Verfehltes Jahresziel
Bundesbau- und Bundeswirtschaftsministerium müssen sich erneut den Vorwurf gefallen lassen, nicht genug für den Klimaschutz zu tun. Das bestätigt der Expertenrat für Klimafragen, den die Bundesregierung selbst eingesetzt hat.
Expertenrat: Klima-Sofortprogramm für Gebäudesektor ist unzureichend
Der Expertenrat für Klimafragen geht nicht davon aus, dass das von Bundesbau- und Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagene Sofortprogramm für den Gebäudesektor ausreicht, um die Treibhausgase im Gebäudesektor in Einklang mit den Vorgaben des Bundesklimaschutzgesetzes zu reduzieren. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den das von der Bundesregierung eingesetzte Gremium am Mittwoch veröffentlicht hat.
Der Gebäudesektor hatte im Jahr 2020 als einziger Sektor das Jahresziel für die erlaubte Emissionsmenge um zwei Millionen Tonnen Treibhausgase verfehlt. Das Bundesklimaschutzgesetz sieht für diesen Fall vor, dass die mit dem Gebäudesektor befassten Ministerien ein Sofortprogramm vorlegen, um das Defizit zu beheben.
Bundesbau- und Bundeswirtschaftsministerium hatten deshalb am 14. Juli dem Expertenrat ein Sofortprogramm vorgelegt, das zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 5,8 Milliarden Euro für die „Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG)“ im Jahr 2021 vorsieht. Weitere neue Maßnahmen enthält das Sofortprogramm nicht. Zwischen 2020 und 2030 sollen insgesamt 32 Milliarden Euro an Fördermitteln fließen, um den Gebäudesektor klimafreundlicher zu machen.
„Tendenziell überschätzt“
Einem Gutachten zufolge würde dieses Fördervolumen im Jahr 2025 zu einer zusätzlichen Einsparung von zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten führen und im Jahr 2030 zu vier Millionen Tonnen zusätzlich führen.
Diese Prognosen hält der Expertenrat allerdings für „tendenziell überschätzt“. Darüber hinaus monieren die Experten, dass aus den Berechnungen nicht nachvollziehbar sei, wie genau sich die im Sofortprogramm zusätzlich bereitgestellten Mittel in Höhe von 5,8 Milliarden Euro als Einzelposten auf die Treibhausgasminderung auswirken werden. „Insgesamt erscheint das Programm wirksam, erbringt aber keinen Nachweis für die Erreichung der Klimaziele des Gebäudesektors bis zum Jahr 2030“, fassen die Experten ihr Urteil zusammen.
Der Expertenrat hatte seinen Bericht den zuständigen Ministerien bereits am Vortag übermittelt. Diese würden nun entscheiden, wie sie mit der Einschätzung umgehen. Ein festgelegtes Verfahren gibt es dafür den Angaben zufolge nicht.
Scharfe Kritik vom BUND
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) übte scharfe Kritik an der Bundesregierung. „Das Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung für den Gebäudesektor ist ein Witz, angesichts der Herausforderungen der Klimakrise“, erklärte BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. „Wo sind die Fördergelder für den Bestand, um dort Anreize für Klimaschutz zu geben, wo sie am wirksamsten sind? Warum werden fossile Heizungsanlagen weiterhin gefördert und legen so Emissionsquellen für die nächsten Jahrzehnte fest? Wieso wurden die völlig veralteten gesetzlichen Energieeffizienzstandards nicht an das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestandes angepasst?“
Statt „nach jahrelangem Versagen“ nachzusteuern, verteilten Wirtschaftsminister Altmaier und Innenminister Seehofer lediglich „Geld mit der Gießkanne“, so die BUND-Vertreterin. „So erfüllt die Bundesregierung noch nicht einmal das gesetzliche Mindestmaß beim Klimaschutz.“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat unterdessen zügige Nachbesserungen angemahnt. „Ich erwarte, dass die für Gebäude zuständigen Ressorts jetzt diese Hinweise aufnehmen und noch im September einen überarbeiteten Beschluss vorlegen“, sagte Schulze am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Gebäude verursachen hierzulande nach Daten des Umweltbundesamts etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen.
„Das Gesetz ist völlig klar: Der Gebäudesektor hat sein Ziel 2020 verfehlt. Diese Verfehlung muss umgehend ausgeglichen werden und der Sektor wieder auf Zielkurs kommen“, machte die Umweltministerin deutlich, die zugleich auch geschäftsführende Vorsitzende des Klimakabinetts ist, das sich im weiteren Verfahren mit dem Beschluss zum Klima-Sofortprogramm befasst.
Das Bundeswirtschaftsministerium teilte am Donnerstag auf dpa-Anfrage mit, man wolle den Bericht des Expertenrats bei der Erarbeitung der Beschlussvorlage zum Sofortprogramm berücksichtigen. Es bestehe Einigkeit, dass mit dem Sofortprogramm „die durch die Zielverfehlung entstehende Lücke“ von zwei Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Gebäudesektor geschlossen werden soll.
320°/dpa/ep