Erstmals seit März

Die Sorge um russische Gaslieferungen nimmt weiter zu – und drückt sich nun auch im Preis aus: Erstmals seit März ist der Terminpreis für niederländisches Erdgas auf über 200 Euro je Megawattstunde gestiegen. Dieser Preis gilt als richtungsweisend für den europäischen Markt.

Europäischer Erdgaspreis steigt auf 224 Euro


Die Sorge um die Versorgungssicherheit hat den europäischen Erdgaspreis am Mittwoch auf über 200 Euro je Megawattstunde steigen lassen. Bis zum Mittwochvormittag stieg der Preis für eine Megawattstunde zur Lieferung im August im Vergleich zum Vortag um rund 10 Prozent auf bis zu 224 Euro. Der Preis bezieht sich auf den Terminkontrakt TTF, der in Europa als Richtschnur für das Gaspreisniveau angesehen wird.

Schon am Montag waren die Erdgaspreise in Europa deutlich gestiegen. Grund war die Ankündigung des russischen Erdgaskonzerns Gazprom, von Mittwoch an den Gasfluss durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 von derzeit noch 40 auf 20 Prozent der Gesamtkapazität weiter abzusenken. In der Tat hat der russische Erdgaskonzern Gazprom seine Lieferungen durch Nord Stream 1 am Mittwochmorgen erneut deutlich reduziert. Ein Lieferstopp seitens Russland gilt seit dem Ukraine-Krieg als großes wirtschaftliches Risiko für Europa, da viele Länder stark von den Gaslieferungen Russlands abhängig sind. Ökonomen warnen vor einer Rezession, sollten die Lieferungen komplett ausfallen.

Gas-Notfallplan steht

Unterdessen haben sich die EU-Staaten am Dienstag auf einen Notfallplan zur Drosselung des Gaskonsums geeinigt. Bei einem Treffen der Energieminister in Brüssel kam die notwendige Mehrheit zusammen, wie die tschechische Ratspräsidentschaft bestätigte.

Der Plan soll vor allem die Risiken reduzieren, die bei einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen entstünden. Die bei einem Sondertreffen der Energieminister getroffene Einigung sieht vor, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.

EU-Energiekommissarin Kadri Simson warnte jedoch bei einer Pressekonferenz, dass die Einsparziele nach einer ersten Kalkulation nur ausreichen werden, um im Fall eines Stopps russischer Lieferungen sicher durch einen „normalen“ Winter zu kommen. Für einen kalten Winter wird es ihr zufolge nicht reichen. Simson sprach von notwendigen Einsparungen von 30 Milliarden Kubikmeter für einen durchschnittlichen Winter und 45 Milliarden Kubikmeter für einen kalten Winter.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wertete den Deal dennoch als großen Erfolg. „Europa lässt sich nicht spalten“, sagte der Grünen-Politiker. Er bezeichnete die Einigung als ein „starkes Zeichen gegen alle Spötter und gegen alle Verächter“ der EU.

Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold (Grüne) betonte: „Wenn höhere Einsparungen notwendig werden, werden wir erneut sprechen.“ Ihm zufolge war nur Ungarn gegen den Notfallplan. Giegold betonte: „Mit der Gaseinspar-Verordnung helfen Staaten, die sich nicht von Putins Russland abhängig gemacht haben, den Mitgliedsstaaten, die jahrelang blind auf billiges fossiles Gas gesetzt haben. Darunter Deutschland. Danke an unsere Nachbarn!“

„Auf gutem Weg“

Deutschland ist nach Habecks Angaben beim Gassparen auf einem guten Weg. Man habe bereits „enorme Anstrengungen und enorme Erfolge erzielt“ und werde weitere realisieren können, sagte er. Demnach liegt Deutschland bei 14 oder 15 Prozent Einsparungen – allerdings im Vergleich zum Vorjahr und nicht temperaturbereinigt. Habeck machte deutlich, dass Deutschland die 15 Prozent noch übertreffen sollte. „In der Tat, für einige Länder – und ich würde für Deutschland auch sagen – sollten wir versuchen, besser zu werden.“

Zugleich widersprach der Wirtschaftsminister Darstellungen, wonach nur Deutschland besonders abhängig von russischem Gas ist. „Das ist ein mittelosteuropäisches Problem“, sagte er. „Man hat sich zu lange zu blind auf das günstige, billige, ewig fließende russische Gas verlassen.“

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums lag der Anteil russischer Gaslieferungen für Deutschland vor Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Mittel bei mehr als der Hälfte. Ende Juni lag der Wert zwar nur noch bei 26 Prozent, allerdings war ein Grund dafür auch, dass Gazprom die Lieferungen über Nord Stream 1 gedrosselt hatte.

320°/dpa/re

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