Klimaneutral bis 2045

Die Bundesregierung hat das neue Klimagesetz auf den Weg gebracht. Am Mittwoch passierte der Entwurf das Kabinett. Nun sollen bald konkrete Maßnahmen folgen. SPD-Kanzlerkandidat Scholz warnt bereits vor sozialer Kälte.

Neues Klimaschutzgesetz passiert Bundeskabinett


Deutschland wird bis 2045 klimaneutral und bekommt bis dahin verbindliche Emissionsziele für die 2020er und 2030er Jahre. Das ist der Kern des neu aufgelegten Klimaschutzgesetzes, das das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschlossen hat. Die Bundesregierung zieht damit das Ziel der Klimaneutralität um fünf Jahre vor. Bislang hatte die Bundesregierung bis 2050 angestrebt, nur noch so viele Treibhausgase auszustoßen, wie wieder gebunden werden können.

Das Zwischenziel für 2030 wird von derzeit 55 auf 65 Prozent Treibhausgasminderung gegenüber 1990 erhöht. Für 2040 gilt ein neues Zwischenziel von 88 Prozent Minderung. Die Klimaschutzanstrengungen sollen so bis 2045 fairer zwischen den jetzigen und künftigen Generationen verteilt werden. Dazu hatte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung Ende April mit einem Urteil verpflichtet.

Darüber hinaus will die Bundesregierung in den kommenden Wochen ein Sofortprogramm mit ersten Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele auf den Weg bringen. Vorgesehen ist unter anderem auch, dass Vermieter künftig die Hälfte der Kosten für den seit 1. Januar geltenden CO2-Preis auf Öl und Gas tragen sollen. Nach geltendem Recht können Vermieter die Zusatzkosten, die durch den neuen CO2-Preis auf Öl und Gas entstehen, in voller Höhe auf Mieter abwälzen.

„Mit diesem Gesetz schaffen wir mehr Generationengerechtigkeit, mehr Planungssicherheit und einen entschlossenen Klimaschutz, der die Wirtschaft nicht abwürgt, sondern umbaut und modernisiert“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Mittwoch.

Berücksichtigung von Wäldern und Mooren

Schulze sagte, das Gesetz setze den Rahmen und bestimme für jedes Jahr, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in jedem einzelnen Sektor noch ausgestoßen werden darf. „Wenn man das Ziel nicht erreicht wie jetzt zum Beispiel in diesem Jahr der Gebäudesektor, dann muss sofort nachgearbeitet werden“, sagte Schulze. Die zuständigen Minister müssten dann ein Sofortprogramm vorlegen und mitteilen, wie sie die Zielverfehlung, die sie hatten, ausgleichen wollen. „Sie müssen innerhalb von drei Monaten was erarbeiten – das kommt jetzt“, so Schulze.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und der Abfallsektor noch stärker CO2 und andere Klimagase einsparen müssen als bisher. Die jährlichen Emissionsmengen von 2023 bis 2030 werden neu festgelegt. Besonders groß ist demnach die Aufgabe für den Energiesektor: Im Vergleich zum bisherigen Klimagesetz muss dieser im Jahr 2030 auf 67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verzichten – das ist die Einheit, in die die Klimagase umgerechnet werden. Während bislang für 2030 noch 175 Millionen Tonnen im Energiesektor erlaubt waren, sind es nach den neuen Plänen nur noch 108 Millionen Tonnen.

Auch der Verkehr muss bis zum Ende des Jahrzehnts noch mal 10 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen. Für die Landwirtschaft beträgt der geforderte Ersparnis 4 Millionen Tonnen. Nur im Abfallsektor, in dem ohnehin die niedrigsten Ausstoßmengen vorgesehen sind, bleiben die erlaubten Mengen gleich (5 Millionen Tonnen). Bis 2030 hätte Deutschland damit über alle Sektoren hinweg ein Gesamt-Emissionskontingent von 5,465 Milliarden Tonnen Treibhausgasen.

Die Sektorziele allein werden allerdings nicht reichen, um Deutschland bis 2045 zu 100 Prozent treibhausgasneutral zu machen. Auch das stellt das neue Gesetz fest. Für restliche drei Prozentpunkte sollen natürliche Ökosysteme wie Wälder oder Moore sorgen. Dieser Punkt ist neu im Gesetz, ebenso wie die Verpflichtung, diese Ökosysteme besonders fit dafür zu machen. Denn nur, wenn sie intakt sind, können sie auch genug CO2 aus der Atmosphäre binden. Auf diese Art sollen bis 2030 jährlich 25 Millionen Tonnen Treibhausgase gebunden werden. Zum Vergleich: 2018 haben die natürlichen Ökosysteme 18 Millionen Tonnen Treibhausgase gebunden. Umweltorganisationen befürchten jedoch, dass die Rechnung mit dem natürlichen Puffer wegen der Zerstörung von Wäldern nicht aufgehen wird.

Scholz warnt vor „sozialer Kälte“

Als eines der wichtigsten Lenkungsinstrumente zur Reduktion von Treibhausgasemissionen gilt der CO2-Preis auf Öl und Gas. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich skeptisch hinsichtlich einer schnellen Erhöhung des CO2-Preises gezeigt. „Grüne und Union sehen ihn (den CO2-Preis) offenbar als Allheilmittel und glauben, je höher er ist, desto besser fürs Klima. Sie vergessen dabei, dass man genauer hinsehen muss. Viele können eben nicht einfach auf umweltfreundlichere Wege ausweichen“, sagte Scholz der «Rheinischen Post» (Mittwoch). „Wenn der CO2-Preis weiter steigt, wird beispielsweise das Heizen teurer. Was sollen die Mieterinnen und Mieter machen? Umziehen? Weniger heizen und frieren? Das ist im wahrsten Sinne: soziale Kälte“, so der Vizekanzler und Finanzminister.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt machte sich dagegen explizit für die Erhöhung des CO2-Preises stark. „Eine Anhebung des CO2-Preises von derzeit 25 auf 45 Euro bereits im kommenden Jahr, um schneller den Umstieg von fossilen Energieträgern auf sauberen Strom zu fördern und um die anspruchsvollen Klimaschutzziele zu erreichen, halte ich für notwendig“, sagte er «Welt».

Seit Jahresbeginn gilt im Verkehr sowie bei Gebäuden ein CO2-Preis in Höhe von 25 Euro pro ausgestoßener Tonne Kohlenstoffdioxid. Er verteuert fossile Energieträger und soll einen Anreiz dafür schaffen, auf klimafreundlichere Alternativen umzusteigen. Bis 2025 soll er schrittweise auf 55 Euro pro Tonne steigen.

 

© 320°/dpa/sr | 12.05.2021

Mehr zum Thema