Neuer Beraterjob

Erneut sorgt ein Politikerwechsel in die Wirtschaft für Kritik. Dieses Mal betrifft es den ehemaligen baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller. Er ist künftig für den Energiekonzern MVV tätig.

Kritik an Untersteller: Wechsel ist zu schnell


Die oppositionelle FDP in Baden-Württemberg hat die neue Beratertätigkeit von Ex-Umweltminister Franz Untersteller beim Mannheimer Energieversorger MVV kritisiert. „Herr Untersteller hätte besser daran getan, etwas mehr zeitlichen Abstand zu wahren. Aber wie auf der Autobahn ist Franz Untersteller immer etwas schneller unterwegs als gut ist“, sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke am Mittwoch in Stuttgart.

Am Dienstag hatte MVV mitgeteilt, dass der 64-jährige Grünen-Politiker künftig als Berater beim fünftgrößten Versorger in Deutschland tätig sein wird. Es gebe allerdings nur eine Aufwandsentschädigung und keine Anstellung. Untersteller war vor etwa neun Monaten aus dem Amt geschieden. Bei MVV soll er den Austausch zwischen dem Unternehmen und Kommunen bei der Senkung der CO2-Emissionen und Lösungen für umweltfreundliche Citys fördern.

„Definitiv ein Geschmäckle“

Rülkes Anspielung auf die Autobahn bezieht sich auf einen Vorfall im November 2020. Untersteller, der selbst immer für ein Tempolimit eintritt, war auf der A8 von der Polizei beim Rasen erwischt worden. Statt der erlaubten 120 Stundenkilometer war der Minister mit 177 Sachen unterwegs.

Auch die baden-württembergische SPD sieht Unterstellers Wechsel kritisch. Das Engagement des Grünen habe „definitiv ein Geschmäckle“, weil er zuvor zehn Jahre als Minister für die Rahmenbedigungen der Energiewirtschaft zuständig war. „Der Fall Untersteller macht einmal mehr deutlich, dass die Grünen ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden“, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Boris Weirauch. Die SPD habe schon Mitte 2020 – als der Bundesbeauftragte Volker Ratzmann (Grüne) als Lobbyist zur Post gewechselt war – einen Gesetzentwurf für eine Karenzzeit von 18 Monaten vorgelegt.

Im Südwesten gibt es bisher anders als im Bund keine Regeln für eine Karenzzeit für frühere Regierungsmitglieder. Die grün-schwarze Koalition hat sich aber vorgenommen, in bestimmten Fällen ehemaligen Regierungsmitgliedern eine Beschäftigung in einem Zeitraum von 18 Monaten nach Ausscheiden aus dem Amt zu untersagen. „Wir haben immer betont: Politische Entscheidungen müssen in einem Regierungsamt unabhängig getroffen werden, nicht in Gedanken an den nächsten Arbeitsvertrag“, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz der dpa. „Hier halten wir Wort und werden eine zeitgemäße Regelung zeitnah auf den Weg bringen.“

Transparency für drei Jahre Karenzzeit

Untersteller war als Umweltminister von 2011 bis 2021 für die Energiewirtschaft im Südwesten zuständig und gilt als Vertrauter von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Ein Sprecher des Ministeriums sagte: „Franz Untersteller hat schon vor seinem Ausscheiden als Minister und Landtagsabgeordneter angekündigt, beruflich noch mal etwas Neues machen zu wollen. Dass er jetzt ein Unternehmen bei der Energiewende berät, ist ein logischer Schritt.“

Der Ex-Minister sei ein ausgewiesener Fachmann in Energiefragen, betonte der Sprecher. „Und jeder Experte oder jede Expertin, die beim dringend benötigten Ausbau der erneuerbaren Energien mitwirkt, hilft dem Land bei der wichtigen Energie- und Wärmewende.“ Untersteller selbst wollte sich auf Anfrage nicht äußern.

Die Anti-Korruptions-Organisation Transparency hält Unterstellers ebenfalls für problematisch. Zwar sei rechtlich nichts an dem Übergang zu beanstanden, es stelle sich aber trotzdem die Frage, ob diese Tätigkeit legitim sei, sagte Norman Loeckel, Leiter Arbeitsgruppe Transparente Verwaltung. Karenzzeiten sollten verhindern, dass ehemalige Regierungsmitglieder entweder vorher im Amt oder danach Beschlüsse treffen, welche dem Unternehmen Vorteile bringen oder ihm nach dem Ausscheiden des Politikers aus dem Amt einen wichtigen Zugang zu Entscheidungsträgern öffnen.

„Sollte Untersteller bezahlt werden, wäre das sicherlich ein Interessenkonflikt“, sagte Loeckel. In anderen Bundesländern wie etwa NRW beträgt die Karenzzeit zwölf Monate. Die Transparency plädiert für drei Jahre, um einen „echten Abstand“ zur vorherigen Tätigkeit herzustellen.

320°/dpa

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