Finanzhilfe

Die Stahlindustrie ist im Zugzwang. Sie muss die CO2-Emissionen in den kommenden Jahren drastisch senken. Mithilfe von wasserstoffbasierten Verfahren wäre das möglich. Doch dafür fehlt den saarländischen Stahlwerken das Geld.

Saarländischer Landtag fordert Milliarden für Stahlindustrie


Über der Stahlindustrie in Deutschland zieht eine wirtschaftliche Schlechtwetterlage auf, die das Zeug hat, den Industriezweig in die Knie zu zwingen. Dabei hat die Stahlwirtschaft schon jetzt mit genügend Problemen zu kämpfen. Billigimporte aus dem Ausland überschwemmen den europäischen Stahlmarkt und durchkreuzen die Absatzpläne der Stahlwerke. Und die nachlassende Konjunktur, insbesondere im Maschinen- und Automobilbau, sorgt ebenfalls für einen rückläufigen Stahlabsatz.

Doch die Last, die von den Klimaschutzplänen der EU ausgeht, dürfte in Zukunft noch sehr viel schwerer wiegen. Die EU will bis 2050 klimaneutral werden, was insbesondere auf die Stahlindustrie immensen Druck auslösen könnte. Denn in Deutschland ist die Stahlwirtschaft für knapp ein Drittel der CO2-Emissionen der gesamten deutschen Industrie verantwortlich.

Offene Finanzierungsfrage

Die Stahlwerke müssen also zusehen, dass sie ihre CO2-Emissionen drastisch senken. Möglich wäre das mit einem wasserstoffbasierten Herstellungsverfahren, bei dem Eisenerz mithilfe von Wasserstoff in Eisenschwamm umgewandelt und danach unter Beigabe von Schrott zu Stahl geschmolzen wird. Doch dafür müssten die bestehenden Hochöfen ausgetauscht werden.

Aber nicht nur der Austausch der Hochöfen würde viel Geld kosten, sondern vor allem auch die Forschung und Entwicklung eines solchen wasserstoffbasierten Verfahrens. Denn bislang ist das Verfahren noch längst nicht marktreif. Zu viele Fragen sind noch offen – vor allem jene, wie die Produktionsumstellung finanziert werden soll.

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) ist überzeugt, dass die Umstellung ohne staatliche Finanzhilfe nicht zu bewerkstelligen ist. Nötig sei ein Milliardenbetrag seitens des Bundes und der EU. Dies sei „keine Sache, die allein auf nationaler Ebene gemacht werden kann, da muss ganz Europa zusammenhalten“.

Das sehen inzwischen auch die Abgeordneten des saarländischen Landtages so. Sie haben an diesem Mittwoch einem Beschluss zugestimmt, der Finanzhilfen in Milliardenhöhe fordert, um damit Technologien für eine CO2-neutrale Stahlherstellung zu finanzieren. In zwei einstimmig angenommenen Anträgen verlangen sie außerdem eine Überprüfung der EU-Schutzklauseln (Safeguards) gegen Billigstahl.

„Zeit zu handeln“

Wie groß die aktuellen Schwierigkeiten der Stahlindustrie sind, zeigen die Ankündigungen der beiden saarländischen Stahlwerke Dillinger Hüttenwerke und Saarstahl, in den kommenden drei Jahren rund 1.500 Stellen abzubauen. In der saarländischen Stahlindustrie arbeiten rund 22.000 Menschen. Stahl sei von existenzieller Bedeutung für die Zukunft des Saarlandes, betonte Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) im Landtag. Unternehmen der Stahlindustrie müssten jetzt unterstützt werden.

„Die Notwendigkeit, Industriepolitik zu betreiben, ist hier offenkundiger als in anderen Bundesländern“, sagte sie. „Es ist noch Zeit zu handeln. Aber es ist auch notwendig, jetzt zu handeln.“ Leichtbau, Windkraftanlagen und Hightech funktionierten nur, „wenn der Stahl hier produziert wird“.

Es gehe darum, „zu verhindern, dass der Stahl, der hier unter guten Bedingungen hergestellt wird, anderswo unter schlechten Bedingungen hergestellt wird“, erklärte die Ministerin. Es gebe deswegen keinen Widerspruch zur Notwendigkeit des Umweltschutzes. „Es geht darum, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft nicht mit der Deindustrialisierung unserer Gesellschaft zu bezahlen.“

 

© 320°/dpa | 30.10.2019

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