Interview mit Eric Rehbock
Für Recyclingfirmen wird es immer schwieriger, Geld zu verdienen. Im Interview spricht bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock über die Stimmung im Mittelstand, die Gründe für die schwierige Marktlage und darüber, welche Verantwortung MVA-Betreiber bei der Entsorgung von HBCD-Dämmstoffen haben.
„Eine Verweigerungshaltung wäre völlig inakzeptabel“
Eric Rehbock ist seit 2007 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). Der Verband zählt über 890 Mitglieder und deckt damit alle Fachsparten der Recycling- und Entsorgungswirtschaft ab. Die Mitgliedsfirmen erwirtschaften einen jährlichen Gesamtumsatz von rund 10 Milliarden Euro und beschäftigen rund 50.000 Arbeitnehmer.
Herr Rehbock, Ende September hatte der bvse seine Mitgliederversammlung. Wie war die Stimmung?
Leider nicht besonders gut. Gerade in den Bereichen Metallschrott- und E-Schrott laufen die Geschäfte schlecht, viele Unternehmen haben immer größere Schwierigkeiten, noch Geld zu verdienen. Unterm Strich berichten die Mitgliedsfirmen daher wenig Positives. Deswegen nimmt auch die Bereitschaft zu Investitionen immer mehr ab.
In welchen Bereichen ist die Zufriedenheit noch am größten?
Die Geschäfte im Kunststoffrecycling sind schwierig, aber scheinen noch einigermaßen auskömmlich. Ein wesentlicher Diskussionspunkt sind hier unverändert die Qualitäten, die die dualen Systeme liefern. Aber alles in allem funktioniert der Markt für Kunststoffrecycling.
Und die Sparte Papierrecycling?
Der Markt ist stabil. Der Altpapierabsatz ist gut. Allerdings ist die Erlössituation insgesamt nicht zufriedenstellend. Wir stellen außerdem fest, dass im Mittelstand kaum noch Ausschreibungen gewonnen werden.
Woran liegt das?
Das liegt vor allem an der Art und Weise, wie die Ausschreibungen inzwischen zugeschnitten sind. In vielen Fällen wird das Risiko völlig einseitig zu Lasten der bietenden Firmen verteilt. Hinzu kommen kurze Ausschreibungszeiträume: Wer investiert schon, wenn die Ausschreibung nur über ein Jahr läuft? Erschwert wird das alles noch dadurch, dass es einseitige Nachverhandlungsmöglichkeiten gibt – ebenfalls zu Lasten des Mittelstands.
Die Industrie in Deutschland brummt. Inwieweit kann die Recyclingwirtschaft davon profitieren?
Viele Bereiche der privaten Recyclingwirtschaft leiden vor allem unter einer unbefriedigenden Ertragssituation und der zunehmenden Konkurrenz durch Kommunen. Aber auch der Preiswettbewerb von großen Konzernen wie Remondis setzt dem Mittelstand zu. Nicht auszudenken, wie die Situation wäre, wenn wir auch noch eine Rezession in Deutschland hätten. Aber umgekehrt reicht die gute Konjunktur auch nicht, um die schlechten Marktkonditionen auszugleichen.
Ein akutes Problem ist die Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen. Wie ist hier der aktuelle Sachstand?
Wir befinden uns aktuell in Gesprächen mit mehreren Landesumweltministerien, um nach pragmatischen Lösungen zu suchen. Erfreulicherweise stellen wir fest, dass sich die Länder nun endlich bewegen. Schließlich war es der Bundesrat, der die Einstufung als gefährlichen Abfall in der Abfallverzeichnisverordnung beschlossen hat. Dann liegt es nun auch an den Ländern, für Lösungen zu sorgen.
In welche Richtung geht die Kompromissbereitschaft der Länder?
Die Gespräche gehen dahin, Mischabfälle mit HBCD-haltigen Abfällen unter bestimmten Voraussetzungen als nicht gefährlichen Abfall einstufen zu können. Dann müsste ein Baumischabfall-Container mit enthaltenen HBCD-haltigen Abfällen nicht komplett als gefährlicher Abfall deklariert werden, sofern der Anteil von Styropor nicht mehr als beispielsweise 20 Prozent beträgt.
Welche Bundesländer haben bislang die Bereitschaft zu pragmatischen Lösungen gezeigt?
In den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen ist schnell reagiert worden. Im Saarland und in Sachsen wird ernsthaft nach Lösungen gesucht und inzwischen, allerdings sehr zögerlich, scheint es auch in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen Bewegung zu geben.
Wenn jedes Bundesland für sich entscheidet, könnte es am Ende also 16 verschiedene Lösungen für den Umgang mit HBCD-haltigen Abfällen geben?
Das wäre in der Tat ein Fiasko. Ich gehe aber davon aus, dass die Bundesländer um ihre Gesamtverantwortung wissen und abgestimmte und praxisnahe Lösungen entwickeln werden. Wir haben dazu unsere Vorschläge auf den Tisch gelegt.
Inwiefern sehen Sie die Müllverbrennungsanlagen in der Pflicht?
Die sehen wir ganz klar in der Pflicht. Und wir erwarten auch, dass die Abfallimporte zurückgefahren werden. Denn es kann ja nicht sein, dass wir hier in Deutschland einen Entsorgungsnotstand haben und die Müllverbrennungsanlagen weiterhin Abfälle aus dem Ausland importieren.
Was passiert, wenn die Mehrzahl der MVA-Betreiber aus technischen oder sonstigen Gründen nicht bereit ist, eine Genehmigung für die Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen zu beantragen?
Die Müllverbrennungsanlagen, die auch schon in der Vergangenheit HBCD-haltigen Styropor verbrannt haben, können heute nicht technische Gründe vorschieben, um die Annahme zu verweigern. Ein Blick nach Österreich zeigt, dass dort dieser Abfall in Müllverbrennungsanlagen und Zementwerken thermisch verwertet wird.
Die meisten Müllverbrennungsanlagen sind aber auch voll ausgelastet, die Abfallimporte lassen sich kurzfristig nicht zurückfahren. Möglicherweise wird die Bereitschaft der MVA-Betreiber nicht besonders groß sein. Schließlich tragen auch sie nicht die Verantwortung für die Änderung der Abfallverzeichnisverordnung.
Es ist doch so, dass die Müllverbrennungsanlagen vor zwei Monaten ganz selbstverständlich HBCD-haltigen Styropor mitverbrannt haben. Es gibt demnach auch keinen Grund, heute technische Gründe vorzuschieben oder völlig überteuerte Preise zu verlangen. Die Müllverbrennungsanlagen sind jetzt gefordert, schnell die notwendigen Genehmigungen einzuholen und konstruktiv daran mitzuwirken, dass der Entsorgungsnotstand schnell überwunden wird. Eine Verweigerungshaltung wäre völlig inakzeptabel. Bis zur Entscheidung über eine Regeleinstufung, die die geordneten Entsorgungswege wieder zulässt, sollten kompaktierte Dämmmaterialien auf hierfür genehmigten Flächen für bis zu zwölf Monate gelagert werden können. Die Zwischenlagerung sollte analog zu den Bedingungen erfolgen, die zum Auslaufen der Technischen Anleitung Siedlungsabfall zusammen mit der Abfallablagerungsverordnung gültig waren.