wurden zuletzt im Januar 2015 gesehen und im Falle eines EU-Austritts Großbritanniens sind aufgrund eines fallenden Euros noch deutlich höhere Kurse vorstellbar.

Platin blickt weiter auf die Goldentwicklung

Platin folgt weiterhin mehr dem Gold, als selbständig zu agieren. Somit ist auch die Brexit-Angst das dominierende Thema für die laufende Woche. Mit der Abstimmung in dieser Woche wird sich zeigen, welche Richtung das Gold und damit auch das Platin einschlägt.

In der vergangenen Woche bewegte sich der Platinpreis nach unten, um mit dem Goldpreis am Donnerstag vorübergehend leicht anzusteigen. Dabei ist 1.000 US-Dollar/oz die psychologische Marke nach oben, 950 US-Dollar/oz scheint der nächste Support zu sein. Interessant ist, dass Platin in der letzten Woche zwischenzeitlich 310 US-Dollar/oz unter dem Gold handelte.

Die Platin-Schwammprämie handelt weiterhin auf ähnlichem Niveau. Mit Spannung wird der Beginn der Lohnverhandlungen der südafrikanischen Platinminen gesehen. Keine Überraschung hat es bezüglich US-Leitzinsen gegeben: Diese bleiben erwartungsgemäß unverändert, erfuhr die Öffentlichkeit aus der Sitzung des Federal Open Market Committee (FOMC).

Gute Nachrichten für den dieseldominierten europäischen Fahrzeugmarkt: Laut European Automobile Manufacturers Association lagen in der EU die Neuzulassungen im Mai 16 Prozent über denen des Vorjahres. Kumuliert per Mai waren das 9,9 Prozent mehr im Vorjahresvergleich. Gleichzeitig bedeutet das den 33. monatlichen Anstieg der europäischen Fahrzeugverkäufe und eine gute Nachricht für Platin.

Palladium in leichter Abwärtsbewegung

Palladium scheint keinen richtigen Aufwind zu bekommen. Bisher kam zwar unter 530 US-Dollar/oz immer wieder Kaufinteresse in den Markt, aber ob das auf Dauer so bleiben wird, bleibt abzuwarten. Palladium bewegte sich in dieser Woche zwischen 528 US-Dollar/oz und 554 US-Dollar/oz. Damit war Palladium nah an der Unterstützung von 523 US-Dollar/oz, was weiteren Raum nach unten lässt.

Palladiumschwamm ist diese Woche, nach leichtem Rückgang in den beiden Wochen zuvor, wieder etwas stärker nachgefragt. Für Palladium kamen gute Nachrichten aus China. Dort sind die Automobilverkaufszahlen besser ausgefallen als in der Vorwoche in den USA: In China wurde ein Fünf-Monats-Hoch gemeldet. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum sind laut China Association of Automobile Manufacturers die Pkw-Verkaufszahlen 11,3 Prozent im Mai gestiegen. Kumuliert sind dort die Fahrzeugverkäufe in diesem Jahr um 7 Prozent gegenüber Vorjahrszeitraum gewachsen.

Rhodium bewegt sich seitwärts; Umsätze im Ruthenium immer noch gut und Iridium weiterhin mit starkem Interesse

Wie erwartet hat sich Rhodium in der Berichtswoche seitwärts bewegt und sich nicht klar positionieren können. Die Umsätze waren auf einem etwas geringeren Niveau, was zum einen daran lag, dass Käufer nach wie vor eher zögerlich agieren und potenzielle Verkäufer sich aufgrund des tiefen Preises auch etwas zurückhalten, weiterhin aktiv zu verkaufen. Aktuell sieht es immer noch nicht nach einer fundamentalen Veränderung aus, sodass wir auch auf der Preisseite keine großen Ausschläge erwarten.

Die Gesamtsituation im Ruthenium hat sich nicht geändert. Die Nachfrage ist weiterhin gut, aber es gibt eben auch nach wie vor eine extrem gute Verfügbarkeit, sodass es auf absehbare Zeit wohl eine unveränderte Marktsituation geben wird.

Im Iridium gibt es immer noch sehr gutes Kaufinteresse von verschiedenen Industrien, das (bisher) noch problemlos bedient werden kann. Aber falls diese Nachfrage mittelfristig anhalten sollte, schließen wir eine Preiskorrektur nach oben nicht mehr aus. In einem engen und überschaubaren Markt ist die Verfügbarkeit – im Gegensatz zu Ruthenium –  aber deutlich eingeschränkter.

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