Heat-to-Energy

Ein Projekt-Konsortium will Abwärme aus verschiedenen Industriezweigen zur Stromerzeugung nutzen. Dafür wollen sie das bekannte ORC-Verfahren leistungsfähiger machen – unter anderem mit Hilfe einer neu entwickelten Turbine.

Abwärme zu Strom – speziell für die Industrie


Aluminium-, Glas-, Stahl- und Zementwerke, Raffinerien, Energie-, Öl- und Gasunternehmen haben eines gemeinsam: Bei ihren Prozessen fällt viel Abwärme an. Sie könnte als Energiequelle genutzt werden, wird sie zumeist aber nicht. Ein EU-Projekt will nun ein auf Industrieanlagen zugeschnittenes Verfahren entwickeln, um aus dieser „Abfall“-Energie Strom zu gewinnen.

Das Verfahren, um das sich das Projekt namens Decagone dreht, basiert auf der sogenannten „Organic Rankine Cycle“-Technologie. Die Stromerzeugung läuft beim ORC-Prozess im Prinzip ab wie in einer normalen Wasserdampf-Turbine in einem Dampfkraftwerk, nur ohne Wasserdampf.

Ähnlich wie bei einem Kühlschrank ist der Kern des ORC-Prozesses ein organischer Stoff mit einem niedrigen Siedepunkt. Das können beispielsweise Kohlenwasserstoffe oder auch Silikonöl sein. Dieses ORC-Fluid nimmt die (Ab-)Wärme auf und verdampft bei deutlich geringeren Temperaturen als Wasser. Der Dampf leistet in der Turbine Arbeit, indem er die Turbinenräder antreibt. Die Turbine wiederum treibt einen Generator zur Stromerzeugung an.

Neue Turbine: Leistungsfähiger und fast wartungsfrei

ORC-Anlagen kommen bislang vor allem bei der Stromerzeugung mit Hilfe der Geothermie, der Kraft-Wärme-Kopplung sowie bei Solarkraftwerken und Meereswärmekraftwerken zum Einsatz. Also in Fällen, in denen die Wärmequelle ein geringes Niveau aufweist oder das zur Verfügung stehende Temperaturgefälle zwischen Wärmequelle und -senke zu niedrig für den Betrieb einer von Wasserdampf angetriebenen Turbine ist.

Das 16-köpfige Projektkonsortium aus zehn europäischen Ländern will das ORC-Prinzip nun auf ein höheres Leistungsniveau bringen. Darüber hinaus soll das Decagone-System für breitere Eingangstemperaturbereiche geeignet sein und eine erhebliche Verkleinerung der Anlagengröße ermöglichen. Damit könne es in den unterschiedlichsten Industriesektoren eingesetzt werden.

Herzstück dabei ist die Turbine. Hierfür haben die Projektpartner eine bestimmte Architektur entwickelt, die für eine höhere Kapazität und eine höhere Verfügbarkeit sorgen soll, als Turbinen erreichen, die üblicherweise in ORC-Anlagen im Einsatz sind. Die Turbine soll zudem nahezu wartungsfrei sein, was zu einer Kostensenkung beitragen soll.

Demo-Anlage in tschechischem Stahlwerk

Ein weiterer Schwerpunkt liegt laut dem französischen ORC-Anlagen-Hersteller und Projektkoordinator Enertime auf der Entwicklung spezieller organischer Flüssigkeiten beziehungsweise Mischungen. Diese sollen für eine höhere Stabilität des Prozesses sorgen und sich auf die verschiedenen wärmeintensiven Industriesektoren übertragen lassen. Die Projektbeteiligten wollen sich zur Effizienzsteigerung des ORC-Prozesses nicht zuletzt auch das Internet der Dinge und maschinelle Lernalgorithmen in Echtzeit zunutze machen.

Die neue Dampf-Kraft-Lösung werde zunächst in einem Werk des tschechischen Stahlproduzenten Moravia Steel demonstriert. Die Demo-Anlage habe eine Leistung von 2 Megawatt haben, wie Enertime mitteilt.

Offizieller Startschuss für Decagone (DEmonstrator of industrial CArbon-free power Generation from ORC-based waste-heat-to-Energy systems) war Anfang Juni. Zu den Projektpartnern gehört neben Enertime auch das französische Forschungszentrum für Kernenergie, das Commissariat à l’énergie atomique et aux énergies alternatives. Von wissenschaftlicher Seite wird das Projekt unter anderem von der TU München begleitet. Das auf vier Jahre angelegte Projekt wird durch das EU-Forschungs- und Innovationsrahmenprogramm Horizont mit einem Budget von 14 Millionen Euro finanziert.

320°/mk

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