Absage aus Brüssel

Brüssel sagt Nein zur gewünschten Mehrwertsteuerbefreiung der Gasumlage in Deutschland. Ob Verbraucher anderweitig entlastet werden, ist offen. Brüssel und Berlin wollen weitere Möglichkeiten ausloten.

Keine Mehrwertsteuer-Ausnahme für Gasumlage


Für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wird es keine Ausnahme bei der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage geben. Die EU-Kommission bekräftigte am Dienstag, dass eine Streichung der Steuer anders als von der Bundesregierung erhofft nicht möglich ist.

Die Brüsseler Behörde arbeitet nach eigenen Angaben aber zusammen mit Berlin an einer Lösung. Man sei mit der EU-Kommission im Gespräch und werde mit dem für die Gasumlage federführend zuständigen Bundeswirtschaftsministerium „alle Möglichkeiten ausloten“, bestätigte das Bundesfinanzministerium.

„Jetzt muss es weitergehen“

Mit der Umlage sollen erhöhte Beschaffungskosten von Großimporteuren ausgeglichen werden, um diese vor der Pleite und das deutsche Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Alle Gaskunden sollen dafür zusätzlich 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, Privathaushalte ebenso wie Firmen. Etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch mahnte bereits vor dem Entscheid aus Brüssel eine andere Lösung an, falls keine Ausnahme bei der Steuer möglich sei. Niemand solle am Ende mehr als die 2,4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen, sagte Miersch in der ARD. Er sprach sich für weitere Entlastungen über die bereits beschlossenen Maßnahmen wie die Energiepreispauschale von 300 Euro für Arbeitende hinaus aus.

„Jetzt muss es weitergehen“, forderte der SPD-Politiker mit Blick auf Entlastungen. So seien etwa Antworten für Rentnerinnen und Rentner nötig. Notwendig sei auch eine verlässliche Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket, das nur noch bis Ende August gilt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), will den Fokus für Entlastungen vor allem auf Geringverdiener legen.

Streit um Steuerpläne

Die Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten bereits mehrere Entlastungsmaßnahmen angestoßen. Einer Mehrheit der Bundesbürger fehlt jedoch die Orientierung, wie aus dem RTL/ntv-«Trendbarometer» hervorgeht. Zwanzig Prozent der Befragten hatten nach eigener Einschätzung einen genauen Überblick, 78 Prozent hingegen gaben an, sie blickten „da nicht mehr durch“.

Vor dem Hintergrund der Entlastungsdebatte geht auch die Diskussion um die Steuerpläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner weiter. Der Abbau der sogenannten kalten Progression sei nicht allein eine Frage der Finanzpolitik, schrieb der FDP-Chef auf Twitter. „Es ist eine gesellschaftspolitische Richtungsentscheidung. Was schon lange Staatspraxis ist, wird von linken Stimmen zur ‚Klientelpolitik‘ erklärt. Es geht aber um die breite Mitte der Gesellschaft.“

Lindner will die kalte Progression ausgleichen. Mit dem Begriff kalter Progression wird ein Effekt beschrieben, durch den Bürger in Zeiten hoher Inflation mehr Steuern zahlen müssen, obwohl ihre Kaufkraft nicht steigt. Der Finanzminister hat deshalb vorgeschlagen, den Grundfreibetrag und die Grenze für den Spitzensteuersatz anzuheben. „Wir vermeiden inflationsbedingte Mehrbelastungen für 48 Millionen Menschen in Deutschland – 270 000 werden sogar komplett von der Einkommensteuerzahlung befreit“, so der Finanzminister.

Politiker der Koalitionspartner SPD und Grüne kritisieren an dem Vorschlag, dass in Euro und Cent bei Geringverdienern weniger ankommen würde als bei Topverdienern. Lindner wies dies zurück: „Die maximale Wirkung ist bei einem Alleinstehenden mit gut 62.000 Euro Jahreseinkommen gedeckelt. Das ist ein guter Verdienst, aber noch voll die Mitte der Gesellschaft“, sagte er der dpa. „Die Mehrbelastung dieser Menschen läge bei 479 Euro, wenn wir nichts tun.“

320°/dpa

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