Sofortprogramm

Enttäuschung beim Expertenrat für Klimafragen: Was das Verkehrsministerium für den Klimaschutz plant, reicht wohl bei Weitem nicht aus. Grünen-Chefin Lang fordert Nachbesserungen – die Vorschläge lägen auf dem Tisch.

Schlechtes Zeugnis für Klimaschutzpläne im Gebäude- und Verkehrssektor


Mit den vorgelegten Klimaschutz-Sofortprogrammen der Regierung für den Gebäude- und Verkehrssektor droht Deutschland seine Klimaziele in diesen Bereichen weiterhin zu verfehlen. Insbesondere bei den Bemühungen, Treibhausgase im Verkehr einzusparen, bleibe eine große Lücke, teilte der Expertenrat für Klimafragen am Donnerstag in Berlin mit.

„Das Sofortprogramm für den Verkehrssektor spart nach Angaben des Verkehrsministeriums nur 14 Megatonnen an Treibhausgas-Emissionen ein, sodass sich rechnerisch immer noch eine Erfüllungslücke von 261 Megatonnen bis 2030 ergibt“, erklärte die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf.

Das Ministerium habe nur Pläne zum Ausgleich der Lücke der Emissionen des Vorjahres vorgelegt, was „eine sehr spezielle Interpretation“ des Klimaschutzgesetzes sei. Zudem habe das Haus von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf das geplante umfassende Klimaschutz-Sofortprogramm der Bundesregierung verwiesen, das der Expertenrat ebenfalls prüfen wird.

Zweifel an Umsetzung

Deutschland hat sich jährliche Klimaschutz-Ziele für verschiedene Bereiche gesetzt. Wenn die festgelegten Jahresemissionsmengen überschritten werden, müssen die betroffenen Ministerien Sofortprogramme mit zusätzlichen Treibhausgas-Sparbemühungen vorlegen. Aktuell betrifft das die Ministerien für Verkehr und Bau. Der Gebäudesektor hatte die im Klimaschutzgesetz festgelegte Jahresemissionsmenge im Jahr 2021 um gut 2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten. Der Verkehrssektor hatte die Jahresemissionsmenge für 2021 um 3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten.

Die Treibhausgas-Sparpläne für den Gebäudebereich, für die das Bauministerium von Klara Geywitz (SPD) und das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) zuständig sind, bewertete der Expertenrat etwas besser. Bis 2030 sieht das Programm Treibhausgas-Einsparungen von 137 Megatonnen vor, womit Deutschland seine Klimaziele in diesem Bereich bis dahin insgesamt erreichen würde. Bis 2027 würden die jährlichen Zielmarken aber noch überschritten.

„Ob die Einsparungen allerdings wirklich in diesem Umfang realisiert werden können, erscheint nach unserer Prüfung fraglich“, merkte der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning, an. Unterm Strich sei die Einhaltung der Klimaschutz-Vorgaben durch das Sofortprogramm nicht sichergestellt.

Deutsche Umwelthilfe kündigt Klage an

Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz, wirft dem Verkehrs- und Bauministerium vor, viel zu wenig unternommen zu haben. Die Regierung verschleppe die Umstellung auf klimafreundlicheres Heizen und sei damit mitverantwortlich für übermäßig steigende Heizkosten. „Hohe Effizienzstandards und wirksame Sanierungsanreize müssen im Zentrum des neuen Sofortprogramms stehen, um vor allem einkommensschwache Haushalte vor Preisschwankungen und fossiler Abhängigkeit zu schützen“, so Metz. Gegen das Verkehrs-Sofortprogramm will die Umwelthilfe klagen.

Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck sagte in Reaktion auf den Expertenrat, die Regierung sei nun in der Pflicht, das Klimaschutzsofortprogramm noch im September zu beschließen. Dabei müssten alle Bereiche ihren Beitrag leisten. „Dabei geht es nicht um abstrakte Zahlen, sondern darum, dass wir die Grundlage für ein Leben in Freiheit und Wohlstand bewahren.“

„Vorschläge liegen auf dem Tisch“

Grünen Co-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, für den Verkehrsbereich lägen viele Vorschläge auf dem Tisch. Sie nannte etwa eine Reform des steuerlichen Dienstwagenprivilegs, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen oder eine Weiterführung des 9-Euro-Tickets.

„Wer wenig Ordnungsrecht will, der muss jetzt Geld in die Hand nehmen und investieren, zum Beispiel in den Ausbau der Schiene“, sagte Lang. Wer sparen wolle, müsse klares Ordnungsrecht setzen. „Aber was nicht geht, das ist immer nur Nein zu sagen.“ Dafür sei die Herausforderung zu groß.

Lang forderte alle Bundesministerien auf, „ohne Scheuklappen“ Maßnahmen vorzulegen. Die Bundesregierung müsse noch im September ein Klimaschutzsofortprogramm vorlegen, mit dem die Klimaschutzziele 2030 eingehalten werden könnten.

Der Ausstoß der Bundesrepublik an klimaschädlichen Treibhausgasen ist im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen um 4,5 Prozent gestiegen, wie das Umweltbundesamt im März mitteilte. Damit verfehlt Deutschland selbst ein Jahr später noch das für 2020 gesetzte Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß im Vergleich zu 1990. Die Emissionen sanken nur um 38,7 Prozent im Vergleich zu 1990.

320°/dpa/re

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